Max Otte „Wie die DDR im Endstadium“

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Die Grenzen der Notenbankpolitik

In den USA steigen bereits die Zinsen, in Europa pumpt die EZB immer mehr Geld in die Märkte. Kann das gut gehen?

Wir haben das große Problem, dass die Notenbankpolitik an ihre Grenzen stößt. Das System der manipulierten Märkte zeigt immer mehr Ermüdungserscheinungen und Sollbruchstellen. Nach 20 Jahren expansiver und zehn Jahren hyperexpansiver Geldpolitik merken wir, dass es nicht mehr so weitergeht.

Was befürchten Sie?

Nun soll in einer global konzertierten Initiative auf einmal das Bargeld möglichst weitgehend aus dem Geschäftsverkehr gedrängt werden. John Cryan, der Chef der Deutschen Bank sprach auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos im Januar dieses Jahres davon, dass Bargeld "fürchterlich teuer und ineffizient sei und in zehn Jahren wohl verschwunden sein würde". Schäuble fordert eine Bezahlobergrenze. Die Bank of America verbietet es ihren Kunden per AGB, Bargeld in den Safes der Bank aufzubewahren. Draghi schafft den 500-€-Schein ab. Indien lässt gleich über 80 Prozent des Banknotenumlaufs einziehen und zwangsregistrieren - mit katastrophalen Begleiterscheinungen. In Skandinavien sollen keine Münzen mehr geprägt werden. In Australien wird die ganze Citibank bargeldfrei. 

Was Investoren für die lukrativste Geldanlage halten

Welchem Zweck soll das alles dienen, wenn nicht Kosten zu senken? 

Das Ganze hat vor allem das Ziel, Negativzinsen besser durchsetzen zu können sowie die insolventen Staaten und das marode Bankensystem besser sanieren zu können. Nebenbei setzt man auch noch den Überwachungsstaat durch und eröffnet den E-Commerce-Unternehmen riesige Datenmengen, weil die Bürger nur noch elektronisch bezahlen. Bargeld wäre die Rote Karte, welche die Bürger dieser Politik zeigen könnten. Also muss man die rote Karte aus dem Verkehr ziehen. Das ist wie die DDR im Endstadium. 

Sie haben sogar eine Streitschrift unter dem Titel „Rettet unser Bargeld“ bei Ullstein veröffentlicht. Wie ist die Resonanz darauf?

Ich habe mit der Streitschrift auch eine Online-Petition unter ‚rettet-unser-bargeld.de‘ gestartet. An der haben sich namhafte Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens und mehr als 11.000 Bürgerinnen und Bürger beteiligt. Die Heftigkeit des – Zitat Bundesbankvorstand Carl Ludwig Thiele - "Kriegs gegen das Bargeld" erschreckt offenbar nicht nur mich. 

Die Top 10-Werte im MDax

Rechnen Sie mit dem Scheitern der Europäischen Union?

Wir haben eine EZB, die die Zinsen nicht erhöht und seit dem Sommer sogar Unternehmensanleihen kauft. Das ist direkter sozialistischer Staatsinterventionismus. Während meines Studiums in Köln in den achtziger Jahren hätten meine Professoren es sicher nicht für möglich gehalten, dass wir die Regeln so stark beugen. Was wir jetzt haben, hätten sie schlicht Planwirtschaft genannt. Selbst wenn Italien nach der Ablehnung der Verfassungsreform große Probleme bekommen hätte, wäre der Wille und die Kapazität der EZB und der europäischen politischen Kaste immer noch stark genug, das Land noch einmal zu "retten" bzw. zu stabilisieren. Selbst wenn die Wirtschaft mehr als zehnmal so groß wie die Griechenlands ist. Aber die Folgeschäden dieser seit Jahren betriebenen fehlerhaften Politik sind nicht absehbar. 

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