Neuer Chef der Deutschen Börse Ein Investmentbanker wird Börsenlenker

Mit Carsten Kengeter steht ein ehemaliger UBS-Investmentbanker an der Spitze der Deutschen Börse, der einst über einen Handelsskandal stolperte. Jetzt muss er zeigen, dass er es besser kann als Vorgänger Reto Francioni.

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Kengeter Quelle: Deutsche Börse

Die zwei Handys, die an diesem März-Vormittag in Wimbledon vor ihm auf dem Tisch liegen, deuten schon darauf hin: Ganz entspannt ist der Manager nicht, während er im Café seinen English Breakfast Tea trinkt. Carsten Kengeter ist in diesen Wochen damit beschäftigt, seine privaten Firmenbeteiligungen aufzulösen oder jedenfalls so neu zu ordnen, dass es keine Interessenkonflikte gibt. Der 48-Jährige hat in den vergangenen zwei Jahren in kleine Finanztech- und Biotech-Unternehmen investiert. Das muss jetzt sortiert werden. Kengeter ist seit 7. April Vorstand der Deutschen Börse. Nach der Hauptversammlung am 13. Mai soll er die Leitung des Konzerns und dann ab 1. Juni den Vorstandsvorsitz übernehmen. Da sind geordnete Verhältnisse von Vorteil.

Für Kengeter gehen rund zwei Jahre als Privatier, Investor und Gastprofessor an der London School of Economics (LSE) zu Ende. Zwei Jahre, in denen er einen ganz neuen Blick auf die internationale Hochfinanz, in der er seit zwei Jahrzehnten Karriere macht, gewonnen haben will. „Als ich draußen war, habe ich festgestellt, dass die Regulatoren sehr viel Gutes gemacht haben und die Banker eigentlich nicht“, sagt er. Auch die Forschung an der LSE, wo er sich mit Regulierungsthemen und der Finanzkrise befasste, trug offenbar zur Läuterung bei. Wissenschaftlich veröffentlicht hat der Gastprofessor seine Erkenntnisse freilich bisher nicht, Vorlesungen hat er auch keine gehalten. Aber vielleicht gewährt ja demnächst der Praxistest Einblicke darin, was genau Kengeters Forschungs- und Freizeitjahre so an Erkenntnis gebracht haben.

