Lotto24 "Für Online-Lotto sehen wir 16 Millionen potenzielle Kunden"

Die Aktie von Glücksspielvermittler Lotto24 zählt zu den Börsengewinnern 2016. Chefin Petra von Strombeck im Gespräch darüber, wieso das uralte, streng regulierte Lottospiel auch für Anleger attraktiv sein soll.

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Mehr Glücksspiel in der Grauzone
Glücksspielland Deutschland: Es mangelt nicht an neuen Angeboten und spektakulären Gewinnversprechen. Im Internet sind Glücksspiel- und Wettangebote auf dem Vormarsch, neben dem klassischen Lotto gibt es den länderübergreifenden Eurojackpot. Dennoch versuchen sich nach den offiziellen Zahlen immer weniger Deutsche an Glücksspielen. Allerdings: Junge Männer sind anfälliger für illegale Wetten. Quelle: dpa Quelle: dpa
Die staatlichen Lotto-Gesellschaften und einige Länder sehen sich daher bestätigt und wollen an der bisherigen Glücksspielregulierung festhalten – trotz Fehlschlägen. Durch die Hängepartie bei Sportwett-Lizenzen aber boomen der unregulierte und der „schwarze“ Markt. Viele Spieler zocken bei obskuren Anbietern in rechtlichen Grauzonen – aber offen. Quelle: dpa
Es geht um einen weltweit wachsenden Markt - und um viel Geld. Neben klassischen Casino-Spielen gibt es Spielautomaten, Lotterien und Wetten. 2012 wurden in Deutschland nach früheren Angaben der Beratungsfirma Goldmedia rund 10,7 Milliarden Euro an Brutto-Spielertrag erwirtschaftet. Im sogenannten regulierten Glücksspielmarkt entfällt auf Spielautomaten der weitaus größte Marktanteil. Mitte 2015 gab es nach Angaben der Branche etwa 316.000 Spielautomaten, davon 269.000 Geld-Spiel-Geräte. Laut der Automatenindustrie VDAI nutzen schätzungsweise fünf Millionen Menschen pro Jahr diese Geldspielgeräte. Quelle: dpa
In der Tat. Er will einerseits Spielsucht eindämmen und illegale Anbieter vom Markt drängen, gleichzeitig aber mehr Umsätze erwirtschaften, Steuern einnehmen und sich gegenüber Privaten behaupten. Der Staat ist Akteur und zugleich Aufsichtsbehörde. Quelle: dapd
2012 konnten die Länder das seit Jahren umstrittene staatliche Lottomonopol noch einmal retten. Dieses Monopol wird damit begründet, dass nur so Verbraucher-, Daten- und Jugendschutz gesichert werden könnten. Doch mit dem damals neu ausgehandelten Glücksspielstaatsvertrag musste der lukrative Markt für Private geöffnet werden. Für sieben Jahre sollten eigentlich 20 Konzessionen an Sportwetten-Anbieter vergeben werden. Quelle: AP,AP
Das Verfahren gilt als gescheitert. In vielen Fällen wird daher in einer rechtlichen Grauzone gezockt. Der Schwarzmarkt boomt, ehrliche Anbieter müssten in die Röhre schauen, und Internetspieler hätten keine Möglichkeit, ein Angebot auf Seriosität zu prüfen, meinen Kritiker. Obwohl derzeit kein privates Unternehmen reguliert ist und über eine Konzession nach dem aktuellen Glücksspielstaatsvertrag verfügt, agieren private Sportwetten-Anbieter sichtbar in der Öffentlichkeit und zahlen auch reichlich Steuern an den Fiskus. Quelle: dpa
Das zeigen zumindest die aktuellen Zahlen des staatlichen Lotto- und Totoblocks und der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Trotz millionenschwerer Jackpots verlieren Lotto und andere Glücksspiele ihren Reiz. 37,7 Prozent der Befragten im Alter zwischen 16 und 70 Jahren gaben an, im zurückliegenden Jahr an einem Glücksspiel teilgenommen zu haben. Im Jahr 2007 lag der Anteil der gelegentlich oder gewohnheitsmäßig Spielenden noch bei 55 Prozent. Quelle: dpa

Das Börsenjahr lief in Deutschland bisher trotz rekordniedriger Zinsen mäßig. Im Frühjahr lasteten diffuse Konjunkturängste auf den Kursen und im Sommer brachte die EU-Austritts-Entscheidung der Briten zwar effektiv keine herben Kursverluste, aber jede Menge Schwankungen über Anleger. Seit Jahresbeginn liegt der Dax knapp drei Prozent im Minus, der kleine Bruder MDax magere zweieinhalb im Plus. Ausreißer nach oben sind die Ausnahme; nur eine von sechs Aktien auf dem deutschen Kurszettel mit wenigstens 50 Millionen Euro Börsenwert gewann seit dem 1. Januar mehr als zwanzig Prozent.

