Neuer Chef der Deutschen Börse Ein Investmentbanker wird Börsenlenker

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Banker aus Leidenschaft

Kengeter war aus vollem Herzen Banker. Sein gesamtes Berufsleben arbeitete er für internationale Investmentbanken: Barclays de Zoete Wedd (BZW), zwölf Jahre Goldman Sachs, schließlich UBS London. Dort übernahm er 2008 die Leitung des Bereichs Zinsen, Währungen, Rohstoffe – damals das große Sorgenkind der Bank – und später die Leitung der Investmentbank. Immer weiter aufwärts ging es für den gebürtigen Heilbronner, der nun fast ein Vierteljahrhundert im Ausland gelebt hat. 2009 war er mit einem Gehalt von 13,2 Millionen Schweizer Franken und 2010 mit Bezügen von 9,3 Millionen Franken noch der Top-Verdiener der UBS. Der ehemalige Vorstandschef Oswald Grübel hatte ihn sogar zum Nachfolger auserkoren. Bis ein Skandalhändler namens Kweku Adoboli im September 2011 aufflog und Kengeters Höhenflug stoppte.

Diese Unternehmen haben 2014 die Börse gerockt
AlibabaDem chinesischen Online-Riesen gelang der größte Börsengang der Finanzgeschichte: Alibaba nahm bei der Aktienplatzierung in New York am 19. September über 25 Milliarden Dollar ein. Seitdem stieg der Kurs um 20 Prozent, Alibaba ist nun 280 Milliarden Dollar wert. Quelle: REUTERS
NN GroupDer größte Börsengang in Europa war das IPO der NN Group, der Versicherungssparte des Finanzkonzerns ING mit einem Emissionsvolumen von 2,4 Milliarden US-Dollar, vor dem IPO des britischen Verkehrsclubs AA, der 2,36 Milliarden US-Dollar einbrachte. Insgesamt gab es im Jahr 2014 sieben Börsengänge deutscher Firmen in Frankfurt und elf Emissionen von ausländischen Unternehmen, die zusammen 3,4 Milliarden Euro einbrachten. Quelle: REUTERS
SLM SolutionsIm Mai wagte sich das erste deutsche Unternehmen an die Börse. Die IPO des Lübecker 3D Drucker-Herstellers SLM Solutions fiel jedoch kleiner aus als geplant. Das Unternehmen teilte nur zehn Millionen statt der geplanten bis zu 11,2 Millionen Aktien zu. Der Preis lag mit 18 Euro am unteren Ende der bis 23 Euro reichenden Preisspanne. Der SLM-Börsengang hatte damit ein Volumen von 180 Millionen Euro. Quelle: dpa
Braas Monier Im Juni machte der Dachpfannen- und Schornstein-Hersteller Braas Monier den bis dato größten Börsengang des Jahres in Deutschland perfekt. Das Unternehmen und seine Eigentümer nehmen mit der Emission bis zu 541 Millionen Euro ein. Die bis zu 22,5 Millionen Braas-Monier-Aktien würden zu je 24 Euro ausgegeben und damit im unteren Viertel der Preisspanne, die von 23 bis 28 Euro reichte. Allerding verlief der eigentliche Börsenstart. Mit 23,40 Euro wurden die Aktien zu Beginn des Handelstags unter dem Ausgabepreis von 24 Euro gehandelt. Quelle: dpa
Rocket InternetDer Startup-Entwickler Rocket Internet schürte große Erwartungen. Rocket Internet nahm 1,4 Milliarden Euro ein, doch die Aktie kippte beim Debüt am 2. Oktober unter den Ausgabepreis. Inzwischen gibt es ein Kursplus von 50 Prozent, Rocket ist 8,3 Milliarden Euro wert. Quelle: dpa
ZalandoDer Mode-Händler Zalando gab seinen Aktionären erst keinen Grund, vor Glück zu schreien. Die Zalando-Aktie fiel gleich zum Start am 1. Oktober unter den Ausgabepreis und erholte sich erst nach guten Quartalszahlen. Der Marktwert liegt damit bei 5,6 Milliarden Euro. Quelle: dpa
GoProDer US-Hersteller von Abenteuerkameras begann als Hobby-Projekt - und ist heute zehn Milliarden Dollar wert. Schon beim Börsengang am 27. Juni sprang die Aktie von GoPro um mehr als 30 Prozent über den Ausgabepreis. Seit dem Debüt stieg der Kurs um mehr als 150 Prozent. Quelle: REUTERS

