Mythos oder Wahrheit Der Irrglaube vom Gold als sicheren Hafen

Gold sei die einzig taugliche Währung in Krisenzeiten und ein sicherer Hafen, sagen die Goldinvestoren. Keine andere Anlageklasse ist mit solchen Lorbeeren behaftet. Aber wird das Edelmetall diesem Image auch gerecht?

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Düsseldorf Kein anderes Anlageobjekt polarisiert so sehr wie Gold. Investoren sind entweder überzeugte Goldkäufer, ja fast schon Fans. Oder sie können dem gelben Edelmetall so gar nichts abgewinnen und zählen es noch nicht einmal zu den gängigen Anlageklassen. Sie halten dann flammende Reden gegen das Gold. Ob Superinvestment oder nichts als schöner Schmuck – beim Thema Gold gegen die Emotionen hoch. Dabei gilt es doch eigentlich als sicherer Hafen, als Ruhepol im Depot, als Wertanlage für die Ewigkeit.

Aber ist Gold überhaupt ein sicherer Hafen? „Nur wenn es dem Finanzsystem schlecht geht“, sagt Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Dekabank. „Gold war immer insbesondere eine Krisenwährung.“ Das sieht Philipp Vorndran etwas anders: „Gold ist kein Krisenmetall, auch wenn das fälschlicherweise oft behauptet wird“, sagt der Kapitalmarktstratege der Vermögensverwaltung Flossbach von Storch. „Gold ist eine Währung – die Währung der letzten Instanz und damit eine Versicherung gegen die Folgen der ultralockeren Notenbankpolitik.“

In der Wahrnehmung der Anleger wird Gold wohl ein „sicherer Hafen“ bleiben. Das zeigen die Kursausschläge in Krisenzeiten. In der Finanzkrise schien Gold neben Bundesanleihen die einzige Rettung zu sein. Als alle anderen Anlageklasse mehr oder weniger gleichzeitig zusammenbrachen, flohen Anleger in die vermeintlich sicheren Häfen. Auch im vergangenen Jahr machte Gold seinem Ruf alle Ehre: Das „Ja“ der Briten zum Ausstritt aus der Europäischen Union ließ den Preis für das gelbe Edelmetall ansteigen. Und es waren nicht nur Privatanleger, die den vermeintlich sicheren Hafen ansteuerten.

Experten führen nämlich den starken Anstieg seit Jahresbeginn 2016 insbesondere auf institutionelle Investoren zurück. Neben dem Brexit-Votum verunsicherten die US-Präsidentschaftswahlen Anleger und führten zu steigender Nachfrage, genauso wie die Niedrigzinspolitik der EZB. Doch nach dem Sieg Donald Trumps ging es erstmal abwärts mit dem Goldpreis. Der Ausblick auf steigende Zinsen beflügelte zwar die Fantasie der Anleger – war aber nicht gut für das Gold. Andere Anlageformen wurden wieder attraktiver.

Wenn die Zinsen steigen, wird Gold eben billiger. Das besagt zumindest die Theorie. Doch seit Jahresbeginn stieg der Preis um gut vier Prozent – trotz der Zinserhöhung im Dezember und dem jetzt anstehenden weiteren Zinsschritt. Dafür gibt es viele Gründe – rationale Erwartungen und Störfeuer aus allen Ecken, vor allem aber die Präsidentschaft Donald Trumps. Seit seinem Einzug ins Weiße Haus beherrscht Unsicherheit die Märkte. Dass der Goldpreis nach seiner Wahl zunächst nachgab, hat einen einfachen Grund: Anleger reagierten nicht nur auf die erwartete Zinserhöhung im Dezember, die dann auch kam, sondern vor allem auf Trumps Ansage, die Wirtschaft mit Infrastrukturprogrammen ankurbeln zu wollen. Das würde natürlich dem Aktienmarkt guttun. Doch bisher bleibt Trump Details schuldig, was Investoren anscheinend wieder zu Gold greifen lässt.


