Mobilfunkanbieter O2-Börsengang trifft auf viel Skepsis

Telefónica bringt seine Deutschland-Tochter an die Börse. Anleger werden mit einer hohen Dividende geködert. Doch der Gang auf das Parkett wirft auch etliche Fragen auf.

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Rene Schuster, Geschäftsführer der Telefonica Deutschland GmbH & Co. OHG - Noch im Oktober soll die deutsche Tochter O2 an die Börse gehen Quelle: dapd

René Schuster kann seine Herkunft kaum verleugnen. Deutsch spricht der in New York geborene 50-jährige Manager mit starkem amerikanischen Akzent. Viele Jahre hat Schuster in den USA verbracht und in leitenden Positionen bei den Computerherstellern Compaq und Hewlett-Packard den ersten Dotcom-Boom im Silicon Valley und den Aufstieg von Web-Giganten wie Google erlebt. Sein perfektes Englisch kann Schuster derzeit gut gebrauchen. Als Deutschland-Chef des Telekomriesen Telefónica tourt er gerade auf Roadshow durch die Finanzmetropolen von London bis Paris, um Fondsmanagern die Aktie von Telefónica Deutschland schmackhaft zu machen – besser bekannt unter der Marke O2. Bis zu 23,2 Prozent von O2 will Telefónica an Investoren verkaufen und dadurch bis zu 1,68 Milliarden Euro einnehmen.

Das wird keine leichte Aufgabe. Zwar hat die spanische Mutter ihre Preisvorstellungen gegenüber den ursprünglich avisierten bis zu zwei Milliarden Euro etwas gesenkt. Dennoch billigen die Analysten der den Börsengang betreuenden Banken dem kleinsten der vier deutschen Mobilfunkanbieter noch immer eine deutlich höhere Bewertung zu als den Konkurrenten in der Vergleichsgruppe, darunter die Deutsche Telekom, Vodafone und KPN, die Mutter der deutschen Nummer drei, E-Plus. Kommen am 30. Oktober alle rund 259 Millionen O2-Aktien wie geplant bei Investoren unter, läge der Anteil der Mutter Telefónica an O2-Deutschland noch immer bei fast 77 Prozent, der Börsenwert bei bis zu 7,3 Milliarden Euro.

Der Börsengang im Check

"Es handelt sich um einen klaren Notverkauf"

Der Rabatt auf die ursprünglichen Preisvorstellungen allein dürfte nicht ausreichen, um die Skeptiker unter den Investoren zu überzeugen. Diese stufen den Börsengang von O2 als „klaren Notverkauf“ ein, wie ein Teilnehmer der Roadshow sagt. Der O2-Mutterkonzern muss mit dem Börsengang des Deutschland-Geschäfts seine akute Geldnot lindern.

Mit netto 56,3 Milliarden Euro (per Ende 2011) sind die Spanier noch stärker als andere Telekomkonzerne in Europa verschuldet. Der Börsengang der Tochter soll helfen, eine drohende Abstufung der Kreditwürdigkeit auf Ramschniveau zu verhindern, mit der die Ratingagenturen vergangene Woche drohten. Aus demselben Grund verkaufte Telefónica Anfang Oktober bereits seine Callcenter-Tochter Atento für 1,04 Milliarden Euro an den Investor Bain Capital. Auch Atento galt bis Ende 2011 als Kandidat für einen Börsengang. Damals aber gab dies die von der Euro-Krise gebeutelte Madrider Börse nicht her.

Ironie der Geschichte: 2006 war O2 schon einmal verkauft worden, weil die damalige Muttergesellschaft dringend Geld brauchte. British Telecom verkaufte das europaweit tätige Unternehmen, das zu den Marktführern in Großbritannien gehört, für die gigantische Summe von 26 Milliarden Euro an Telefónica.

Ein solcher Preis wäre heute kaum mehr zu erzielen: Telekomwerte zählen an der Börse zu den Ladenhütern. Die Probleme im Festnetz (Kunden- und Margenerosion) sind bekannt, auch im Mobilfunk wachsen die Bäume nicht mehr in den Himmel. Die Erlöse der Mobilfunkanbieter in Deutschland sind zwischen 2005 und 2011 laut Branchenverband VATM von 28 Milliarden Euro auf 24 Milliarden Euro gesunken. Der Markt gilt als gesättigt, der Preiswettbewerb ist entsprechend hart.