Adoboli hatte bei der UBS in London durch Luftbuchungen, fiktive Gegengeschäfte und Spekulationen auf börsennotierte Indexderivate Verluste in Höhe von 2,3 Milliarden Dollar angehäuft. Kengeter, damals Chef der Investmentbank, musste dafür einen hohen Preis zahlen, in Form eines herben Karriereknicks. Dabei hatte Adoboli bereits 2006 begonnen, sein großes Rad zu drehen – als Kengeter noch bei Goldman wirkte.

Dennoch bot Kengeter, so sagt er, drei Mal nach dem Adoboli-Debakel seinen Rücktritt an. Er blieb aber, stattdessen ging UBS-Chef Grübel, Sergio Ermotti wurde dessen Nachfolger. Erst mit der strategischen Neuausrichtung der Bank, weg vom kapitalintensiven Anleihegeschäft und mit einer drastischen Verkleinerung der Investmentbank, wurde Kengeter Schritt für Schritt entmachtet. Im Sommer 2012 wurde ihm der ehemalige Bank-of-America-Banker Andrea Orcel als Co-Chef der Investmentbank zur Seite gestellt, im Oktober wurde Orcel alleiniger Chef, Kengeter stattdessen zum Chef der Abwicklungseinheit. Mitte 2013 verließ er die Bank.

Hört man Kengeter zu, wird klar: Sein Job bei der UBS stand von Anfang an unter keinem guten Stern. Die Bank hatte bei seinem Amtsantritt 2008, auf dem Höhepunkt der Finanzkrise, extreme Schlagseite. Es mangelte an Kontrollen, an Risikomanagement, an Steuerung.

Wie man an der Börse die besten Chancen hat

Ein UBS-Mitarbeiter lobt seinen ehemaligen Chef als „sehr durchorganisiert – im Ansatz deutsch, trotzdem zugänglich“. Und so versucht er rückblickend, seiner Zeit bei der UBS etwas Positives abzugewinnen, eine gute Erfahrung sei sie gewesen und „hilfreich zur weiteren Orientierung“. Er wehrt sich dagegen, zum Sündenbock gestempelt zu werden: „Den zweiten Kapitän für den Untergang der Titanic verantwortlich zu machen, der nicht am Steuer war, sondern die Rettungsboote organisierte, ist nicht fair.“

Reine Weste bescheinigt

Ein aktueller Managing Director der UBS meint: „Letztlich trifft es natürlich die Leute oben.“ Kengeter aber sagt noch heute: Verantwortlich für Adoboli sei er nicht gewesen. Rückendeckung erhält Kengeter von seinem künftigen Chefkontrolleur Faber, der dem „Wall Street Journal“ sagte, der Aufsichtsrat habe im Zusammenhang mit dem Fall Adoboli einen intensiven Austausch mit allen relevanten Aufsichtsorganen, mit Gerichten und mit der UBS gehabt. Alle hätten Kengeter eine reine Weste bescheinigt.

Fest steht, dass die britische Finanzaufsicht, die die UBS im Zusammenhang mit dem Adoboli-Skandal wegen gravierender System- und Kontrollmängel rügte, Kengeter nicht im Visier hatte. Auch keine andere Aufsichtsbehörde hat ihn jemals beschuldigt. Das gilt auch für die Manipulation des Referenzzinses Libor, für die die UBS im Jahr 2012 eine Strafe von 1,5 Milliarden Dollar von den amerikanischen, britischen und Schweizer Aufsichtsbehörden aufgebrummt bekam.

Bei der britischen Finanzaufsicht FCA heißt es, es gebe keinerlei Hinweise dafür, dass Kengeter persönlich bei Libor Fehlverhalten vorzuwerfen sei. Der Bankenausschuss im britischen Unterhaus lud zwar Kengeters Ex-Co-Chef Alex Wilmot-Sitwell und ein paar andere UBS-Banker vor, nicht aber den Deutschen. Der Teflon-Mann eben.

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