Kurspflege und Dividende Was aggressive Investoren den Aktionären bringen

Thyssenkrupp, Apple und Bilfinger. Quelle: dpa Picture-Alliance

Aktivistische Investoren mischen gerade die Börsenwelt auf. Die Analyse von fünf heftigen Konflikten um bekannte Unternehmen zeigt, ob sich deren Attacken für Aktionäre gelohnt haben.

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Für die Stahlkocher von Thyssenkrupp im Werk Bochum ist das Ding gelaufen. Sie werden mit dem indischen Konkurrenten Tata zusammengeschlossen. Zu einem Konstrukt, sperrig wie sein Name: Thyssenkrupp Tata Steel Europe. „TatüTata“ haben die Stahlwerker auf ihre Helme gepinselt. „Wir sind hier die Einsatztruppe, an uns kommen die Inder nicht vorbei“, sagt ein Bochumer Stahlarbeiter. Er und 20.000 Kollegen haben über die Fusion abgestimmt. Am Montag dann das Ergebnis: Die Belegschaft stimmt der Fusion mehrheitlich zu. „Die Grundstimmung der Stahlarbeiter ist positiv“, sagt Heiko Reese, Stahlexperte der IG Metall. Thyssenkrupp-Chef Heinrich Hiesinger musste Zugeständnisse zur Sicherung von Jobs machen.

Die Metaller haben ihre Schlacht geschlagen. Für Hiesingers Großaktionär, den schwedischen Investor Cevian, beginnt der Kampf aber jetzt erst so richtig. Die Fusion mit Tata reicht den Schweden nicht. Wunschtraum von Cevian war eine Abspaltung des Stahls, über einen Börsengang. Das hätte Cash in die Kasse gebracht und Geld für Investitionen. Thyssenkrupp sei immer noch ein Konglomerat. Zu schwerfällig, zu wenig profitabel, kritisiert Cevian jetzt. „Hätte Thyssenkrupp seine eigenen Margenziele erreicht, wäre die Aktie 50 Euro wert, doppelt so viel wie heute“, sagt Cevian-Boss Lars Förberg. Hiesinger solle weitere Konzernteile in Gemeinschaftsunternehmen einbringen oder über die Börse verkaufen. Bis das passiert, wird Cevian weiter Druck machen. Potenzielle Verbündete ließen sich finden, unter anderen Aktivisten.

Aktivisten. So nennen sie an der Börse Großinvestoren, die mehr tun, als nur Aktien zu kaufen und darauf zu hoffen, dass sich der Kurs gut entwickelt. Der Hedgefonds Elliott aus den USA etwa tut so etwas. TCI aus London. Oder AOC aus Deutschland. Sie organisieren Kampagnen gegen Unternehmen, die aus ihrer Sicht schlecht gemanagt werden. Fordern Aufspaltungen, drängen auf höhere Dividenden und Aktienrückkäufe, wollen Manager feuern und Fusionen kippen. Vorstände kostet das Geld, Zeit und Nerven. Deshalb machen sie Front gegen Aktivisten. Nur auf den schnellen Euro oder Dollar seien die aus. Geschäftsmodell: Aktien kaufen, Lärm machen, Anleger locken – dann schnell wieder verkaufen. Kurzfristige Kursgewinne gehen auf Kosten des langfristigen Unternehmenswerts, sagen die Kritiker. Aktivisten aber sehen sich als Schutzengel der Kleinaktionäre.

Zeit also, sich hier einer Antwort zu nähern: Was bringen die spektakulären, von Aktivisten angezettelten Börsenschlachten wirklich? Sind sie nützlich oder schädlich, für Unternehmen und Anleger?

Cevian gegen Thyssenkrupp: Versöhnen statt spalten

18 Prozent hält Cevian an Thyssenkrupp. Geht es nach Hiesinger, haben die Schweden nicht mehr zu melden als andere Anteilseigner: „Wir führen mit allen Aktionären einen konstruktiven Dialog.“ Zu mehr als dieser kühlen Aussage auf der Hauptversammlung vor zwei Wochen lässt sich der Thyssenkrupp-Chef denn auch nicht hinreißen. Seit über fünf Jahren drängen die Schweden schon auf Veränderung.