Skepsis bei den Investoren

Endlich Licht - Der Milliardenbörsengang von =2 ist der mit Abstand schwerste 2012 Quelle: Reuters

Er sehe nicht, sagt ein Investor, dem die O2-Aktie präsentiert wurde, „wieso ich mich in dieser zwiespältigen Branche noch stärker positionieren soll. Ich habe sie mit dem Marktführer Vodafone schon hinreichend in meinen Depots drin.“ Solch Skepsis von Investorenseite verwundert nicht: Die Kurse der drei größeren Konkurrenten Deutsche Telekom, Vodafone und KPN dümpeln seit Jahren auf niedrigem Niveau vor sich hin. Besserung ist nicht in Sicht, zumal nicht einmal mehr die einst üppigen Dividendenrenditen als sicher gelten dürften. In den vergangenen Monaten strichen zahlreiche Branchenvertreter diese entweder massiv zusammen oder ganz, darunter Telefónica selbst, KPN und die Telekom Austria.

Im operativen Geschäft gibt O2 Deutschland kein so schlechtes Bild ab. Im Mobilfunk konnte es in den vergangenen Quartalen zulegen und den beiden Marktführern Vodafone und T-Mobile Marktanteile abnehmen. Beim Service-Umsatz, der wichtigsten Kennziffer im Mobilfunkgeschäft, verzeichnete O2 im ersten Halbjahr ein Plus von 9,5 Prozent – den stärksten Zuwachs aller deutschen Mobilfunker.

Allerdings kaufte O2 dieses Plus verstärkt durch Billigangebote. Der Durchschnittsumsatz pro Kunde, kurz Arpu, ist mit 13,90 Euro der niedrigste in Deutschland. Das liegt zum Teil daran, dass sich O2 noch immer schwertut mit der Akquise von Groß- und Firmenkunden, die bereit sind, für bessere Qualität mehr zu bezahlen. Teilweise hapert es auch noch an der Bandbreite, die viele Smartphone-Kunden benötigen. Konkurrent Deutsche Telekom warb wegen der Empfangsprobleme einiger O2-Kunden zeitweise mit dem Spruch „O2 can’t do“ (O2-Slogan: „O2 can do“.)

Starke Verluste im Festnetz

Die Erfolge im Mobilfunkgeschäft werden zudem teilweise von starken Kundenverlusten im Festnetzgeschäft aufgezehrt. Die Kundenbasis bei DSL-Anschlüssen, zum Großteil entstanden nach der teuren Übernahme der Telecom-Italia-Tochter Hansenet (Alice), bröckelt kontinuierlich ab. Seit Jahresbeginn kündigten 100 000 DSL-Kunden. Viele wechseln zu den aggressiv auftretenden TV-Kabelnetzbetreibern, die mit Spitzengeschwindigkeiten von 100 Megabit pro Sekunde mehr als doppelt so schnelle Internet-Anschlüsse bieten und diese mit günstigen Einstiegspreisen von 19,90 Euro pro Monat in den Markt drücken. O2 hat dem mit Übertragungsraten von maximal 36 Megabit pro Sekunde wenig entgegenzusetzen. Außerdem stehen den Mobilfunkkonzernen neue Milliardeninvestments in den neuen superschnellen Datenfunk LTE ins Haus. Das dafür nötige Geld hat Telefónica nicht; es soll der Börsengang der Deutschland-Tochter zumindest teilweise einspielen.

Schon vor dem Börsengang hat die Mutter ihre Tochter kräftig gemolken: Am 13. September 2012 flossen 4,3 Milliarden Euro Dividende von Telefónica Deutschland an die Mutter, wie aus dem Prospekt hervorgeht. Telefónica Deutschland musste dafür einen Kredit über 1,25 Milliarden Euro aufnehmen. Eine mit dem Börsengang vertraute Person findet die Feststellung, Telefónica habe noch kurz vor dem Börsengang Geld aus der deutschen Tochter geholt und dieser Schulden aufgezwängt, zwar „de jure nicht falsch, aber plakativ. Das Geld lag auf einem deutschen Konto, gehörte aber dem Konzern, wurde nach Madrid überwiesen – eine ganz normale interne Umschichtung“. Dass die Überweisung so kurz vor dem Börsengang stattfand, sei allerdings „vom Timing her unelegant“.

