Mittelstandsanleihen Wie Mittelständler in hochriskante Anleihen getrieben werden

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Irgendwer bringt das Unternehmen schon an die Börse

Gefährliche Mittelstands-Anleihen an der Börse
Mehrere Pakete des alkoholischen Getränks Underberg liegen auf einem Haufen Quelle: Creative Commons-Lizenz
Hemden des Herstellers Seidensticker Quelle: PR
Produkte des Nahrungsmittelherstellers Zamek Quelle: PR
Schalkes-Fans feuern den FC Schalke 04 an Quelle: dpa
Katjes Yoghurt Gums Quelle: dpa/dpaweb

Auch die vom Unternehmer Wilfried Mocken gelenkten Safthersteller Valensina und Kräuterschnapsbrenner Underberg lassen sich von Conpair beraten und haben ihre Anleihen von Close Brothers Seydler platzieren lassen. „Wir sind eines Tages von Conpair auf deren Beratungsdienstleistung angesprochen worden“, sagt Mocken heute. Erst durch das Beratungshaus Conpair sei er schließlich an Close Brothers gekommen. Heute ist Mocken aber enger mit dem Berater verbandelt: Er sitzt im Aufsichtsrat von Conpair und hält eine kleine Beteiligung an der Essener Aktiengesellschaft.

Da kam noch eins und bat um ein Hemdlein und das fromme Mädchen dachte: Es ist dunkle Nacht, da sieht dich niemand, du kannst wohl dein Hemd weggeben, und zog das Hemd ab und gab es auch noch hin.

Angesichts der lukrativen Gebührenmaschinerie drängt sich der Verdacht auf, dass sich immer jemand findet, der nicht so genau hinschaut, welchem Unternehmen er da eigentlich zu frischem Kapital verhilft. Insider berichten immer wieder, dass sie Unternehmen abgelehnt hätten – und ein anderer diese dann doch an die Börse begleitet habe.

Prüfen, ob sich ein Mittelständler eine Anleihe leisten kann, muss niemand: Laut Börse Stuttgart muss ein Bondm-Coach zwar „die Kapitalmarkteignung und -fähigkeit des Unternehmens“ beurteilen und sich auch ein Bild vom Geschäftsmodell des Unternehmens machen, aber: „Mit welchen Methoden dies beurteilt wird, ist ausschließlich Entscheidung der Coaches.“

Die Bonität muss niemand prüfen

Conpair-Chef Nelles beteuert, man prüfe auch, ob das Unternehmen Zinsen zahlen und Schulden bedienen kann: „Wir gehen mit dem Kunden nur in eine Transaktion, wenn wir geprüft haben, ob der Kunde seinen Kapitaldienst auch leisten kann“, sagt Nelles. Conpair habe Kunden bereits gebremst und die Höhe der gewünschten Anleiheschulden im Vorfeld reduziert. Er schaue freiwillig auf die Zahlen, so Nelles, da bei einer Pleite die eigene Reputation auf dem Spiel stünde.

Und auch Close Brothers beteuert: „Natürlich treffen auch wir vorab Einschätzungen über die Bonität des Emittenten.“ Vorgeschrieben aber ist eine solche Prüfung nicht. „Die Bonität von mittelständischen Unternehmen muss vor der Emission einer Mittelstandsanleihe niemand prüfen“, sagt Uto Baader, Chef der Baader Bank. Sein Haus hat kaum Emissionen aus dem Mittelstand begleitet. „Oft braucht man nicht mal einen Taschenrechner, um zu sehen, dass ein Unternehmen schon seine Zinsen nicht bedienen könnte“, sagt der Banker aus München.

Andere Berater und die Börsen weisen die Verantwortung für die Qualität der Börsenkandidaten von sich. FMS, der Berater mit den fünf Pleitefällen, kontrolliert zum Beispiel, ob das Unternehmen in der Lage wäre, die von der Börse auferlegten Pflichten zu erfüllen, also etwa Finanzberichte pünktlich zu veröffentlichen: „Wir beraten Unternehmen beim Aufbau von Strukturen, damit sie in der Lage sind, die erforderlichen Transparenzstandards einhalten zu können“, sagt Schilling-Schön. Ansonsten seien doch auch noch die Wirtschaftsprüfer da. „Wir müssen uns hinsichtlich der historischen Zahlenwerke auf den Wirtschaftsprüfer verlassen“, sagt Schilling-Schön.

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