Seit dem Einstieg von Cevian ist die Thyssenkrupp-Aktie um etwa 50 Prozent geklettert. (Zum Vergrößern bitte anklicken)

Zunächst sammelten sie nur ein paar Anteile ein. Im September 2013 dann der Knall: Cevian tickerte, 5,2 Prozent an Thyssenkrupp zu halten. Der Kurs des Stahl-, Aufzugs- und Autozuliefererkonzerns schnellte gleich um sechs Prozent nach oben. Begleitet von den üblichen Kommentaren: Wo Cevian sich einmische, führe dies in der Regel zum Erfolg, hieß es. Naturgemäß begleiten den Mischkonzern Thyssenkrupp spätestens seitdem Aufspaltungsfantasien. „Die aktuelle Bewertung spiegelt nicht den fundamentalen Wert des Unternehmens wider“, stieß Jens Tischendorf, Deutschlandchef von Cevian und heute Mitglied des Thyssen-Aufsichtsrates, kräftig ins Aktivistenhorn. „Wir sehen noch erhebliches Potenzial.“

Geworden ist daraus bis heute nichts. Denn Cevian hatte die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Der sitzt in der Villa Hügel im feinen Essen-Bredeney. Und denkt bis heute nicht daran, sich den Neureichen aus Schweden anzuschließen. Zwar hat auch die Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung nicht mehr das Gewicht früherer Tage; doch mit 21 Prozent ist man nach wie vor größter Anteilseigner. Zerschlagungspläne sind der Stiftung eher fern.

Auf lange Sicht wird alles besser

Immerhin ist die Thyssenkrupp-Aktie seit dem Einstieg von Cevian um etwa 50 Prozent geklettert. Cevian selbst hat dazu beigetragen, indem sie immer mehr Aktien kauften (siehe Chart unten). Solange die Schweden drin bleiben, muss dies Anleger nicht stören.

Thyssenkrupp hat in etwa so viel zugelegt wie der Dax. Im Schnitt performen von Aktivisten attackierte Unternehmen sogar besser als die Masse der Aktien. Das zeigt etwa eine Studie des Finanzdienstes Bloomberg über 81 US-Unternehmen, die zwischen 2009 und 2014 massiv von Aktivisten angegriffen wurden. Vor Beginn der Börsenschlachten waren deren Aktien rund acht Prozentpunkte schlechter gelaufen als der US-Börsenindex S&P 500. Nach Einstieg der Aktivisten bis Ende 2013 legten die Papiere im Schnitt um 48 Prozent zu. US-Aktien generell waren in vergleichbaren Zeiträumen 17 Prozentpunkte schlechter.

Ein Team der Uni Harvard kam bei der Analyse von 2000 Kampagnen aus den Jahren 1994 bis 2007 zu ähnlichen Ergebnissen. Die Forscher untersuchten die Entwicklung des Unternehmenswerts. Fazit: „Nach den Interventionen der Investoren kommt es über fünf Jahre eher zu langfristigen Verbesserungen.“ Dass, wie bei Thyssenkrupp, der Kurs sofort steigt, wenn Aktivisten sich über eine Aktie hermachen, sei gerechtfertigt: „Das spiegelt die langfristigen Verbesserungen nach einer Intervention korrekt wider“, so die Forscher. Selbst wenn Aktivisten schon drei Jahre wieder raus sind, profitierten andere Aktionäre noch von Kursgewinnen und Dividenden.

Carl Icahn gegen Apple: Twitter-Kampagne

So wie etwa bei Apple. Als Carl Icahn, der legendäre US-Investor, nach einer Kampagne gegen Apple seine 53 Millionen Aktien verkaufte, strich er zwar 5,5 Milliarden Dollar ein. Doch Apple stieg weiter und schüttete Dividenden aus. Icahns Paket wäre heute 8,8 Milliarden Dollar wert. Der nunmehr 81-jährige Investor wird es verschmerzen. Aktuell wird sein Vermögen auf rund 17 Milliarden Dollar geschätzt.