Eine davon ist die Lotto24 AG. Die Hamburger vermitteln online Lottospieler an die staatlichen Lotteriegesellschaften und kassieren dafür Provisionen.

Das Prinzip funktioniert so: Der Spieler gibt seinen Tippschein bei Lotto24 ab und zahlt seinen Einsatz. Lotto24 zwackt eine Gebühr ab und leitet den Einsatz weiter an eine der 16 staatlichen Lotteriegesellschaften. Die richten die Lotterie aus und zahlen dem Spieler im Erfolgsfall auch seinen Gewinn aus. Eine Million Kunden spielen nach Unternehmensangaben inzwischen über die Website von Lotto24. Den jüngsten größeren Gewinn strich im Juli ein 54-Jähriger aus Baden-Württemberg ein. Er gewann knapp eine Million Euro.

Petra von Strombeck, 47, ist seit 2012 Vorstandsvorsitzende der Lotto24 AG. Zuvor war sie im Vorstand der Lotto24-Mutter Tipp24 (heute „Zeal Networks“) für Vertrieb, Marketing und Markenführung zuständig. Von Strombeck hat in Paris, Oxford und Berlin Betriebswirtschaftslehre studiert. Quelle: Presse

Auch für Anleger war Lotto24 zuletzt ein Glücksfall, seit Anfang 2015 hat sich der Kurs verdoppelt und markierte Ende Juli ein vorläufiges Allzeithoch in der vierjährigen Börsengeschichte. Doch operativ läuft längst noch nicht alles so glatt wie an der Börse. Im vergangenen Jahr machte das Unternehmen wegen hoher Marketingkosten nahezu so viel Verlust wie Umsatz. In den vergangenen drei Jahren mussten sich die Hamburger daher dreimal über die Ausgabe von neuen Aktien Geld beschaffen.

Auch in diesem Jahr werden unter dem Strich wohl erneut Verluste stehen. Nochmal die Investoren anzapfen will Chefin Petra von Strombeck deshalb aber nicht, wie sie im Interview mit unserer Redaktion verrät. Außerdem erzählt sie, wie sie der Konkurrenz aus dem Ausland begegnen will und wieso Online-Lotto trotz strikter staatlicher Regulierung für Anleger ein interessanter Markt sein soll.

Online-Käufer von Sportwetten und Lottospielen

WirtschaftsWoche: Frau von Strombeck, Ihr Unternehmen vermittelt online Tippscheine für ein gut 60 Jahre altes Spiel, das sich seit Jahrzehnten nicht verändert. Der Lotto-Markt wächst kaum und ist stark reguliert. Nicht unbedingt ein attraktives Umfeld für Anleger. Warum soll ich trotzdem bei Lotto24 investieren?
Petra von Strombeck: Der Lotto-Markt ist sieben Milliarden Euro groß. Er stagniert zwar, das ist richtig. Aber der Online-Anteil am großen Kuchen wächst rasant, denn bis 2012 war das Online-Lottospiel hierzulande komplett verboten. Dank dieser Aufholjagd sind wir in Deutschland inzwischen mit weitem Abstand Marktführer.

Mikroskopische Probleme und viele Möglichkeiten

Als Lotto-Vermittler ist Lotto24 von staatlichen Genehmigungen abhängig. Ihre aktuelle Genehmigung für die Vermittlung von Glücksspielen läuft bis zum kommenden Jahr. Wie können sich Investoren sicher sein, dass Sie wieder eine erhalten?
Wir sind mit den Behörden in gutem Kontakt, halten uns an alle Regeln und gehen daher fest davon aus, dass wir wieder eine Genehmigung erhalten werden. Ab Ende des Jahres werden wir uns intensiv um eine Verlängerung der aktuellen bemühen und dann am Ball bleiben bis 2017.

