Neue Bezahlkultur Die Schweden verzichten auf Greta Garbo

Schweden wird seiner modernen Vorreiterrolle gerecht – auch im Finanzsystem. Die meisten Kunden nutzen fast ausschließlich elektronische Zahlungswege – und verbannen damit sogar eine Nationalheldin aus dem Portemonnaie.

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Schwedische Banken verzichten weitgehend auf Bargeld – es kaum noch Nachfrage. Quelle: Reuters

Stockholm Wer in Schweden Bargeld sehen möchte, der sollte es nicht unbedingt bei der Bank suchen. Die großen Filialbanken des Landes haben den Bargeldverkehr am Bankschalter weitgehend eingestellt. Die Schweden vertrauen zunehmend Kreditkarten, nehmen Zahlungen über das Internet vor und nutzen bereits in vielen Fällen die Bezahlfunktionen von Smartphones.

Nur noch rund 20 Prozent der Käufe werden in Schweden mit Barmitteln abgewickelt, erklärte die schwedische Handelskammer. Die markführenden Banken SEB, Swedbank und Nordea haben in bis zu 75 Prozent ihrer Filialen den Bargeldverkehr abgeschafft.

Damit kommen die schwedischen Banknoten mit den Konterfeis des Botanikers Carl von Linné oder bald sogar der Schauspielerin Greta Garbo immer seltener zum Einsatz. „Wir haben den Bargeldverkehr gestoppt, weil wir einfach eine Veränderung des Kundenverhaltens bemerkt haben“, sagt Swedbank-Sprecherin Anna Sundblad. Nur noch fünf Prozent der Kunden wünschten bei ihrem Institut noch den Bargeldverkehr am Bankschalter.

Beim Marktführer in Skandinavien, Nordea, falle die Nachfrage nach Bargeldtransaktionen um etwa 20 Prozent pro Jahr, sagt Sprecher Erik Durhan. Für Nordea-CEO Björn Wahlroos ist das Ende des Bargelds „der logische nächste Schritt“ in einem Prozess, der bereits andere alternative Zahlungsformen wie etwa den Scheckverkehr beendet hat.

Skandinavien ist in dieser Hinsicht vielen Ländern in Europa und auch den USA überlegen, sagte er. „In Skandinavien haben wir das Scheckbuch vor rund 30 Jahren abgeschafft. In den USA und selbst in Großbritannien werden Schecks aber weiterhin verwandt“, sagte Wahlroos. Es sei da nur logisch, wenn es nun darum gehe, auf Münzen und Scheine in Schweden zu verzichten.

Logisch oder nicht – schwedische Banken haben schon öfter richtig gelegen, wenn die Konkurrenten in anderen Ländern in Schwierigkeiten geraten waren. Die Finanzindustrie des skandinavischen Landes hat etwa die Schuldenkrise in Europa wesentlich besser durchstanden als andere Staaten.

Auch in der Aktienkursentwicklung drückt sich das aus. Aktien von Nordea haben im laufenden Jahr bereits 22 Prozent im Kurs zugelegt und sich damit erheblich besser entwickelt als die Branche in Europa. Der aus 40 Finanzwerten bestehende Bloomberg-Index europäischer Finanzwerte ist dagegen nur um 2,5 Prozent vorgerückt.
Die Swedbank hat im gleichen Zeitraum 17 Prozent gewonnen und die SEB Bank 23 Prozent. Nicht zuletzt Kosteneinsparungen sind nach Angaben der Banken durch die Beendigung des Bargeldumlaufs zu erzielen. Auch steigen die Gewinne durch Gebühreneinnahmen im Kartengeschäft. Alleine im letzten Jahr sind bei der SEB die entsprechenden Einnahmen um acht Prozent auf 4,37 Millionen Kronen gestiegen, wie es hieß.

Die SEB hat sich im Heimatland Schweden nach Angaben der Sprecherin Anna Helse von 70 Prozent des manuellen Bargeldumsatzes getrennt. Unter den vier größten schwedischen Banken bieten lediglich die Svenska Handelsbanken noch Bargeld in ihren 461 Filialen an. Sprecher Henrik Westman zufolge wird die Bank diesen Service beibehalten, so lange er nachgefragt wird.

Aber eine solche Dienstleistung zieht auch eine andere Klientel an. Die meisten Banküberfälle in Schweden fanden zuletzt bei Filialen der Handelsbanken statt. Bei allen anderen Banken hat der Trend zur Abkehr vom Bargeld die Zahl der Überfälle erheblich gesenkt – und zwar auf nur noch fünf im vergangenen Jahr. 2011 waren es noch 16, berichtete die schwedische Bankenvereinigung.

Die für den schwedischen Finanzsektor zuständige Gewerkschaft drängt nun alle Banken des Landes zu einem kompletten Verzicht auf Bargeld. Ein solcher Schritt sei ein Beitrag zum Schutz von Arbeitnehmern und Bankkunden in den schwedischen Bankenfilialen. Insgesamt könne die Branche so sicherer werden, hieß es. Die Zahl der Finanztransaktionen auf Kartenbasis nehme seit zehn Jahren kontinuierlich zu, und damit sei auch in Zukunft zu rechnen, erklärte Zahlungsspezialist Bengt Nilervall von der schwedischen Handelskammer. Die meisten Länder in Europa, sagte er, seien noch lange nicht so weit.

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