Märkte Manipulationen sollen Börsencrash ausgelöst haben

Haben Händler das „Angstbarometer“ der Wall Street manipuliert? Ein Whistleblower fordert die Aufsichtsbehörden auf, den Fall zu untersuchen.

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New York Ein Insider aus der Finanzbranche führt den Börsen-Crash der vergangenen Woche auf zweifelhafte Machenschaften zurück. Die Turbulenzen an den Finanzmärkten seien auf Manipulationen eines an den Börsen vielbeachteten „Angstbarometers“ zurückzuführen, heißt es in einem Schreiben des US-Anwalts Jason Zuckerman an die US-Börsenaufsicht SEC und die Derivateaufsicht CFTC.

Zuckerman und sein Partner Matthew Stock vertreten einen Whistleblower, der auf Manipulationen des sogenannten Volatilitätsindex „Vix“ hinweist und Aufklärung fordert. Der Vix beschreibt das Ausmaß der Kursschwankungen an den US-Börsen und gilt als Angstbarometer an der Wall Street. Zwar wird der Vix selbst nicht gehandelt, jedoch gibt es regen Handel in Futures und Optionen auf ihn.

Der Whistleblower, der anonym bleiben will, soll den Anwälten zufolge hochrangige Posten in einigen der größten Investmentfirmen der Welt inne gehabt haben. Er arbeite seit mehr als 20 Jahren in der Finanzbranche.

Aufgrund eines Konstruktionsfehlers sei es Händlern mithilfe ausgefeilter Algorithmen möglich, den Vix-Index auf und ab zu bewegen, ohne tatsächliche Transaktionen abzuschließen, heißt es in dem Brief. Durch diese Marktmanipulationen seien Kleinanleger und institutionelle Investoren um Milliardenbeträge geprellt worden, schreiben die Anwälte. Zudem seien sie mit systemischen Risiken für die gesamten Finanzmärkte verbunden. Die Behörden müssten Konsequenzen ziehen, bevor die Manipulationen neben der Finanzstabilität auch die Wirtschaft gefährden.

Der Fall weckt Erinnerungen an den Manipulationsskandal rund um den Referenzzinssatz Libor, der 2011 aufgedeckt wurde und für eine Reihe von Banken zu hohen Strafen geführt hat.

Die Chicagoer Börse CBOE, die den Vix-Index berechnet, hat nach Informationen von Reuters die Aufsichtsbehörde Finra darum gebeten, die Manipulationsvorwürfe zu untersuchen. Die Vorwürfe des Whistleblowers wies sie zurück. Zuckermans Brief sei voll von ungenauen Aussagen, Missverständnissen sowie sachlichen Fehlern und somit nicht glaubwürdig, hieß es in einer Stellungnahme. Branchenschätzungen zufolge macht die Börse gut 20 Prozent ihrer Umsätze mit Produkten, die sich von dem Index ableiten.

Ob die Aufsichtsbehörden reagieren oder bereits reagiert haben, ist unklar. „Solche Untersuchungen werden nicht öffentlich gemacht“, erklärt der Whistleblower-Anwalt. Sein Mandant hatte die Behörden bereits in der Vergangenheit auf die möglichen Manipulationen hingewiesen. Dass der Brief nun veröffentlicht wurde, ist ein Indiz dafür, dass noch nicht viel passiert ist.

Warum die Whistleblower-Programme wichtig sind

Dem „Wall Street Journal“ zufolge habe die Finra eine Untersuchung gestartet. Die Behörde wurde von der Wertpapierbranche selbst ins Leben gerufen und arbeitet eng mit der SEC zusammen. Die Finra wollte den Artikel am Dienstag nicht bestätigen.

Der Hinweisgeber wird von den Whistleblower-Programmen der Börsenaufsicht SEC und der Derivateaufsicht CFTC geschützt. Sie bieten Anonymität. Sollten die von den Whistleblowern angestoßenen Fälle am Ende zu Strafen führen, dann haben sie Anrecht auf einen Anteil von zehn bis 30 Prozent des Wertes der verhängten Strafzahlung. Beide Programme wurden im Zuge der Finanzmarktreform nach der Finanzkrise eingeführt.

Seit 2011 hat die SEC allein Belohnungen von über einer Milliarde Dollar vergeben. „Die Programme sind wichtig”, sagt Matthew Stock im Gespräch mit dem Handelsblatt. „Hinweisgeber riskieren oft ihre Karriere und ihre berufliche Zukunft.“ Viele Arbeitgeber würden versuchen, sich an den Whistleblowern zu rächen, obwohl das eigentlich gesetzlich verboten ist. „Schauen Sie sich nur Wells Fargo an. Es gab mehrere Mitarbeiter, die auf den Skandal um Scheinkonten hingewiesen haben und daraufhin gekündigt wurden.“

Vergangene Woche waren die Kurse am US-Aktienmarkt rasant in die Tiefe gerauscht und hatten Anleger auch an anderen Börsen – etwa in Frankfurt - verunsichert. Häufig genannte Gründe für den Crash sind vorherige Übertreibungen im Zuge einer monatelangen Rekordjagd sowie die Erwartung steigender Zinsen.

Viele Experten verweisen aber auch darauf, dass Spekulanten mithilfe sogenannter „Exchange Traded Products“ (ETPs) auf die Entwicklung des Vix-Index' gewettet und dadurch den starken Kursrutsch verursacht hätten – ein Vorwurf, der neue Schärfe bekäme, sollte der Vix-Index obendrein manipuliert worden sein.

Mit Material von dpa

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