Icahn schert sich nicht um sein Image, geht keinem Streit aus dem Weg. Seine Taktik: In unterbewertete Unternehmen investieren, das weithin publizieren und die attackierten Konzernchefs mit ätzender Kritik verunsichern. Er schreibt Brandbriefe – abwechselnd mit Lob, Drohungen und Schmähungen gespickt – und veröffentlicht sie auf seiner Webseite. Seit Kurzem verschärft er seine Attacken gern mit Tweets. Schließlich hat sich das gleich beim ersten Test mit Apple bewährt.

Carl Icahn, der legendäre US-Investor, teilt über Twitter mit, er habe eine Position in Apple aufgebaut. Apples Börsenwert steigt sofort – um 17 Milliarden Dollar. (Zum Vergrößern bitte anklicken)

August 2013: Apple-Chef Tim Cook willigt endlich in ein Telefongespräch mit Icahn ein. Der Firmenjäger lässt seinen ganzen Charme spielen, lobt den Apple-Chef überschwänglich für dessen grandiose Arbeit. Allerdings sei der Konzern „extrem“ unterbewertet. Das müsse man gemeinsam ändern, drängt Icahn, am besten über einen „großen Aktienrückkauf“. Den mag er. Denn wenn Unternehmen ihre eigenen Aktien kaufen, steigt der Kurs. Darüber könne man doch beim Dinner in seinem New Yorker Apartment diskutieren. Sprach Icahn – und verbreitet die Kunde über sein Telefonat mit Cook flugs über Twitter. Apples Börsenwert steigt sofort – um 17 Milliarden Dollar. Zwei Wochen später meldet Icahn, das „Dinner mit Tim“ sei gut gelaufen. Apple-Aktionären brachte das eine zusätzliche Milliarde Dollar Börsenwert. Die Atmosphäre sei aber „etwas gespannt“ gewesen. Besonders, nachdem Apple-Finanzvorstand Peter Oppenheimer meinte, dass er es für keine gute Idee halte, dem Aufsichtsrat einen noch größeren Aktienrückkauf vorzuschlagen. Icahn machte klar, dass dann eben der Aufsichtsrat verändert werde: „Aufsichtsräte sind nicht von Gott bestellt.“

Profite steigern, Manager austauschen: Aktivistische Investoren heizen deutschen Unternehmen ein

Fast zwei Milliarden reicher

Icahn verdiente an Apple 1,9 Milliarden Dollar. Ob er tatsächlich Aktienrückkauf und höhere Dividenden erreicht hat, ist umstritten. Apple hätte dies ohnehin getan, sagt US-Ökonomieprofessor William Lazonick. „Icahn hat nichts beigetragen, außer sich zu bereichern“, so der international bekannte Wettbewerbsexperte. Cook hätte sich in dieser Zeit lieber Apple-Produkten widmen sollen als einzelnen Aktionären, die nur Geld aus dem Unternehmen ziehen wollen. Icahns Empfehlungen an Apples Management seien lächerlich gewesen und ohne Fundament: „Das hätte ich meinen Studenten nie durchgehen lassen.“

Hedgefonds gegen Clariant: Aufgepumpt, abgestoßen

Auch wenn er kein Experte für Unternehmensstrategie ist: Für Aktivisten ist Icahn ein Idol. Wer ein paar Jahre für ihn gearbeitet hat, kann dann seinen eigenen Fonds aufmachen. Leute, die ihm Geld geben, findet er. Keith Meister hat das 2011 so gemacht. Sein Geschäft bei Icahn gelernt, dann den aktivistischen Hedgefonds Corvex Management gegründet. Großspekulant George Soros leistete damals 250 Millionen Dollar Anschubfinanzierung.

Im Juni 2017 zieht Meister gegen das Management des Schweizer Spezialchemikers Clariant zu Felde. Er verbündet sich mit dem US-Hedgefonds 40 North, einem Anlagevehikel des privaten Bauzulieferers Standard Industries, zur oppositionellen Aktionärsgruppe White Tale. Die baut ihre Beteiligung an Clariant systematisch aus, von anfangs 7,2 Prozent auf 24,99 Prozent. Hauptziel: Die geplante Fusion von Clariant mit dem texanischen Chemiekonzern Huntsman soll verhindert werden.