Das sind die Börsenkandidaten 2015
windeln.deDer Online-Händler windeln.de, der auf Baby- und Kindersachen spezialisiert ist, will offenbar noch im ersten Halbjahr 2015 an die Börse. Das berichten Insider. Die Deutsche Bank, Goldman Sachs und die Bank of America Merrill Lynch seien beauftragt worden, der Firma beim Börsengang zu helfen.Das frische Kapital soll dem Unternehmen Spielraum für seine weitere Expansion verschaffen. Die Banken wollen sich nicht zu den Plänen äußern, zunächst hatte das Wirtschaftsmagazin "BILANZ" über die Börsenpläne berichtet. Windeln.de wurde 2010 gegründet und schrieb 2014 bei einem Umsatz von 130 Millionen Euro einen kleinen Gewinn. Quelle: dpa
SunriseDer zweitgrößte Telekom-Anbieter der Schweiz, Sunrise, darf sich wohl über einen erfolgreichen Börsengang freuen. Die Nachfrage der Anleger war so hoch, dass das Volumen der Sunrise-Aktien sogar um 300 Millionen auf 2,3 Milliarden Franken erhöht werden konnte. Mit 68 Franken je Aktie landeten die Papiere in der Mitte der Preisspanne, kletterten aber schon am ersten Handelstag, dem 6. Februar, um über elf Prozent auf 78 Franken. Mit dem Erlös will das Schweizer Unternehmen zunächst vor allem Schulden zurückzahlen. Zudem fließt Kapital in die Kassen des Haupteigentümers, Finanzinvestor CVC. Insgesamt lieferte Sunrise damit den größten Schweizer IPO seit acht Jahren. Quelle: REUTERS
Ferratum OyiDer finnische Finanzdienstleister hat Anfang Februar den Schritt auf das Frankfurter Börsenparkett gewagt. Mit einem Kursgewinn von bis zu acht Prozent ist das Debüt gelungen. Hinter Tele Columbus feiert Ferratum bereits den zweiten Frankfurter IPO 2015. Das 2005 gegründete Unternehmen aus Helsinki vergibt Kleinkredite über 25 bis 2000 Euro, die per Handy oder Internet sofort abgeschlossen werden können. Von dem Börsengang-Volumen von brutto rund 110 Millionen Euro sollen rund 48 Millionen an Ferratum fließen. Das frische Geld will das Unternehmen in neue Produkte und die Expansion in weitere Länder stecken. Zudem soll sich Ferratum vom reinen Kreditanbieter nach und nach zu einer mobilen Bank entwickeln. Quelle: dpa
Tele ColumbusDer drittgrößte deutsche Kabelnetzbetreiber Tele Columbus startet seinen bereits im Herbst angekündigten Börsengang. Wie das Unternehmen mitteilte, werden 51 Millionen Aktien zu zehn Euro das Stück ausgegeben. Das gesamte Angebotsvolumen liege damit bei 510 Millionen Euro, davbon 333 bis 367 Millionen Euro aus Kapitalerhöhung. Erster Handelstag soll der 23. Januar sein. Mit dem Geld will Tele Columbus seine Schuldenlast senken und in den Ausbau der eigenen Kabelnetze investieren. Zusätzlich zur Kapitalerhöhung werden auch Altgesellschafter Aktien verkaufen. Beteiligt an Tele Columbus sind unter anderem Londoner Finanzinvestoren. Kerngebiet des Kabelnetzbetreibers ist Ostdeutschland. Auch in einigen westdeutschen Gegenden besitzt der Anbieter Kabelnetze. Quelle: Screenshot
EtsyEtsy, eine Online-Handelsplattform für Handgemachtes, will laut einem Bericht des US-Magazins mashable noch im laufenden Quartal an die Börse. Das Ebay für Heimwerker will mit der IPO rund 300 Millionen Dollar einsammeln. Über das gut zehn Jahre alte Portal wurden vergangenes Jahr Waren im Wert von mehr als einer Milliarde Dollar gehandelt. Quelle: Screenshot
Scout24 Schon vergangenes Jahr liebäugelte die Scout24-Gruppe, zu der Immobilienscout24, AutoScout24, die Datingseite FriendScout24 und das Finanzvergleichs-Portal FinanceScout24 gehören, mit dem Börsengang. Nachdem jedoch die Papiere von Zalando und RocketInternet ins Rutschen geraten waren, wurde es still um die IPO-Pläne. Doch Anfang 2015 könnte ein Börsengang durchaus wieder ein Thema werden. Das Unternehmen ist derzeit mit gut zwei Milliarden Euro bewertet und gehört Hellman & Friedman (49 Prozent), Blackstone (21 Prozent) und der Deutschen Telekom (30 Prozent). Quelle: Screenshot
Axel Springer Digital ClassifiedsEbenfalls Anfang 2015 soll die Online-Anzeigenbörse Axel Springer Digital Classifieds aufs Parkett. Eigentümer sind Axel Springer SE (70 Prozent) und General Atlantic (30 Prozent), bewertet wird das Unternhmen derzeit mit rund drei Milliarden Euro. Wie groß das Volumen des Börsengangs sein soll, ist noch offen. Quelle: dapd

Die Erwartungen jedenfalls sind hoch. Als die Börse Ende Oktober Kengeters Ernennung bekannt gab, schwärmte die „Börsenzeitung“: „Ein prächtiger Fang für die Börse.“ Und Aufsichtsratschef Joachim Faber sagte: „Wir freuen uns sehr, dass es uns gelungen ist, einen so erfahrenen und qualifizierten Nachfolger für den langjährigen CEO der Deutschen Börse AG zu identifizieren.“ Reichlich Vorschusslorbeeren; vermutlich auch, weil sein Vorgänger Reto Francioni eine durchwachsene Bilanz hinterlässt. Da stört es kaum, dass ein ehemaliger Goldman-Sachs-Weggefährte Kengeters stänkert: „Er war ein Teflon-Mann“ – einer, an dem kein Problem hängen blieb.

Am Sitz der Deutschen Börse in Eschborn hätten es manche gerne gesehen, wenn der Neue schon im Januar angefangen hätte. Mit dem Unternehmen sei ja nichts mehr passiert in den vergangenen Jahren, viele langweilten sich, hört man. Nach der 2012 gescheiterten Fusion zwischen der Deutschen Börse und der New York Stock Exchange, die in letzter Minute von den EU-Wettbewerbsbehörden gestoppt wurde, hatte sich viel Frustration aufgebaut.

Die Börse, deren Führungsmannschaft geprägt ist von Männern um die 60, steht also vor einem Generationswechsel. Doch es geht um mehr als eine Verjüngungskur. Der Konzern soll internationaler werden, schneller, technologierorientierter. Es wird eine große Umstellung: für den Konzern und seine Mitarbeiter ebenso wie für Kengeter, der das Börsengeschäft nur als Nutzer von außen kennt und dessen Ruf seit seiner Zeit bei der UBS etwas angekratzt ist.

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