Zwischen 2009 und 2012 war das Vermitteln von Online-Glücksspiel in Deutschland komplett verboten. Was, wenn so ein Verbot wiederkommt?
Die Wahrscheinlichkeit, dass es wieder ein Komplett-Verbot gibt wie damals, ist mikroskopisch gering. Dem ganzen Markt wurde die Geschäftsgrundlage entzogen, Unternehmen und Arbeitsplätze sind ins Ausland abgewandert, der Lottomarkt ist um ein bis zwei Milliarden Euro geschrumpft. Das ist ja Geld, das zum großen Teil in öffentlichen Kassen fehlte. Insofern hat der Gesetzgeber keinen Anreiz, den Fehler von damals zu wiederholen. Damit würde er sich letztendlich nur selbst schaden.

Die höchsten Lottogewinne aller Zeiten
Der bislang unbekannte Spieler aus Tschechien knackte mit seinen sieben richtigen Zahlen den bisherigen Rekordgewinn im Eurojackpot von 61,2 Millionen Euro aus dem Jahr 2014. Von dem Geld könnte der Gewinner etwa 75.000 Mal um die Welt oder zusammen mit vier Freunden ins All fliegen. Quelle: dpa
491 Millionen:Der mit 656 Millionen Dollar – nach damaligem Kurs rund eine halbe Milliarde Euro – bisher größte Jackpot der Lotto-Geschichte wird Ende März 2012 in den USA geknackt. Die Rekordsumme der Lotterie Mega Millions mussten sich drei Spieler aus den US-Bundesstaaten Kansas, Maryland und Illinois teilen. 18 Ziehungen in Folge hatte es niemand geschafft, den Jackpot zu knacken. Daraufhin war in den USA ein wahres Lottofieber ausgebrochen, mit langen Schlangen an Tankstellen und Zeitungsständen. Quelle: AP
454 Millionen:Im Mai 2013 räumt eine 84-Jährige aus Florida bei der US-Powerball-Lotterie mehr als 590 Millionen Dollar ab. Da man die volle Gewinnsumme in den USA aber nur erhält, wenn sie über mehrere Jahre ausbezahlt wird, entschied sich die hochbetagte Gewinnerin für eine Einmalzahlung von "nur" 370.000 Dollar. Quelle: REUTERS
190 Millionen:Der bislang höchste Einzelgewinn in Europa geht im August 2012 an das Ehepaar Adrian und Gillian Bayfort aus England. Sie hatten in der Mehrländerlotterie EuroMillions gewonnen. Wegen des schwachen Wechselkurses wurden damals allerdings "nur" 148,6 Pfund ausgezahlt. Quelle: dpa
185 Millionen:Ein Jahr zuvor hatte das schottische Ehepaar Chris und Colin Weir 185 Millionen Euro gewonnen, damals rund 161.000 Pfund. Daher gilt der Gewinn des Weir-Ehepaars in Großbritannien als höchster Gewinn. Den Glückspilzen bescherte der Geldregen damals einen Platz unter den 30 reichsten Schotten.
58,7 Millionen:Die richtige Zahlenkombination macht im Dezember 2014 einen Handwerker aus Hessen beim Eurojackpot um knapp 60 Millionen Euro reicher. Der Mittezwanziger gewann mit seinen persönlichen Glückszahlen: 11, 25, 32, 42 und 47 sowie die beiden Zusatzzahlen 4 und 9. Es ist der bisher höchste Lottogewinn, der jemals in Deutschland ausgeschüttet wurde. Quelle: dpa

Sie vermitteln online Lottoscheine, aber auf das Endprodukt – nämlich die Lotterie - haben Sie keinen Einfluss. Das liegt in den Händen der staatlichen Lotteriegesellschaft. Ein Nachteil?
Man kann den Spieß auch herumdrehen: Wir verkaufen ein Produkt, das jeder kennt, was ja auch ein Riesenvorteil ist. Vom Wettbewerb abheben können wir uns übrigens auch – etwa  durch eine hohe Nutzerfreundlichkeit, einen schnellen und freundlichen Kundenservice oder abwechslungsreiche Spiel-Varianten. Bei uns können Sie zum Beispiel ganz einfach in Gruppen spielen und so Ihre Gewinnchancen erhöhen.