Die von Clariant-Chef Hariolf Kottmann mit Huntsman ausgehandelten Konditionen des Deals hätten die Clariant-Aktionäre übervorteilt, die Schweizer also unter Wert verkauft, argumentierte White Tale. Die Produktlinien von Clariant und Huntsman überschneiden sich zwar kaum. Dennoch stellte Kottmann Einsparungen von 400 Millionen Dollar pro Jahr in Aussicht, um den Anteilseignern den Deal schmackhaft zu machen. Der Zusammenschluss hätte zudem strategisch keinen Sinn ergeben und der eigentlichen Strategie widersprochen, als reiner Spezialchemiekonzern am Markt aufzutreten. Investor White Tale, der anschließend noch drei von zehn Sitzen im Verwaltungsrat einforderte und auf den Verkauf der umsatzstärksten Sparte Plastics & Coatings drängte, hatte den wunden Punkt getroffen – und nebenbei die Clariant-Aktie wachgeküsst aus ihrem Dornröschenschlaf.

Der aktivistische Investor White Tale hatte seine Position im Schweizer Spezialchemiekonzern Clariant im vergangenen Jahr aufgebaut und unter anderem die geplante Milliarden-Fusion mit dem US-Rivalen Huntsman vereitelt. (Zum Vergrößern bitte anklicken)

Die Saudis angelockt

Der währte schon lang. In der Spitze, Ende der Neunzigerjahre, hatte die Aktie einmal über 80 Franken gekostet. Nach der geplatzten Börsenblase zur Jahrtausendwende und der anschließenden Rezession stürzte der Kurs ab auf unter 20 Franken. Dort verharrte er fast 15 Jahre. Erst der Einstieg von White Tale schob die Aktie über diesen historischen Widerstand. Die Hedgefonds siegten. Im Oktober 2017 wurde die 20 Milliarden Dollar schwere Fusion abgeblasen.

Denkbar, dass die aktivistischen Aktionäre aus New York schon zum Zeitpunkt ihres Einstiegs ahnten, dass es weitere Interessenten für eine Übernahme von Clariant gab. Darauf deutet jetzt einiges hin. Denn White Tale gab seine Clariant-Aktien in der vergangenen Woche weiter, an die Saudi Basic Industries Corporation (Sabic). Über den Preis schweigen sich die Beteiligten aus. Sabic ist mit rund 32 Milliarden Dollar Umsatz weltweit das viertgrößte Chemieunternehmen und will das Geschäft mit Spezialchemikalien ausbauen. „Wir sehen große Chancen in der Spezialchemie“, sagt Sabic-Chef Yousef Al-Benyan, der mit Clariant bereits im Joint Venture Scientific Design zusammenarbeitet.

Kursverluste als Kaufchance

Auf den Ausstieg von White Tale reagierte die Clariant-Aktie mit deutlichen Abschlägen. Die Aussicht auf eine Komplettübernahme sei geschwunden, hieß es an der Börse. Der Rücksetzer dürfte sich in der Rückschau aber als gute Einstiegsgelegenheit erweisen. Denn eigentlich sei es jetzt noch wahrscheinlicher, dass es binnen zwei Jahren zu einer Übernahme oder Aufspaltung von Clariant kommt, sagt Markus Mayer, Branchenanalyst bei der Baader Bank. Sabic sei nicht dafür bekannt, sich mit Minderheitsanteilen zufriedenzugeben. Mayer geht davon aus, dass die Saudis zuerst das 14-Prozent-Paket, das die ehemaligen Eigentümerfamilien von Süd-Chemie an Clariant halten, kaufen. Die Schweizer hatten das deutsche Spezialchemieunternehmen 2011 übernommen.

Das Clariant-Management will in den nächsten Wochen gemeinsam mit Sabic „die neue Situation erörtern und mögliche Wege zur Wertgenerierung ausloten“. Das hören Aktionäre gern. Anleger sollten bei Clariant am Ball bleiben.

