Neues Marktsegment Scale Vorsicht vor Etikettenschwindel an der Börse

Anleger sollten sich durch das neue Qualitätssiegel der Deutschen Börse nicht blenden lassen. Bei einigen Scale-Werten handelt es sich um Unternehmen mit problematischer Historie.

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Deutsche-Börse Quelle: dpa

Die Deutsche Börse charakterisiert ihr neues Marktsegment Scale als Tummelplatz für kleine und mittlere Unternehmen (KMU). Wer dabei reflexartig an solide deutsche Mittelständler denkt, muss sich von einem Trugbild verabschieden. Scale-Unternehmen besitzen zwar schon eine gewisse kritische Masse, haben aber wesentliche Wachstumsschritte und Bewährungsproben für ihr Geschäftsmodell erst noch vor sich.

Das Geld dafür wollen sie jetzt an der Börse einsammeln, wobei der Marketingrummel um das neue Scale-Segment zumindest für steigende Bekanntheit bei Investoren und Anlegern sorgen dürfte.

Beim typischen Scale-Wert handelt es sich um eine Mischung aus Start-up und Establishment. Berücksichtigt werden können Aktiengesellschaften aber auch Unternehmen ohne Börsennotierung, wenn sie Anleihen emittiert haben. Zielgruppe auf der Kapitalgeberseite sind in erster Linie Profiinvestoren aber auch Privatanleger.

Die Märkte für Geduldige
Wo lässt es sich am besten nach Rendite fischen?Zwischen 1900 und Ende 2016 gewannen die Aktienmärkte weltweit im Schnitt 5,1 Prozent pro Jahr, die Inflation herausgerechnet. Zu diesem Ergebnis kommt die Credit Suisse in ihrem „Global Investment Returns Yearbook“ 2017, das im Februar veröffentlicht wurde. Für die Berechnung stützt sich die Schweizer Bank auf die Daten der Professoren Elroy Dimson, Paul Marsh und Mike Staunton von der London Business School. Der Datensatz erfasst die Performance von 70.000 Börsentagen und vergleicht die Aktienmärkte aus 21 Ländern. Wer trotzte den Krisen der vergangenen Jahrzehnte besonders gut? Ein Überblick. Quelle: dpa
Österreich Quelle: Wiener Börse
Italien Quelle: REUTERS
Belgien Quelle: Fotolia
Frankreich Quelle: REUTERS
Deutschland Quelle: dpa
Portugal Quelle: dpa

Wird hier mit viel Getöse ein Börsensegment aufgeblasen, das ähnlich desaströs endet wie der um die Jahrtausendwende ins Leben gerufene und gescheiterte Neue Markt mit seinen angeblich zukunftsträchtigen Digital- und Biotechnikwerten? Nein, bei Scale handelt es sich trotz aller Begleit-PR um eine Hausnummer mit deutlich niedrigerer Brisanz.

Nicht nur die Investoren haben aus dem Desaster des Neuen Markts hoffentlich ihre Lehren gezogen. Auch die Börse tut alles, um Negativerfahrungen wie damals zu vermeiden. Sie versucht, Scale mit allerhand Qualitätsstandards gegen böse Überraschungen abzusichern.

So dürfen bei Scale nur Firmen mitmachen, die bereits eine nachprüfbare Unternehmenshistorie hinter sich haben. Doch Vorsicht, Historie allein ist noch kein Qualitätsmerkmal. Ein Blick in die Lebensläufe so mancher Scale-Notierung bringt recht Unerfreuliches zu Tage.

Die Risiken von Allianz bis Siemens

Beim börsennotierten Scale-Mitglied Ernst Russ AG etwa handelt es sich um das ehemalige Hamburger Fondshaus HCI Capital, welches sich nach der Übernahme der Russ-Reederei kurzerhand umbenannt hat. HCI hatte massenhaft Anteile an Schiffsgesellschaften an Privatanleger verkauft, von denen viele mit der anschließenden Krise der Handelsschifffahrt finanziell in den Abgrund gezogen wurden. Das Unternehmen ist danach in den Entry-Standard der Börse abgestiegen und auch der Kurs hat einen tiefen Sturz hinter sich.

Es sieht so aus, als ob die berüchtigte HCI unter neuem Namen und mit einem etwas umgebauten Geschäftsmodell jetzt im Scale-Segment den Neuanfang versucht. Aktionäre sollten sich zweimal überlegen, ob sie sich darauf wirklich einlassen wollen.

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