Matthias Schweighöfer Die geilste Aktie

Matthias Schweighöfer will nicht nur seinen neuen Film verkaufen - sondern auch Aktien seiner Produktionsfirma. Dafür tingelt er durch deutsche Kinos. Besuch in einer Traumfabrik.

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Schauspieler und Hauptdarsteller des Films

Zugegeben, die ganz große Bühne bietet der Kinosaal neun im Düsseldorfer UCI Kino Matthias Schweighöfer an diesem Nachmittag nicht. Handgezählte 15 Privatanleger verlieren sich im Kinosaal, der sonst hunderten Besuchern Platz bietet. Auf den Star selbst müssen sie noch warten, vorne steht nicht Schweighöfer, sondern Dan Maag. Der fungiert als Filmproduzent und ist gleichzeitig Vorstandschef der Filmfirma Pantaleon Entertainment, die den aktuellen Schweighöfer-Film „Der geilste Tag“ produziert hat. Seit einem Jahr ist die Firma börsennotiert, jetzt soll sie Privataktionären schmackhaft gemacht werden.

Gründer und Hauptaktionäre sind Schweighöfer, Maag und Marco Beckmann, die zusammen immer noch etwa 80 Prozent der Aktien halten. Beckmann ist Kleinanlegern allerdings in schlechter Erinnerung. Die Aktie der von ihm mit dem umstrittenen Verleger Bernd Förtsch gegründeten Beteiligungsfirma Nanostart kostete einst 40 Euro, heute sind es noch etwa zwei. Zehn Jahre war der Gründer Beckmann dort Chef, ehe er 2014 plötzlich aus dem Unternehmen ausschied. Beckmann mischte außerdem bei ItN Nanovation mit, einer Nanotechnologie-Firma, die Wasserfilter herstellt. 2007 ging das Unternehmen an die Börse, Beckmann saß damals im Aufsichtsrat. Doch auch mit der ItN-Aktie ging es nach dem Börsengang rapide bergab: Der Kurs sank von 26 auf weniger als einen Euro, Beckmann gab seinen Aufsichtsratsposten 2014 ab. Jetzt ist er zurück – mit Kinofilmen statt Nanotechnologie. An diesem Nachmittag sitzt er im Düsseldorfer Kinosaal links in der ersten Reihe und lauscht dem Vortrag seines Kompagnons Dan Maag.

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Der wirft keinen Kinostreifen, sondern eine Powerpoint-Präsentation auf die Leinwand und erklärt das bahnbrechende Geschäftsmodell: Bei der Produktion von Filmen übernehme Pantaleon nur drei Prozent des Budgets, streiche aber dennoch zwei Drittel der Verwertungsrechte am Film ein. Klingt wie eine Lizenz zum Gelddrucken. Wie das geht? Maag erklärt, dass Pantaleon Vertriebsrechte vorher an große Filmstudios verkaufe und so einen Großteil des Budgets stemme. Den Rest steuere die staatliche Filmförderung zu: Sie gebe Kredite, die nur im Erfolgsfall zurückgezahlt werden müssten. Maag sagt: „Als Steuerzahler kann man darüber streiten, aber als Unternehmer finde ich es ganz großartig.“

Ganz großartig werde auch das nächste Projekt von Pantaleon. Die Firma will einen eigenen Streamingdienst auf die Beine stellen: Pantaflix. Die Idee ist, im Ausland lebenden Inländern Filme aus der Heimat zugänglich zu machen. Maag denkt etwa an die türkische Minderheit in Deutschland. Jeder zweite davon würde im Internet nach türkischen Filmen suchen, so Maag. Pantaflix möchte türkischen Produzenten die Möglichkeit geben, auch die Türken in Deutschland und anderswo zu erreichen. 15 Millionen Euro will Maag für die internationale Expansion in die Hand nehmen. Wann der Dienst und das Unternehmen insgesamt aber auch Geld verdienen wird, verrät Maag nicht. Nur so viel: „Der Breakeven kann gewaltig sein.“

Ansonsten spricht der Produzent viel über Filme: „Einen Blockbuster nach dem anderen“ haue seine Firma raus, tolle neue Projekte steckten schon in der Pipeline. Dazu zählt Maag etwa die Verfilmung des Lebens von Papst Benedikt. Auch die Rechte an der Biografie von Boris Becker habe sich das Unternehmen schon gesichert. Für die Besucher des Kinosaals hat Maag auch noch eine Exklusiv-Info: Statt wie veröffentlicht über 15 Millionen Euro habe Panatleon im abgelaufenen Jahr sogar „über 18 Millionen Euro“ eingenommen. Nur so unter uns.