Cevian gegen Bilfinger: Wer zuletzt lacht

Nicht immer erwies sich das Engagement von Aktivisten für Aktionäre als so ertragreich wie das von White Tale bei Clariant. Ein Negativbeispiel ist der Umbau des Baukonzerns Bilfinger zum Industriedienstleister für die Chemie-, Pharma-, Gas- und Ölindustrie. Gewinnwarnungen reihenweise, Chefwechsel wie im Taubenschlag, immer neue Strategieprogramme für die Tonne, eine Umsatzhalbierung auf jetzt noch vier Milliarden Euro – und vor einem halben Jahr dann auch noch der Abstieg aus dem Mittelwerte-Aktienindex MDax in den SDax: Bilfinger hat unter Cevian-Regie einen fulminanten Abstieg erlebt.

Zunächst hatten es die Finanzinvestoren mit gewaltigen Beharrungskräften zu tun. Cevians Deutschland-Statthalter Jens Tischendorf, obwohl schon Großaktionär, durfte 2013 dem Aufsichtsrat nicht mal seine Analysen zu Bilfinger präsentieren. Aufsichtsratschef Bernhard Walter, berichtet ein Augenzeuge, habe das schlicht nicht gestattet. „Herr Tischendorf ging fehl, als er glaubte, man könne Bilfinger über betriebswirtschaftliche Kennzahlen optimieren, ohne das eigentliche Geschäft richtig zu verstehen“ – die Rückschau von Ex-Bilfinger-Vorstand Klaus Raps macht die Haltung des damaligen Managements ziemlich klar. Misere und Chaos lasten Exmanager auch Cevian an. Seit inzwischen vier Jahren muss Bilfinger zudem wegen früherer Korruptionsfälle unter Aufsicht des US-Justizministeriums sein Compliance-System reformieren.

Als Retter entsandte Cevian Eckhard Cordes. Der wurde Aufsichtsratsvorsitzender bei Bilfinger. Doch der frühere Daimler- und Haniel-Top-Manager vermasselte erst mal seine Hauptaufgabe, nämlich die Besetzung des Chefpostens. Als Nachfolger des bei dem Krisenkonzern überforderten Expolitikers Roland Koch inthronisierte Cordes den Norweger Per Utnegaard – und musste ihn nach nur zehn Monaten Amtszeit wieder vom Hof jagen.

Anleger, die dem schwedischen Investor Cevian folgten, büßten seit 2011 ein Drittel ihres Geldes ein. (Zum Vergrößern bitte anklicken)

Stabilisierung eingeleitet

Im zweiten Anlauf dann hat es offenbar geklappt. Seit Juni 2016 führt der frühere Linde-Vorstand Tom Blades Bilfinger. Der Brite musste zwar 2017 auch eine Gewinnwarnung herausgeben, hat aber den von drei auf eine Sparte reduzierten Industriedienstleister einigermaßen stabilisiert.

Mehr aber auch nicht. „Blades macht einen guten Job“, meint Lampe-Bank-Analyst Marc Gabriel. Aber Bilfinger, so Gabriel, „ist noch nicht aus dem Gröbsten raus“. Das BB+-Rating von Standard & Poor’s für die Bilfinger-Schulden ist nah am Junk-Status. Der Börsenkurs wird durch Aktienrückkäufe gestützt. Ansonsten ist er zuletzt parallel zu den Öl- und Gaspreisen gestiegen. Anleger hoffen darauf, dass Bilfinger als Dienstleister der Ölförderung und Petrochemie vom Anziehen des Geschäfts profitiert. Nach Umsatz- und Auftragsrückgängen 2017 wird nach Gabriels Einschätzung „aber auch 2018 für Bilfinger kein tolles Jahr“. Zwar habe Bilfinger Aufträge verlängert, aber mit schlechteren Margen als früher.

Mitten im Übernahmepoker um den hessischen Arzneimittelhersteller versilberte der Stada-Großaktionär AOC seine Anteile. (Zum Vergrößern bitte anklicken)

Anleger, die Cevian folgten, büßten seit 2011 ein Drittel ihres Geldes ein. Der Wert des knapp 30-prozentigen Cevian-Anteils an Bilfinger entspricht derzeit 500 Millionen Euro. Rund 740 Millionen Euro hat Cevian in mehreren Schritten in den Mannheimer Konzern investiert.

Ein Ausstieg ohne Happy End ist deshalb angeblich keine Option für Cevian-Gründer Förberg. So wie auch bei Thyssen. In Cevian-Kreisen heißt es: „Wir machen, was gemacht werden muss, bis Bilfinger ein starkes Unternehmen geworden ist.“ Das kann dauern. Erst 2020 will Tom Blades die Marge von Bilfinger wieder auf fünf Prozent Gewinn vom Umsatz getrimmt haben.

