„Wenn sich die Abwicklung des Derivatehandels gemäß EMIR etabliert hat, wird es eine immense Nachfrage nach Wertpapieren mit erstklassiger Bonität geben“, prognostiziert Bankerin Wahle von HSBC. „Dies sind vor allem Staatsanleihen sicherer Länder wie der Bundesrepublik oder Anleihen staatsnaher Emittenten wie der deutschen KfW.“
Der Bedarf ist enorm. Der Bruttowert der umlaufenden Derivate beträgt weltweit 640 Billionen Dollar, hat der Branchenverband ISDA im Dezember ermittelt. Zwar müssen nur einige wenige Promille dieser immensen Summen bei den Clearingstellen hinterlegt werden. Doch auch so kommen astronomische Beträge zusammen.
Die Schätzungen über die Summe der zur Deckung von Derivategeschäften künftig benötigten Margins reichen von „200 bis 800 Milliarden Dollar“ (Bank of England) bis hin zu fantastischen „15 bis 30 Billionen Dollar“, die ISDA nannte. Die Branchenlobby, die eine möglichst zahme Regulierung fordert, scheint hier aber gewaltig zu übertreiben – ein deutscher Experte spricht in dem Zusammenhang von „Panikmache“.
Der Wahrheit am nächsten kommt vermutlich Tabb. Die US-Finanzberatung, die auch hierzulande in Bankenkreisen hohes Ansehen genießt, prognostiziert, dass die Akteure auf den Derivatemärkten weltweit rund 2,6 Billionen Dollar brauchen, um handfeste Sicherheiten für ihre brisanten Geschäfte zu stellen. Die Summe entspricht in etwa der Bilanzsumme der Deutschen Bank.
Auch Basel III schlägt ins Kontor
Die Absicherung des Derivatehandels ist nur einer von mehreren regulatorischen Faktoren, die die Nachfrage nach als sicher eingestuften Staatspapieren treiben könnten. In mindestens gleichem Maße schlägt Basel III ins Kontor. Das Regelwerk soll einen zweiten Fall Northern Rock verhindern. Die britische Bank geriet im September 2008 in lebensgefährliche Turbulenzen, als Anleger binnen weniger Tage zwei Milliarden Pfund von Konten abzogen. Entsetzt beobachteten Fernsehzuschauer, wie besorgte Kunden in langen Schlangen vor den Filialen von Northern Rock anstanden. Ein solcher Bank-Run kann selbst die größten Geldhäuser in den Bankrott treiben, wenn sie nicht über genügend liquide Mittel verfügen.
Um eine Bankenpanik zu verhüten, die das gesamte Finanzsystem bedrohen könnte, schreibt Basel III vor, dass die flüssigen Mittel einer Bank jederzeit mindestens ebenso hoch sein müssen, wie die Nettoabflüsse an Liquidität, die schlimmstenfalls in den nächsten 30 Tagen zu erwarten sind. Die Geldinstitute sollen also einen Bank-Run überleben, der womöglich einen Monat lang anhält. Wie viele liquide Mittel die einzelnen Banken hierfür benötigen, wird mithilfe von Stresstests ermittelt. Konkrete Zahlen gibt es noch nicht. Fest steht nur: Es wird für die Banken teuer.