Marktanalyse Warum Unternehmen sich vor Börsengängen drücken

Facebook floppte vergangenes Jahr beim Börsengang. Die Stimmung für Börsengänge war miserabel. Doch LEG hat das Eis gebrochen. Trotzdem scheuen Unternehmen den Börsengang. Analysten warnen vor Überraschungen.

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Apps mit den Namen Facebook und Aktien. Das Netzwerk floppte beim Börsengang. Quelle: dapd

Frankfurt Eigentlich müsste jetzt alles ganz schnell gehen. Der erste Börsengang dieses Jahres - der der LEG Immobilien AG - hat geklappt. Die Börsen in Deutschland notieren nahe ihren Höchstständen, die Schwankungen der vergangenen Jahre sind verschwunden - höchste Zeit, um ebenfalls den Sprung an den Aktienmarkt zu wagen. Denn das Klima kann schnell umschlagen.

Aber Experten rechnen jetzt nicht mit einer Welle von Börsengängen. Denn die heißesten Anwärter können nicht oder sie wollen noch nicht. „Es fällt mir schwer einzuschätzen, wer der nächste Börsenkandidat aus Deutschland sein könnte. Die meisten Anwärter peilen eher das zweite Halbjahr an“, sagt ein Banker, der sich seit Jahren mit großen Emissionen beschäftigt und nicht genannt werden will.

Bis die Börsenkandidaten so weit sind, kann allerdings viel passieren: Schon schwappen wieder Ängste vor einem Aufflammen der Euro-Krise an die Frankfurter Börse. Mitte Februar wird in Italien gewählt, und im März drohen am Haushaltsstreit in den USA - der „Fiskalklippe“ - einmal mehr viele Börsenträume zu zerschellen. Doch vorher an die Börse zu gehen, ist fast ein Ding der Unmöglichkeit. Denn die Geschäftszahlen für 2012 sind längst nicht fertig - darauf basiert der Börsenprospekt. „Von den Zahlen her ist es schwer, vor Ostern zu kommen“, sagt ein Börsengangs-Berater.

LEG hatte kurzerhand die Neun-Monats-Zwischenbilanz dafür verwendet und war Anfang Januar mit dem Initial Public Offering (IPO) vorgeprescht - aber diesen Schachzug erlauben die Profi- Investoren den Emittenten nur dann, wenn die Zahlen stabil sind - wie bei einem Immobilienunternehmen. Daher sei LEG Immobilien als Lackmustest nicht geeignet, sagen Experten.

„Den klassischen Eisbrecher gibt es nicht mehr, in dessen Fahrwasser andere und kleinere Unternehmen leicht an die Börse gespült werden können“, sagt Joachim von der Goltz von der Schweizer Investmentbank UBS. „Die Investoren prüfen heute jedes Unternehmen einzeln auf Herz und Nieren.“


2013 ist das Enttäuschungspotenzial groß

Thomas Schweppe, der LEG für die Investmentbank Goldman Sachs an die Börse begleitet hat, sieht das auch so. Dazu kommt der Kalender-Effekt. „Die Vorbereitungen laufen bei vielen Unternehmen - aber die Fenster werden immer kleiner“, sagt er. Knapp vier Wochen dauert es von der offiziellen Ankündigung des Börsengangs bis zur Erstnotiz, schneller geht es nicht in Deutschland. Ende März ist Ostern, so früh wie seit Jahrzehnten nicht. Und über die Feiertage um Investoren zu werben, will man vermeiden - denn diese sind dann im Urlaub. Das bedeutet: Vor April geht praktisch nichts.

„Letztes Jahr um diese Zeit waren Börsengänge im Volumen von rund zehn Milliarden Euro avisiert - und dann kam im ersten Halbjahr gar nichts“, erzählt Alexander Höptner, der bei der Deutschen Börse für Neuemissionen verantwortlich ist. „Jetzt sieht es ähnlich gut aus, und ich bin zuversichtlich, dass wir das Niveau von 2012 übertreffen.“

Bis zum Ende vorigen Jahres kamen dank O2 noch 2,4 Milliarden Emissionsvolumen zusammen. Doch auch 2013 ist das Enttäuschungspotenzial groß. Zum Beispiel Springer Science + Business Media : „Ein tolles Unternehmen“, schwärmt ein Banker über den deutsch-niederländischen Wissenschaftsverlag. Für das Jahr 2012 stehen Rekordzahlen ins Haus - doch die Eigentümer EQT und GIC zögern mit dem Börsengang. Die Investoren wollten wissen, wie sich das Geschäft 2014 entwickle, heißt es in Finanzkreisen. Insgeheim hoffen die beiden Finanzinvestoren, dass ihnen ein strategischer Interessent wie Bertelsmann das bis zu vier Milliarden Euro teure Unternehmen im Ganzen abkauft.

Auch die Eigentümer des Badarmaturen-Herstellers Grohe, der seit Jahren als Börsenkandidat gehandelt wird, wollen sich noch nicht trennen und hoffen auf steigende Preise. Und die Deutsche Annington, der nächste Wohnimmobilienkonzern, braucht vor dem Börsengang erst noch einen neuen Vorstandschef.


Siemens verschenkt Aktien

Oder Kion : Die ehemalige Linde-Gabelstapler-Sparte hat gerade erst den aufwendigen Einstieg der chinesischen Weichai Power unter Dach und Fach gebracht. Nun heißt es erstmal Durchatmen bei Goldman Sachs. Der Co-Eigentümer soll als Investmentbank auch den Börsengang begleiten. Die Chinesen wollen vor dem Börsengang noch auf 33 von 25 Prozent aufstocken. Vor Ostern werde sich nichts mehr tun, sagen mehrere Insider, vermutlich werde es Mai oder Juni, bis der IPO losgetreten wird. Kion wird mit rund zwei Milliarden Euro bewertet.

Auch der Energiedienstleister Ista wurde lange als Kandidat für die Börse gehandelt - doch davon sind die Finanzinvestoren Charterhouse und CVC längst abgerückt. Für Private-Equity-Firmen wie sie ist ein IPO nur zweite Wahl - die Unwägbarkeiten sind zu groß. Finanzkreisen zufolge versuchen Deutsche Bank und Goldman Sachs als Verkaufsberater nun ein zwei Milliarden Euro schweres Kreditpaket zu schnüren, das einem Finanzinvestor die auf bis zu drei Milliarden Euro veranschlagte Übernahme erleichtern könnte.

So könnte es im Frühjahr bei einem Börsengang bleiben, der gar kein echter ist. Denn die Aktien von Osram bekommen Siemens-Aktionäre geschenkt. „Das kann recht schnell gehen“, sagt ein involvierter Banker. Eigentlich muss Siemens nur die vierwöchige Klagefrist gegen den Beschluss der Hauptversammlung von Ende Januar abwarten, für realistischer hält der Experte eine Erstnotiz im April oder Mai. Doch auch hier haben Banker Arbeit: Denn viele Siemens-Investoren - etwa Fonds, die nur einen Index abbilden - können mit Osram-Aktien nichts anfangen. Damit der Kurs nicht zur Erstnotiz abschmiert, versuchen Banker die unerwünschten Aktien - voraussichtlich summieren sie sich auf einen Milliardenbetrag - vorher in neue Hände zu geben.

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