Nach EZB-Sitzung Wichtige Bundesanleihe bringt wieder Zinsen

Trendumkehr am Anleihemarkt: Erstmals seit dem britischen Brexit-Referendum bringt die wichtigste deutsche Staatsanleihe wieder Zinsen. Investoren verlieren den Glauben an eine noch lockerere Geldpolitik.

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Der EZB-Präsident verkündete am Donnerstag keine Neuerungen in der Geldpolitik. Quelle: Reuters

Frankfurt Am Donnerstag hatte die Europäische Zentralbank auf Abwarten gespielt. Das Anleihekaufprogramm in Höhe von 1,7 Billionen Euro weitete der EZB-Rat nicht aus, selbst eine zeitliche Streckung über das bisherige Ablaufdatum im März 2017 sei nicht einmal diskutiert worden, hatte EZB-Präsident Mario Draghi gesagt.

Die Zurückhaltung schlägt auch am Freitag noch an den Märkten durch. Vor allem bei Staatsanleihen gibt es heftige Bewegungen und ein besonders wichtiges Wertpapier gibt die Richtung vor. Investoren trennten sich von der 10-jährigen Bundesanleihe, ihr Kurs notierte am Freitagnachmittag zwischenzeitlich bei 99,794 Prozent.

Im Umkehrschluss bedeutete das eine jährliche Rendite für Anleger von plus 0,021 Prozent, wenn sie jetzt die Staatsanleihen erwerben. Zum letzten Mal hatte die für viele andere Wertpapiere als Vergleichsmaßstab dienende Staatsanleihe am Tag des Brexit-Votums eine positive Rendite gebracht.

Der Kursrutsch und Renditesprung kurz vor dem Wochenende zeigt, dass eine weitere Lockerung der Geldpolitik als unwahrscheinlicher wahrgenommen wird. Bislang hatten Investoren sich mit negativen Renditen vor allem deswegen zufrieden gegeben, weil sie erwarteten, dass es noch weitere Kurssteigerungen geben würde - und sie die Papiere dann mit Gewinn verkaufen könnten.

Unter anderem hatte ein Research-Bericht der Deutschen Bank neuen Pessimismus bei Anleiheinvestoren ausgelöst. Die Händler wiesen darauf hin, dass schwaches Wachstum, steigende Inflation und stagnierende Produktivitätswerte auf lange Sicht erhalten bleiben dürften. 30-jährige Staatsanleihen aus Deutschland zogen sogar noch stärker an um mehr als 0,1 Prozentpunkte auf eine jährliche Rendite von 0,62 Prozent.


Überraschung über das Nichtstun

EZB-Präsident Draghi hatte am Donnerstag die Notwendigkeit einer noch lockereren Geldpolitik zurückgewiesen. Das hatte einige Marktbeobachter überrascht, die zumindest kleinere Änderungen erwartet hatten – etwa am Regelwerk für die Anleihekäufe. Die Geldpolitik wirke, so Draghi. Allerdings bekräftigte er auch, dass die EZB das Mandat habe, das Kaufprogramm anzupassen.

„Es war etwas unerwartet, gestern keine Handlung der EZB zu sehen, während sie gleichzeitig ihre Wachstums- und Inflationsaussichten nach unten korrigierte“, so Frederic Pretet, Zinsstratege bei der Scotiabank Europe.

Mit dem Kauf von Staatspapieren und Unternehmensanleihen will die Zentralbank erreichen, dass die Kreditvergabe angekurbelt, Investitionen von Unternehmen getätigt werden und so die Wirtschaft an Schwung gewinnt. Das würde auch der Preisentwicklung Aufschub geben. Das Ziel der EZB ist eine jährliche Inflationsrate von knapp unter zwei Prozent, im August hatte die Preissteigerung in der Euro-Zone allerdings gerade einmal 0,2 Prozent betragen und ist schon seit mehreren Jahren vom Zielwert entfernt – und das trotz Kaufprogramm, einem Leitzins in Höhe von 0,0 Prozent und einem negativen Einlagezins von 0,4 Prozent, den Banken für Einlagen bei der EZB zahlen müssen.

Die EZB wird aus Sicht eines ihrer Top-Notenbanker wohl sogar bis Dezember mit Entscheidungen zu möglichen Änderungen am Anleihen-Kaufprogramm warten. „Wir müssen sehr wahrscheinlich Geduld haben“, sagte Lettlands Zentralbank-Präsident Ilmars Rimsevics am Freitag. Den Ausschüssen solle bis dann Zeit zum Arbeiten gegeben werden.

Auch die Aktienmärkte reagierten den zweiten Tag in Folge mit Abschlägen auf die Zurückhaltung, der Dax drehte im Nachmittagshandel deutlich ins Minus.

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