Kryptowährungen „Hop, paf“ – Allianz lässt Youtuber für Bitcoin werben

Die Allianz verbündet sich in Frankreich mit einem Youtuber und wirbt für Bitcoin und andere Kryptowährungen. Kritik sucht man vergebens.

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Bitcoin: Allianz lässt Youtuber Micode für Kryptowährung werben

Paris „Eine Verbindung, wie es sie noch nie gegeben hat“, gab die Allianz Frankreich vor wenigen Tagen bekannt: Sie habe sich mit dem Youtuber Micode zusammengeschlossen, der „die Leute trifft, die unser Leben verändern werden.“ Micode werde „Ideen, Ratschläge und Tricks teilen, um den Fallen der neuen Technologien zu entgehen“.

Die erste Episode des neuen Paares könnte sich allerdings eher als üble Falle erweisen für alle, die sie ernst nehmen: Die Premiere von Allianz und Micode ist ein viertelstündiges Werbevideo für Bitcoin und andere Kryptowährungen.

Das Filmchen ist aufwendig gemacht: Micode fliegt nach Nizza, läuft in der dortigen Allianz-Arena herum, in der auch ein Zentrum für Start-ups untergebracht ist. Der junge Franzose, von dem man nur weiß, dass er 160.000 Follower auf Youtube haben soll, redet in der Sprache, die als jugendgemäß gilt: „Die von Allianz, die sind voll in der Innovation, und die meisten abgedrehten Sachen, die ihr sehen werdet, kommen zustande, weil sie hyperbegeistert sind.“

Micode erklärt, was er unter Bitcoin versteht: „Das ist eine neue Währung, die ist dezentralisiert und digitalisiert, das bedeutet: Es gibt niemanden der sagt, X hat das Recht, so und so viele Bitcoins auszugeben.“ Das sei „wirklich fantastisch, diese Währung kommt ohne eine Institution des Vertrauens aus, das ganze Netz ist für das Vertrauen verantwortlich, das nennt man Mining.“ Irgendwas scheint Micode noch nicht ganz verstanden zu haben.

Aber er plappert munter weiter: „Dahinter steht die Blockchain, also das ist wie ein Kontobuch, das ist völlig offen, jeder kann lesen, welche Transaktion zu welchem Konto gegangen ist.“ Micode ist seiner Sache sicher: „Am Ende gebe ich Euch noch ein paar Tipps für Videos, damit ihr alles versteht von den Kryptowährungen, die niemand wirklich versteht, aber über die alle reden.“ Verstanden?

Der Leiter des „Allianz Accelerateur“ in Nizza, Sylvain Theveniaud, ist im Interview mit dem Youtuber weniger aufgedreht als Micode und bemüht sich, die Kryptowährungen wie eine Weiterentwicklung der klassischen Währungen erscheinen zu lassen: „Es gibt eine ganze Menge von Akteuren, die Miner, die Handelsbörsen, die Plattformen, um Bitcoin entsteht eine Industrie, wie es sie bereits bei den klassischen Währungen gibt.“

Nach Nizza folgt eine Art Werbeeinblendung für Ledger, ein junges französisches Unternehmen, das auch von der Allianz gefördert wurde. „Eric, was passiert hier?“, fragt Micode. Eric Larchevèque, der mit Ledger sehr erfolgreich ist, bewirbt sein Produkt: „Wir bauen so etwas wie Safes für Bitcoin, wenn Du Gold kaufst, kaufst Du auch einen Safe, um es aufzubewahren.“ Genau so sei es bei Bitcoin: „Wenn Du die kaufst, lässt Du sie nicht auf Deinem Rechner. Das wäre ja so, als ließest Du Dein Gold auf dem Kaminsims.“

Eric zeigt hübsch aufbereitet seinen Krypto-Safe: „Das ist kein USB-Stick, sondern ein kleiner Rechner mit eigenem Betriebssystem, über den man Bitcoins überweisen kann. Wir haben schon 700.000 davon verkauft.“

Schön für Ledger. Aber was hier besonders gefährlich ist: Die Suggestion von Sicherheit, die vermittelt wird. Ahnungslose müssen glauben, ein kleiner Stick könne Bitcoin sicher machen. Hier wird Datensicherheit verwechselt mit der Sicherheit vor Wertverlust.


„Boah, genial, das ist wirklich die Revolution“

Micode lanciert in seinem Video eine weitere Werbung, diesmal für Brian O’Hagan von „La Maison du Bitcoin“ in Paris. O’Hagan stolz: „Wir sind der erste physische Ort für Bitcoins, haben 250 verschiedene Kryptowährungen, die man hier kaufen kann.“

Der Youtuber begeistert sich: „Das ist ein Zukunftssektor für Beschäftigung, da entstehen viele Jobs, oder?“ O’Hagan nimmt den Ball gerne auf: „Ich glaube, da gibt es viel Potenzial, wahrscheinlich wird es bald überall viele Bitcoin geben mit den entsprechenden kommerziellen Chancen.“

So geht es minutenlang weiter, ohne die geringste Distanz. Micode steigert sich sogar noch: „Also ich habe mir gesagt, das ist ja ein bisschen abstrakt, deshalb nutzen wir den Smart Contract für eine Wette auf ein Fußballspiel.“

Micode bezieht einen anderen Youtuber ein, um mit Bitcoins auf ein Fußballspiel zu wetten. Der Wettpartner grinst in die Kamera: „Also ich habe weder von Fußball noch von Wetten Ahnung.“ Micode gibt wichtigtuerisch Auskunft: „Das ist eine Blockchain, die erlaubt, das Geld zu programmieren.“ Wie bitte? „Also heute Abend geht automatisch, wirklich automatisch, der gewettete Betrag entweder auf dein oder auf mein Konto: Hop, paf.“

So ganz hop, paf läuft es dann doch nicht, Micode blickt konsterniert auf sein Display: Irgendwas klappt nicht. „Ach so, wir müssen erst Euros in Ether umwechseln. 0,05 Ether – zack, gemacht.“ Romain ist beeindruckt: „Boah, genial, das ist wirklich die Revolution.“

Micode formuliert den Abbinder: „Ich hoffe, ihr habt ein wenig verstanden, welche Möglichkeiten es bei den Kryptowährungen gibt, der Bitcoin wird heute viel als Fluchtwährung genutzt oder um Trading zu machen, wenig für den Handel. Aber das wird sich entwickeln.“

Bitcoin als sicherer Hafen, in einem von der Allianz finanzierten Video? Man reibt sich die Augen. Erst vor wenigen Wochen hat die französische Finanzmarktaufsicht AFM explizit gewarnt, welche Vermögensverluste drohen. Am Dienstag alarmierte Mark Carney, Gouverneur der Bank of England: „Bitcoin ist kein Wertspeicher.“

Die Anleger, die sich vom Allianz-Partner Micode begeistern lassen, sind hoffentlich gut versichert. Auf unsere Frage, ob diese Art von Videos wirklich zur Allianz passen, bekamen wir keine Antwort.

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