Das Geld geht an Telefonica

Aus diesen Börsengängen ist nichts geworden
Die im Mai oder Juni erwartete Wiederaufnahme von Börsengängen in China dürfte sich einem Zeitungsbericht zufolge noch bis Juli verzögern. Die Behörden machten sich Sorgen über den Zustand der Wirtschaft und würden deshalb erst im dritten Quartal wieder IPOs zulassen, hieß es in dem amtlichen "China Securities Journal". Die Börsenaufsicht hatte die Genehmigung von Börsengängen im Oktober eingestellt, um das Angebot zu drosseln, den Aktienmarkt zu stabilisieren und die Qualität der IPOs zu verbessern. Viele Branchenkenner hatten erwartet, dass die Behörde im Mai oder Juni eine Wiederaufnahme ankündigen wird. Im vergangenen Jahr bot sich an den westlichen Märkten ein ganz ähnliches Bild - wenn auch nicht ausschließlich krisenbedingt. Quelle: dpa
Das Logo der Rheinmetall AG Quelle: dpa
Die Zentrale des Versicherungskonzerns Talanx Quelle: dpa/dpaweb
Luxury clocks and watches are displayed inside a Graff Diamonds store at Peninsula Hotel in Hong Kong Quelle: REUTERS
Spanish Formula One driver Fernando Alonso of Ferrari steers his car Quelle: dpa
workers fixing a huge advertising banner of German company Evonik Quelle: REUTERS
Energiesparlampen werden am 26.08.2009 bei Osram in Augsburg (Schwaben) in Verkaufsverpackungen abgepackt. Quelle: dpa

So etwas sehen potenzielle Investoren nicht gerne. Das gilt auch für die Tatsache, dass der gesamte Erlös des Börsenganges an die spanische Mutter fließen soll, für O2 aus dem Börsengang also nichts übrig bleiben wird. Schuster betont, die anstehenden LTE-Kosten seien „geringer als die in 2010 für die G3-Netze“ und könnten aus dem Cash-Flow gestemmt werden.

Doch auch vom relativ üppigen Cash-Flow wird Schuster nach wie vor das meiste nach Madrid überweisen: Telefónica hübscht ihre Tochter zur Börsenhochzeit mit einer Dividende von 500 Millionen Euro für 2012 (gezahlt wird im Mai 2013) auf; eine Rendite am unteren Ende der Preisspanne von fast neun Prozent – fällig bereits in nur sieben Monaten. Vier Fünftel davon wird die spanische Mutter selbst einstreichen, die Großaktionärin bleibt.

Hohe Abschreibungen

Beim Blick auf den mit 71 Millionen Euro dürftigen Nettogewinn (2011), der auch in den kommenden Jahren kaum groß zunehmen dürfte, erscheint die üppige Ausschüttung als waghalsiges Manöver, um Anleger in die Aktie zu locken. Allerdings leidet der Nettogewinn bei fast allen Telekomfirmen unter hohen Abschreibungen, die aus überteuerten Übernahmen und zum Teil noch immer aus der Versteigerung der UMTS-Lizenzen Anfang der 2000er-Jahre stammen – O2 Deutschland allein schrieb 2011 mehr als eine Milliarde Euro ab. So erklären sich auch die Kurs-Gewinn-Verhältnisse, die so hoch sind wie zu besten Zeiten der High-Tech-Blase.

Analysten verweisen lieber auf die in der Branche gebräuchlichere Kennzahl Gewinn vor Zinsen, Steuern, Amortisierungen und Abschreibungen (Ebitda). Allerdings fällt diese Kennziffer bei O2 mit 28,2 Prozent vom Umsatz nicht so toll aus: 2012 wird O2 rund 5,3 Milliarden Euro umsetzen und 1,3 Milliarden Ebitda erwirtschaften. In den kommenden Jahren ist kaum Umsatz- und bestenfalls mäßiges Gewinnwachstum zu erwarten. Marktführer Vodafone kommt auf eine Ebitda-Marge von gut 40 Prozent. Den für die Dividende maßgeblichen freien Cash-Flow hindern die Abschreibungen nicht. Er lag 2011 bei 690 Millionen Euro – O2 kann sich die Dividende demnach leisten.

Wegen der immensen Abschreibungen aus den vergangenen Jahren schiebt O2 Deutschland zudem steuerliche Verlustvorträge von exakt elf Milliarden Euro vor sich her. Weil diese nach deutschem Recht nicht verfallen, wird O2 bis 2016 kaum Steuern bezahlen und auch danach wohl nur wenige. Immerhin.

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