Musterdepots Grünes Licht für Aktienkäufe

Diese Woche brachte vielen Aktienanlegern Gewinne. Der Dax nimmt wieder Kurs auf die Marke von 10.000 Punkten. Wie die Strategen der Handelsblatt-Musterdepots jetzt reagieren.

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Daniel Hupfer

Das mit Spannung erwartete Urteil des Bundesverfassungsgerichtes hat im Sinne der EZB entschieden und legitimiert das Anleiheaufkaufprogramm unter Auflagen. Eine gegenteilige Entscheidung hätte nach unseren Erwartungen für deutliche Unruhe an den Märkten gesorgt.

Somit wird aber ein weiterer Unsicherheitsfaktor von den Kapitalmärkten genommen. Die deutschen Aktien konnten die Erholung weiter fortsetzen und mit Kursen über der Marke von 10.000 Dax-Punkten kann die im Juni entstandene Kursdelle nahezu wieder aufgeholt werden.

Das Portfolio entwickelt sich unauffällig. Nur die neuerworbenen Aktien von Statoil tendieren gegen den Trend leicht negativ. Hier belastet eine Verkaufsempfehlung der Deutschen Bank. Die Analysten erwarten eine schwächere Entwicklung nachdem die Aktie den Sektor um rund 15 Prozent outperformed hat. Dagegen entwickelt sich die Otto-Anleihe positiv. Innerhalb einer Woche konnte die Anleihe mehr als 1% gewinnen. In Zeiten niedriger Anleihezinsen ist ein derartiger Kursgewinn beachtlich.

Mit dem Rückgang der Wahrscheinlichkeit eines Brexits reagieren die Devisenmärkte mit einer schwächeren Entwicklung des US-Dollars gegenüber dem Euro. Dies wirkt sich unmittelbar auf unser Portfolio aus, da momentan etwa 20 Prozent in US-Dollar investiert sind. Wir sehen aber für diese Woche keinen Handlungsbedarf, da wir im Falle eines Brexits eine deutliche Dollar-Aufwertung sehen.


Rendite mit Rohstofftiteln

In unserem heutigen Kommentar werfen wir einen Blick auf die Bewertung des Aktienkernportfolios, welches aktuell 15 Einzeltitel aus dem breiten europäischen Stoxx Europe 600 Index beinhaltet. Die gewichtete durchschnittliche Dividendenrendite unseres Portfolios liegt bei etwa 4,3 Prozent, das gewichtete Kurs-Buch-Verhältnis bei 1,2 und das gewichtete Kurs-Cash Flow-Verhältnis bei rund sieben.

Alle drei Ratios deuten auf eine merklich günstigere Bewertung des Kernaktienportfolios im Vergleich zum Durchschnitt des Anlageuniversums hin. Zu den am meisten unterbewerteten Titeln gehören laut unseres Modells der portugiesische Versorger Energias de Portugal, die Öl- und Gas-Konzerne OMV aus Österreich und ENI aus Italien sowie einer der weltweit größten Minenbetreiber Anglo American.

Die Tatsache, dass viele Rohstoffunternehmen günstig bewertet sind, ist nicht überraschend. Es ist allerdings nicht einfach, bei einer miserablen Stimmung, die monate- und sogar jahrelang bei den Rohstoffaktien herrschte, die Titel zu halten oder antizyklisch zu investieren.

Unser Durchhaltevermögen wurde nun mit einer Erholungsrally der Rohstoffaktien während der letzten Monate belohnt. Unser Portfolio beinhaltet aber auch günstige Investments aus nicht zyklischen Branchen, wie zum Beispiel Konsumgüter mit Kesko und Kingfisher oder Versicherer mit Baloise.

Unser Ziel ist, durch eine sorgfältige Selektion von unterbewerteten Unternehmen mit vernünftigen Geschäftsmodellen eine langfristige Überrendite zum breiten Aktienindex zu erzielen.


Draghis Notfallpläne

Die Europäische Zentralbank ist für die Zeit nach dem Brexit-Votum in Großbritannien gerüstet. Das erklärte jedenfalls Notenbankchef Mario Draghi am Dienstag vor dem Wirtschafts- und Währungsausschuss des Europaparlaments. Unabhängig vom Ausgang des Volkentscheids über den Verbleib Großbritanniens in der Europäischen Union halte die EZB Notfallpläne vor, so Draghi. An den Aktienmärkten nahm man dies offensichtlich allen Ernstes zum Anlass, um Dax & Co nach der Vortageserholung noch etwas weiter nach oben zu treiben.

Dabei handelt es sich bei dieser „Neuigkeit“ um eine Nicht-Nachricht: Was hätte der oberste Währungshüter der Eurozone denn sonst unmittelbar vor dem am Donnerstag stattfindenden Referendum sagen sollen? Etwa dass die Nerven bei der EZB genauso blank liegen wie bei allen anderen Beobachtern, weil niemand wirklich weiß, welche Tragweite ein „Leave“-Votum der Briten hätte?

Anleger sollten sich lieber trotz Draghis jüngster Beruhigungspille nicht in falscher Sicherheit wiegen. Fakt ist: Hochgewichtet in Risikopapieren wie Aktien investiert zu sein, hat derzeit mehr mit einem Roulette-Spiel gemein als mit seriöser Geldanlage. Denn die Chancen dafür abhängig von einem einzigen Ereignis in kürzester Zeit marktbreit kräftige Gewinne oder aber extreme Verluste zu erleiden, stehen weiterhin bei etwa fifty-fifty.

Sollte es zu einem „Brexit“ kommen, dann dürften Europäische Aktien unmittelbar rund ein Viertel ihres Wertes einbüßen. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie der auf Risikomodelle spezialisierte Firma Axioma. Auch viele andere Experten erwarten dann Kurseinbrüche im hohen zweistelligen Prozentbereich.

Und kurz vor dem britischen Referendum über den möglichen EU-Austritt lassen die jüngsten Umfragen den Ausgang völlig unkalkulierbar erscheinen. Auch weil der Anteil der noch unentschlossenen Wähler hoch ist. Laut einer YouGov-Umfrage für die Tageszeitung "Times" sprechen sich derzeit 44 Prozent für einen Brexit aus. Die Befürworter für den Verbleib in der EU liegen bei 42 Prozent.

Daher habe ich am Dienstag die Netto-Investitionsquote des Handelsblatt-Musterportfolios am Aktienmarkt auf rund 20 Prozent weiter reduziert - durch den Aufbau einer zusätzlichen Position an Absicherungsprodukten: Gekauft habe ich Reverse-Bonuszertifikate, die sich auf den Euro Stoxx 50 beziehen (WKN: PB3CJE).

Diese speziellen Finanzinstrumente entwickeln sich tendenziell entgegengesetzt zum europäischen Leitindex und können dabei maximal ein Plus von rund 15 Prozent erreichen - auch wenn das Börsenbarometer bis zum Laufzeitende im kommenden März abstürzt oder nur noch seitwärts läuft. Sie tragen also dazu bei mögliche Kurseinbrüche anderer Depotbestandteile zu kompensieren.

Dauerhafte Verluste einfahren können Anleger damit nur, falls der Euro Stoxx 50 bis zum kommenden Frühjahr mindestens um 16 Prozent auf 3.450 Punkte zulegen sollte.

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