Mythos oder Wahrheit Vom Traum der effizienten Märkte

Eugene Fama war überzeugt: Die Märkte sind effizient. Der Nobelpreisträger konnte das auch trefflich belegen. Allerdings hat er in seiner Hypothese etwas vergessen: den Anleger. Stimmt seine Annahme etwa gar nicht?

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Wie fair sind die Börsenkurse? Quelle: AP

Düsseldorf Manche Investoren beten es uns vor wie ein Mantra: „Die Märkte sind effizient.“ Synonyme für das Wort „effizient“ sind wirksam, zweckmäßig, konstruktiv – und damit stimmt das Mantra wohl. Auch ökonomisch sinnvoll und wirkungsvoll sind die Märkte unbestritten. Aber effizient heißt mit Blick auf die Börse eben auch, dass die Preise an den Finanzmärkten immer und zu jeder Zeit fair sind. Das besagt nämlich – stark vereinfacht – die Theorie effizienter Kapitalmärkte.

Nach der Markteffizienz-Hypothese, die auf den amerikanischen Wirtschaftswissenschaftler Eugene Fama zurückgeht, spiegeln die Preise von Wertpapieren in einem effizienten Markt neue und wertrelevante Informationen unverzüglich wider. Doch die Annahme des Nobelpreisträgers ist nicht unumstritten. „Niemand ist in der Lage den fairen Wert einer Aktie zu benennen“, sagt beispielsweise Andreas Beck, Gründer des Münchener Instituts für Vermögensaufbau (IVA). „Bei jedem Aktienhandel glaubt der Verkäufer, die Aktie sei jetzt zu teuer, und der Käufer, die Aktie sei jetzt zu billig. Im Nachhinein hatte dann immer einer Recht und einer Unrecht.“

Auch für Ulrich Kater ist Annahme der effizienten Märkte nicht viel mehr als „eine hübsche Vorstellung, die viele nützliche Schlussfolgerungen ermöglicht.“ Der Chefvolkswirt der Dekabank warnt davor, dieser Vorstellung blind nach zu laufen.

Es mag übertrieben sein, die effizienten Märkte ins Reich der Mythen zu verbannen, aber wirklich wahr sind sie eben auch nicht. Das Problem: Es handelt sich hier um eine Hypothese Famas. Und für diese sind keine weiteren Voraussetzungen nötig.


Abschied vom Homo Oeconomicus

Insbesondere ist es keine Voraussetzung, dass der Markt nur aus komplett emotionslosen Marktteilnehmern besteht oder dass die Information im Markt gleich verteilt ist. Genau hier liegt aber das Problem: „Die Finanzmärkte wären nur dann effizient, wenn die Anleger jederzeit rational handeln“, sagt Ralf Zimmermann, Anlagestratege beim Bankhaus Lampe. „Die These macht sich selbst in Lehrbüchern nicht mehr gut, da sie mit der Realität wenig zu tun hat.“

Menschen sind nicht frei von Emotionen und Anleger schon gar nicht rational. Nicht umsonst haben sich die Wirtschaftswissenschaftler längst vom Homo Oeconomicus, dem Modell eines ausschließlich „wirtschaftlich” denkenden, im Sinne von rationalen Menschen, verabschiedet. Es gibt ihn der Realität eben nicht. Anleger sind gierig, panisch, ängstlich, euphorisch und sie reagieren regelmäßig über. Und deshalb können auch die Märkte nicht wirklich effizient sein, vor allem nicht kurzfristig. Nicht umsonst sagte Börsenaltmeister André Kostolany einst, dass die Märkte zu 90 Prozent aus Psychologie bestehen und nur zu zehn Prozent aus Fakten.

Ralf Zimmermann erinnert an die hitzigen Ausschläge um die Jahrtausendwende. „Ein Kurs von 103,50 Euro für die Aktien der Deutsche Telekom im März 2000 war so wenig effizient wie ein Dax-Niveau von 2200 drei Jahr später“, sagt er. „Anleger handeln emotional, lassen sich von Stimmungen, Medienberichten und der Herde mitreißen. Märkte neigen zu Übertreibung, nach oben und nach unten.“ Wer Aktienmärkte einschätzen wolle, müsse auch Psychologe sein.

Dekabank-Chefvolkswirt Kater sieht das Problem der Markteffizienz-Hypothes sehr schön in dem Standardwitz der Rational-Choice-Theoretiker verdeutlicht: Laufen zwei Wissenschaftler über den Campus der Universität Chicago. Sagt der eine: „Du da liegt ein zehn Dollar Schein“. Sagt der andere: „Kann nicht sein. Wenn der da läge, hätte ihn schon jemand aufgehoben.“

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