Auch Webseiten im Ausland bieten Spiele auf die deutsche Lottoziehung an und können Sie bei den Preisen unterbieten. Wie begegnen Sie dieser Konkurrenz?
Die Scheingebühren sind bei allen Anbietern ähnlich hoch. Wir orientieren uns am Durchschnitt der Scheingebühren der 16 deutschen Landeslotteriegesellschaften. Ob sie über ausländische Anbieter spielen oder über uns macht also für den Spieler keinen erheblichen Preisunterschied. Aber sie haben bei ausländischen Anbietern, sogenannten Zweitlotterien, keine Gewinnsicherheit. Dort wird ja nur so getan, als spielten die Spieler in der deutschen Lotterie, obgleich sie tatsächlich nur auf deren Ausgang wetten. In Wahrheit haften die Wettanbieter selbst für die Ausschüttung und nicht die deutsche Lotteriegesellschaft. Dieses Risiko haben Spieler bei uns nicht, weil wir nur Spiele der Lotteriegesellschaft vermitteln.

Nummer eins sein und bleiben

Aktuell haben Sie mehr als eine Million registrierte Kunden. Wie groß ist der adressierbare Markt für Sie?
Wir gehen davon aus, dass jeder zweite erwachsene Deutsche wenigstens einmal im Jahr Lotto spielt. Das sind ungefähr 33 Millionen Menschen. Andere Branchen wie Musikstreaming oder auch Bankdienstleistungen  zeigen, dass langfristig etwa die Hälfte des Geschäfts online abgewickelt wird. Auch beim Lotto ist das möglich, das zeigt etwa das Beispiel Finnland. Für uns bedeutet das also 16,5 Millionen potenzielle Kunden.

Sind für Sie auch andere Geschäftsbereiche als Lotto denkbar? Im Februar hat der EuGH private Sportwetten in Deutschland für legal erklärt.
Wir beleuchten jedes Segment einzeln, auch Sportwetten. Aber dieser Markt ist mit riesigen Anbietern besetzt, die Margen sind wegen des hohen Wettbewerbsdrucks klein. Außerdem schauen wir auch darauf, wo sich Synergien mit unserem bestehenden Lottogeschäft ergeben. Bei Sportwetten gibt es geringe Synergien, zumal wir die Produkte nicht auf der gleichen Website anbieten dürften wie unsere Lottoprodukte. Dass wir uns dort engagieren, ist deshalb auf absehbare Zeit eher unwahrscheinlich.

Lotto am Mittwoch: Wie häufig die Deutschen auf das Glücksspiel setzen

Apropos absehbare Zeit: Im Oktober 2015 sagten Sie, in absehbarer Zeit profitabel sein zu wollen. Wie sieht es da aus?
Wir könnten schon jetzt profitabel sein, wenn wir die Marketingkosten drastisch senken würden. Aktuell wollen wir uns aber im wachsenden Online-Lotteriemarkt auch auf unser Wachstum konzentrieren. Schließlich ist es wie in allen eCommerce-Märkten sehr wichtig, die Nummer eins zu sein und zu bleiben.

Aktuell verbrennt Lotto24 Geld, 2015 stand bei 13,5 Millionen Euro Umsatz 10,8 Millionen Nettoverlust.  In den vergangenen drei Jahren haben Sie jeweils neue Aktien ausgegeben, um sich frisches Kapital zu beschaffen. Müssen Aktionäre mit weiteren Kapitalerhöhungen rechnen?
Grundsätzlich wollen wir ohne weitere Kapitalmaßnahme auskommen. Aber: Komplett ausschließen will ich das auch nicht. Stellen Sie sich vor, es gäbe bald eine Rekord-Jackpot-Serie, mit der Möglichkeit, sehr viele günstige neue Kunden zu gewinnen. Wenn große Jackpots ausgespielt werden, steigt das Interesse an Lotto. In einer solchen Situation möchte ich auch finanziell dazu in der Lage sein, die Opportunität zu nutzen, das Marketing auszubauen und möglichst viele Spieler von uns zu überzeugen. Insofern bleiben wir flexibel.

Angenommen, Sie erhöhen noch einmal das Kapital. Sind dann Privatanleger wieder außen vor wie bei den letzten Malen?
Bei den vergangenen Kapitalerhöhungen war es für uns vorteilhaft, die Aktien bestehenden Großinvestoren anzubieten. Wir haben so einen Aufschlag auf den letzten Aktienkurs bekommen und uns den Aufwand für einen Wertpapierprospekt gespart. Aber nochmal: Aktuell haben wir keine Kapitalerhöhung geplant.

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