Die erfolgreichsten Filme aller Zeiten

Nicht so gerne spricht Maag über andere Zahlen. Denn trotz der in Deutschland fraglos recht erfolgreichen Schweighöfer-Filme aus dem Haus Pantaleon wie „Vaterfreuden“, „What a man“ oder „Schlussmacher“ lässt der wirtschaftliche Erfolg des Unternehmens auf sich warten. Knapp 400.000 Euro Verlust machte das Unternehmen 2014, allein im ersten Halbjahr 2015 war es eine knappe Million. Fürs Gesamtjahr 2015 rechnen Analysten von Hauck und Aufhäuser wieder mit 400.000 Euro Verlust, in diesem Jahr sollen demnach sogar 8,5 Millionen Euro Miese anfallen. Auch die Bilanz ist nicht besonders vertrauenerweckend: Pantaleon wies im letzten Geschäftsbericht zum 30. Juni 2015 negatives Eigenkapital aus. Das bedeutet, dass das Unternehmen mehr Schulden als Vermögen hat. Für Maag ist das offenbar Nebensache. Er behauptet bei seiner Präsentation, das Unternehmen sei „schuldenfrei“.

Darauf angesprochen kommt er gehörig ins Schwimmen und erklärt kurzerhand das Bargeld in der Bilanz zu Eigenkapital. Zum Verständnis: Das Bargeld ist Teil des Unternehmensvermögens. Das Eigenkapital gibt Auskunft darüber, wie viel des Vermögens tatsächlich dem Unternehmen und nicht den Kreditgebern zugerechnet werden kann. Maag, immerhin Vorstandsvorsitzender einer Aktiengesellschaft, scheint dieser Unterschied nicht klar zu sein.

Wie in der letzten Kinoreihe

Beckmann, der bei Pantaleon als Aufsichtsratsvorsitzender fungiert, muss einspringen. Er dreht sich in seinem Kinosessel und wendet sich ans Publikum: Geld, das Pantaleon von der Filmförderung bekommen habe, müsste als Verbindlichkeit ausgewiesen werden. Daher sei das Eigenkapital zum 30. Juni negativ gewesen. Dieses Geld müsse Pantaleon aber gar nicht zurückzahlen. Und die Sache mit den liquiden Mitteln sei ohnehin „sehr verwirrend“. Aha.

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Im November hat das Unternehmen sechs Millionen Euro durch eine Kapitalerhöhung eingenommen. Bei institutionellen Investoren habe die Firma 100.000 Aktien zu 60 Euro platziert. Wer da genau gekauft hat, bleibt im Dunkeln. „Groß und namhaft“ sollen die Investoren aber sein, sagt Beckmann aus der ersten Reihe. Seither pendelt der Kurs um diese Marke.

Maag plaudert auf Nachfrage noch aus, dass die Gründer – also Schweighöfer, Beckmann und Maag – schon zehn Prozent ihrer Aktien verkauft haben, bevor der Börsenhandel begann. „Familie und Freunde“ hätten gekauft, erzählt Maag. „Leute, die man sieht, wenn man die Bunte durchblättert.“ Wahrscheinlich haben die drei ihre Anfangsinvestition von einer Million Euro (ein Euro je Aktie) damit schon wieder raus und können jetzt mit ihren Freunden entspannt zuschauen, wie sich ihr Investment an der Börse vervielfacht.

Gerüchte, dass die Gründer selbst Aktien verkaufen, wären dabei nur hinderlich. „Wir sind nicht an die Börse gegangen, um Anteile zu verkaufen“, sagt Maag. Allerdings kann der Filmproduzent auch nicht schlüssig erklären, wieso sie diesen Schritt sonst gemacht haben. Geld für das operative Geschäft hätte Pantaleon jedenfalls auch nicht gebraucht und eine weitere Kapitalerhöhung soll es erstmal nicht geben. „Wir sind grundsätzlich gut kapitalisiert.“ Dass das Unternehmen also erst einmal keine neuen Aktien verkaufen will, um die globale Expansion von Pantaflix zu finanzieren, erscheint angesichts der schwachen Kapitalausstattung sehr merkwürdig.

Was den Verdacht nahelegt, dass der Börsengang vielleicht doch eher dem Zweck dient, dass die Altaktionäre ihre für einen Euro gekauften Anteile mit ordentlichem Aufschlag versilbern und die Kurse mit den Verkaufsdementis in die Höhe treiben wollen. Warum sonst sollte das Trio Privatanlegern in Kinosälen erzählen, wie geil ihre Aktie ist, wenn es sie sowieso nicht verkaufen will? Einen scheinen sie mit ihrer Präsentation auch zu überzeugen: Ein mittelalter Herr mit rheinischem Akzent jubiliert, der Papstfilm werde sicher ein toller Erfolg. „Es gibt schließlich zwei Milliarden Christen auf der Welt.“ Na dann: Amen.

Ach ja, Schweighöfer kommt auch noch: Mit schwarzem Rollkragen-Pulli kreuzt der Star im Kinosaal auf und drückt ein „Herzlich willkommen im wunderschönen Köln“ ins Mikro. Bei den größtenteils älteren Männern im Düsseldorfer Kinosaal zündet der Gag allerdings kaum. Schweighöfer stellt denn auch kleinlaut fest, dass er hier ohnehin eher störe. Drüben im anderen Kinosaal dürfte er auf mehr Begeisterung treffen. „Ich geh dann mal rüber, die Mädels werfen schon Schlüpfer.“ Von Anlegern kann Schweighöfer solche Liebesbekundungen nicht erwarten. Sie sollten die Entwicklung bei seiner Produktionsfirma lieber aus ganz großer Entfernung betrachten. Wie in der letzten Kinoreihe.

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