LinkedIn Das "Anti-Facebook"

Karriere-Netzwerker kontra Konsumenten-Hascher – während Facebook weiter gebeutelt wird, glänzt LinkedIn. Doch dessen Bewertung ist gigantisch, was Facebook einen Blick wert macht.

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Das LinkedIn-Logo Quelle: dapd

So schnell ändern sich die Zeiten. Während Anleger derzeit sauer auf Facebook-Gründer Mark Zuckerberg reagieren, sonnt sich Jeff Weiner, Chef des Karrierenetzwerks LinkedIn, in deren Gunst. Schon ist die Rede von LinkedIn als einem "Anti-Facebook".

Am Donnerstag fiel die Facebook-Aktie erstmals im Laufe des Tages unter die Marke von 20 Dollar. Was für den beißenden Spott sorgte, dass Facebook nun tatsächlich stark an 1999 erinnere – dem Boomjahr vor dem Platzen der Dot.com-Blase – nun halt eben durch 19.99 Dollar Aktienpreis.

LinkedIn hingegen, das lange im Schatten von Facebook stand, legte nach Börsenschluss kräftig zu und konnte wieder über die 100 Dollar Marke springen. Seit Jahresbeginn hat die Aktie über 50 Prozent zugelegt.

Zwar ist LinkedIn damit immer noch ein Stück vom Höchstkurs von 122 Dollar beim Börsengang im Mai 2011 entfernt. Doch das wirkt im Gegensatz zu Facebook, dessen Kurs sich in nur zehn Wochen mehr als halbierte, wie ein Erfolg.

Wachstumsrate immer noch stattlich

Die Aktien der jungen Internetfirmen

Den Unterschied machen vor allem drei Dinge aus: Die Wachstumsrate, das Geschäftsmodell und der Zweck hinter dem Service.

Während Facebook im zweiten Quartal im Vergleich zum Vorjahreszeitraum nur 28  Prozent an Umsatz zulegen konnte, schaffte LinkedIn 88 Prozent. Was auch daran liegt, dass der Quartalsumsatz des Karriere-Netzwerks mit 228 Millionen Dollar nur etwa ein Viertel von dem entspricht, was Facebook erzielt.

Dreistellige Zuwachsraten – wie die 101 Prozent vom ersten Quartal – sind das zwar nicht mehr. Doch für ein immerhin acht Jahre altes Unternehmen ist die Wachstumsrate nicht schlecht. Zwar fiel der Gewinn des Karriere-Netzwerks um 38 Prozent. Aber er war mit 2,8 Millionen Dollar immer noch im schwarzen Bereich, während Facebook wegen hoher Ausgaben durch den Börsengang mit 157 Millionen Dollar in die Miesen rutschte.

Vor allem aber stützt sich LinkedIn auf Geschäftsmodelle, die sich bewährt haben. Zwar nutzt die Mehrzahl der weltweit 174 Millionen LinkedIn-Mitglieder das Karriere-Netzwerk kostenlos. Doch immerhin 19 Prozent des Umsatzes rührt aus dem Verkauf von kostenpflichtigen Abos her. 28 Prozent wird durch klassische Werbung verdient. 53 Prozent durch Job-Anzeigen.

Und diese Geschäftsmodelle sind krisenfest. Denn der Wettbewerb um hochqualifizierte Arbeitnehmer – vor allem in den Hightech-Branchen – ist weiterhin stark. Mehr noch: "Je unsicherer die Zeiten aus makroökonomischer Sicht werden, umso mehr Leute entdecken den Nutzen von online Netzwerken", sagt LinkedIn-Chef Weiner.

Bewährte Geschäftsmodelle statt Pionierarbeit

Während Facebook vor allem ein Kommunikationsnetzwerk für Konsumenten ist, geht es bei LinkedIn ums Schmieden von Kontakten, die Karriere und damit das Geldverdienen. Dadurch ist ein Anreiz da, das eigene Profil zu pflegen und aktuell zu halten, was die Plattform wiederum für Werbekunden attraktiv macht.

Facebook hingegen muss eine Menge Pionierarbeit leisten, weil soziale Medienkampagnen immer noch Neuland sind und die eher konservativ eingestellten Marketingchefs der Großunternehmen erst noch von ihrem Nutzen überzeugt werden müssen. Diese Zurückhaltung macht die Werbeausgaben auf Facebook wiederum viel krisenanfälliger.

Zwar stehen sowohl Facebook als auch LinkedIn vor der Herausforderung, dass immer mehr Nutzer ihre Dienste über Mobilgeräte nutzen, was die Werbeeinnahmen aus Platz- und Akzeptanzgründen derzeit einschränkt. Doch LinkedIn ist wegen seiner Profi-Abos nicht ganz so stark wie Facebook auf Werbeeinnahmen angewiesen. Job-Anzeigen dürften zudem als nicht so störend wie Produktwerbung auf dem Handy empfunden werden.

Zwar könnte auch Zuckerberg Teile seines sozialen Netzwerks, etwa das Heraufladen von Fotos und Videos kostenpflichtig machen. Doch diese Option existiert nur in der Theorie. Sie würde ein Erdbeben der Empörung und eine Massenflucht aus Facebook hervorrufen. Ganz zu schweigen, von den Informationen, die das soziale Netzwerk dadurch verlieren würde.

Ist LinkedIn nun der neue Liebling, das "Anti-Facebook"? Sollten Anleger, denen der Appetit auf soziale Medienunternehmen noch nicht vergangen ist, lieber auf die Karriere-Netzwerker statt auf die Konsumenten-Hascher setzen?

LinkedIn ist richtig teuer

So einfach ist die Entscheidung nicht. Denn die LinkedIn-Aktie ist mit dem sagenhaften Kurs-Gewinn-Verhältnis von 640 nicht billig. Zum Vergleich: Facebook hat 69, Google sogar nur 18.

LinkedIn wird in diesem Jahr voraussichtlich zwischen 915 und 925 Millionen Dollar Umsatz erreichen, wird also etwa mit dem Zehnfachen des Jahresumsatzes bewertet. Facebooks Umsatz für 2012 wird auf 5 Milliarden Dollar geschätzt, etwa das 7,5fache der derzeitigen Börsenbewertung.

Dabei sind die Umsätze von Facebook und LinkedIn pro Nutzer fast identisch. Facebook schaffte im zweiten Quartal rund 1,17 Dollar pro Nutzer durch Werbeeinnahmen und Transaktionsgebühren, LinkedIn kam auf 1,31 Dollar.

Beide haben dort also noch eine Menge Luft. Allerdings hat LinkedIn weitaus mehr Anstrengung in das Monetarisieren seiner Nutzer gelegt als etwa Facebook, das dort noch ganz am Anfang steht. Andererseits ist fraglich, ob Facebook wegen der anhaltenden Diskussion um Datenschutz und Privatsphäre seiner Mitglieder die versprochenen maßgeschneiderten Anzeigen in Zukunft wirklich so gezielt liefern kann. LinkedIn hat dieses Problem bei seinen Job-Anzeigen weniger.

Für konservative Anleger taugen beide Aktien nicht. Doch falls Facebook in den nächsten Wochen weiter unter die 20 Dollar Marke rutscht, was wegen dem Auslaufen von Haltefristen für dessen Mitarbeiter durchaus geschehen kann, ist die gebeutelte Aktie einen neuen Blick wert.

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