AOC gegen Stada: Showdown in "Harmonie"

Aktivismus, das zeigt der Fall Bilfinger, kann verdammt lange dauern. Dass es schneller gehen kann, beweist der Fall Stada.

Erster Akt: Die Kontrahenten treffen sich im Mai 2016 im zweiten Stock der Zentrale des Pharmaanbieters in Bad Vilbel. Auf der einen Seite Florian Schuhbauer und Klaus Röhrig von Active Ownership Capital (AOC), ihnen gegenüber der dreiköpfige Stada-Vorstand unter Hartmut Retzlaff. Viele Investoren stören sich an der Amtsführung und den Bezügen des langjährigen Vorstandschefs. An der Wand: Pop-Art-Porträts des Retzlaff-Bekannten Mike Kuhlmann. AOC drängt auf Veränderungen. Fünf Mitglieder des Aufsichtsrats, besetzt vorwiegend mit älteren Apothekern, die Retzlaff treu ergeben sind, sollen weg. Das ist der Auftakt zu einem monatelangen und zermürbenden Streit.

Zweiter Akt: Im Juni 2016 wird Retzlaff aus dem Amt gedrängt; mit fürstlicher Abfindung. Der Höhepunkt des Dramas läuft in einer der denkwürdigsten Hauptversammlungen, die es in Deutschland je gegeben hat. Im Saal Harmonie der Frankfurter Festhalle schafft es zwar nur einer der letztlich vier AOC-Kandidaten in den Aufsichtsrat. Dafür können die Aktivisten aber den bisherigen Aufsichtsratschef Martin Abend stürzen.

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Ein Eklat. Die eigentliche Revolution aber findet im Kleingedruckten statt. Unter Tagesordnungspunkt sieben wird vorgeschlagen, die Vinkulierung der Stada-Aktien aufzuheben. Das bedeutet, dass das Unternehmen in Zukunft Investoren nicht mehr vom Kauf der Aktien ausschließen kann. Der Schritt erfolgt ebenfalls auf Druck von AOC – und ebnet den Weg zur späteren Übernahme durch die Finanzinvestoren Bain und Cinven. Sie sorgt wesentlich dafür, dass sich das Engagement der Aktivisten auch für andere Aktionäre lohnt.

Als AOC im März 2016 meldete, mehr als fünf Prozent der Stada-Aktien zu kontrollieren, kostet eine Aktie knapp 34 Euro. Ein Jahr später bieten Bain und Cinven Aktionären knapp das Doppelte. AOC nutzt das und steigt im Sommer 2017 aus. Vorhang.

Mittlerweile steht die Aktie bei 90 Euro – fast verdreifacht. Peter Barth von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz sieht das Wirken der Aktivisten trotzdem kritisch. Zwar hätten sie die verkrusteten Strukturen bei Stada aufgebrochen und für den personellen Neuanfang gesorgt. Aber: „AOC hatte aus meiner Sicht nie ein strategisches Interesse am Unternehmen, sondern verfolgte nur finanzielle Ziele.“ Unternehmen solchen Investoren zu überlassen könne auch schiefgehen.

Schuhbauer widerspricht: „Wir sind geduldige Investoren, die operative Verbesserungen anstreben“, sagt er. So sei es auch bei Stada gewesen. Heute stehe das Unternehmen besser da als vor seinem Einstieg. „Durch die neuen Investoren hat Stada viel mehr Geld, um organisches Wachstum und Zukäufe zu finanzieren.“ An diesem Freitag, 2. Februar, schaut der Aktivist noch mal bei der Stada-Hauptversammlung vorbei. 20 Aktien hat er behalten, seine Eintrittskarte. Krach schlagen aber will er nicht mehr, nur still genießen. Der Job ist getan, für seine Investoren und die anderen Aktionäre.

Autoren: Georg Buschmann, Frank Doll, Angela Hennersdorf, Matthias Hohensee (Silicon Valley), Hauke Reimer, Jürgen Salz, Christof Schürmann, Harald Schumacher

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