Cyber-Geld könnte die neue Krisenwährung werden

Insgesamt ist die Preisentwicklung der vergangenen Jahre nicht gerade rosig: Auf Sicht von fünf Jahren verlor der Goldpreis fast 30 Prozent, in den vergangenen drei Jahren waren es elf und in den letzten zwölf Monate fast sieben Prozent – und das unter teils heftigen Schwankungen. Diese Kursturbulenzen zeigen für Chris-Oliver Schickentanz vor allem eines: „Gold ist eine Risikoanlage wie jedes andere Wertpapier“, sagt der Chefanlagestratege der Commerzbank. „Zwar hat die Entwicklung des Goldpreises über die letzten 2.000 Jahre zum Kaufkrafterhalt beigetragen. Dies bedeutet aber nicht, dass Gold auf kürzere Sicht Sicherheit garantiert.“ Er nennt als Beispiele die heftigen Kursschwankungen der Jahre 2013 und 2016 – nach einer guten ersten Jahreshälfte bröckelten die Gewinne kontinuierliche ab. Ein sicherer Hafen sieht anders aus.

Und vielleicht ist es demnächst ein ganz anderer sicherer Hafen, den die Anleger in Krisenzeiten ansteuern: „In Zukunft werden wahrscheinlich alternative Währungen wie Bitcoins dem Gold als Alternative zu den offiziellen Währungen den Rang ablaufen“, prognostiziert Deka-Chefvolkswirt Kater. Beide teilen nämlich eine Eigenschaft: Wie Gold dienen auch die Bitcoins manchen Menschen als Zuflucht in unsicheren Zeiten. Wenn es für diese so aussieht, als wäre die eigene Währung, etwa der Euro, bald nicht mehr das Papier wert, auf das sie gedruckt ist, dann braucht es eben Alternativen. Gold liegt im Gegensatz zu Cyber-Währung zumindest mit einem gewissen Gewicht in der Hand. Bitcoins sind deutlich schwerer zu fassen.

Das gilt übrigens auch für die Notenbanken der Welt. Sie regulieren die Menge der Bitcoins ebenso wenig wie das natürlich begrenzte Goldvorkommen. Beide sind also unabhängig von der Geldpolitik und den dazugehörigen Kursschwankungen – eine weitere Gemeinsamkeit. Und betrachtet man den Wert, so feierten Bitcoin-Fans gerade erst einen historischen Moment: Zum ersten Mal zog die digitale Währung Anfang März im Wert an einer Feinunze Gold vorbei. Für Bitcoin-Anleger ein sicherer Beweis, dass die Cyber-Währung Gold als Krisenwährung Nummer eins ablöst. Mittlerweile ist der Preis allerdings deutlich zurückgegangen, Gold ist wieder im Vorteil.

Abseits von Krisenwährung, Zuflucht und sicherem Hafen, wie sieht es denn mit Gold als regulärer Anlageklasse aus? Andreas Beck, Gründer des Münchener Instituts für Vermögensaufbau (IVA), fällt ein hartes Urteil: „Gold ist erst mal sinnlos.“ Seine Begründung: „Es liegt erst sinnlos in der Erde, wird dann mit viel Aufwand herausgeholt. Danach liegt es wieder genauso sinnlos in einem Tresor.“ Argumente, die viele Investoren, die Gold als Anlageklasse nichts abgewinnen können, immer wieder anführen. Ein weiteres lautet: Gold bringt keine laufenden Einnahmen, also weder Zinskupon noch Dividende. Das Geld arbeitet nicht, einzig über den Preis erzielen Anleger Rendite.

Den Goldpreis bestimmen Angebot und Nachfrage. Und bei der Nachfrage kommt nun die psychologische Komponente des Edelmetalls ins Spiel: In unsicheren Zeiten flüchten viele Anleger in Gold, in sicheren Zeiten trennen sich aber auch viele davon. Einzigartig ist der Mechanismus zwar nicht – Angebot und Nachfrage, ob nun von Fundamentaldaten oder psychologischen Befindlichkeiten der Anleger getrieben, bestimmen auch bei allen anderen Anlageklassen, Aktien und Anleihen den Preis und damit die Rendite. Jedoch, die Emotionen so sehr zum Kochen bringen, das schafft nur – Gold. Soviel zumindest ist sicher.

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