Niedrigzinsen Sparverträge unter Druck

Die EZB hat das Zinstief in Europa zementiert. Schwere Zeiten für Sparer, deren Altverträge weitere Banken laut einem Bericht kündigen wollen. Aber es gibt noch Auswege, meint das Bankhaus Metzler.

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Diese Anleihen rentieren unter Null
Top 15: Daimler AGDie EZB startete den Ankauf von Firmenbonds in der vergangenen Woche und sammelte an einem einzigen Tag Titel im Volumen von 348 Millionen Euro ein. Daneben kaufen die Währungshüter Staatsanleihen im Volumen von inzwischen 80 Milliarden Euro monatlich. Dies drückt unter anderem die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe erstmals unter die Marke von null Prozent. Bei kürzeren Laufzeiten gehören Negativzinsen bereits zum Alltag. Daimler verzinst seine bis zum 27. Juni 2018 ausgegebene Anleihe mit 2,125 Prozent. Die Rendite beträgt bei einem Gesamtvolumen der Anleihe von 935.617.500 Dollar minus 0,1049266 Prozent. Quelle: dpa
Top 14: Cooperatieve Rabobank UADas Gesamtvolumen europäischer Unternehmensanleihen mit dem Gütesiegel Investment Grade, die grundsätzlich von der Europäischen Zentralbank (EZB) aufgekauft werden können, liegt aktuell bei 2,8 Billionen Euro. Das entspricht in etwa der jährlichen Wirtschaftsleistung Frankreichs. Auf platz 14 kommt die Rabobank mit einer Anleihe von 4,75 Prozent Normalzins. Der Titel der Niederländer läuft bis zum 15. Juni 2018 und rentiert bei derzeit -0,0853134 Prozent. Das Volumen: 5.084.241.250 Dollar Quelle: REUTERS
Top 13: Commerzbank AGAuch die Anleihen des zweitgrößten Geldhauses der Bundesrepublik rentieren mit -0,1815399 Prozent negativ. Der Titel läuft bis zum 2. Juni 2019, hat einen Zinskupon von 4,375 Prozent und kommt damit auf ein Volumen von 2.101.800.000 Dollar. Quelle: REUTERS
Top 12: Caixa SADie Ausweitung der EZB-Anleihekäufe auf Schuldscheine europäischer Großkonzerne drückt deren Renditen immer tiefer. Inzwischen müssten Anleger bei 16 Prozent der Papiere dafür zahlen, den Firmen Geld leihen zu dürfen, teilte Tradeweb mit. Anfang Mai habe die Quote noch bei fünf Prozent gelegen. Anleihen der spanischen Bank CatalunyaCaixa kommen trotz eines Zinskupons von 4,25 Prozent auf eine Effektivverzinsung von -0,036232066 Prozent. Der Schein wird am 26. Januar 2017 fällig und hat ein Volumen von 2.507.600.000 Dollar. Quelle: REUTERS
Top 11: BNP Paribas SADer Französische Bankenriese verzinst seinen bis zum 27. Juni 2017 laufenden Bond mit 2,875 Prozent. Doch die Rendite ist auf -0,1012968 Prozent gefallen. Das Volumen: 1.559.362.500 Dollar. Quelle: REUTERS
Top 10: BMW Finance NVDer Langläufer der Bayern ist mit einem Normalzins von 3,25 Prozent ausgestattet und verfällt am 14. Januar 2019. Aktuelle Rendite: -0,0732932 Prozent. Der Ertrag beläuft sich auf 1.584.700.000 Dollar. Quelle: AP
Top 9: Berlin Hyp AGDie Deutsche Pfandbriefbank legte einen Bond auf mit einem Normalzins von 4,5 Prozent. Das Papier läuft bis zum 3. Mai 2019 und rentiert bei minus 0,1940956 Prozent. Der Ertrag beläuft sich auf 1.359.410.000 Dollar. Quelle: PR

Die anhaltenden Niedrigzinsen in Europa bedrohen nach einem Bericht der „Bild“-Zeitung weitere Sparverträge. Wie das Blatt am Samstag schrieb, müssen sich Kunden von Banken und Sparkassen mit Kündigungen auseinandersetzen, weil die Institute einst hohe Zinszusagen aus Altverträgen nur noch schwer finanzieren können. „Tausende Verbraucher erhalten die Kündigung, werden in andere Anlagen gedrängt“, hieß es in dem Bericht, der auch Beispiele nannte. Der Deutsche Sparkassen- und Giroverband war bis Samstagmittag nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.

Fälle, in denen Banken aus zum Teil hochverzinsten Verträgen aussteigen wollten, sind bereits früher bekannt geworden. So hatte sich die Ulmer Sparkasse vor einem Jahr nach langem Streit außergerichtlich mit Sparern geeinigt. Sie wollte wegen des anhaltenden Zinstiefs Tausende Kunden aus sogenannten Scala-Verträgen herauslocken. Mitte November scheiterte die Verbraucherzentrale Sachsen-Anhalt vorerst in einem Prozess gegen die Kreissparkasse Anhalt-Bitterfeld - das Institut hatte argumentiert, Kündigungen seien bei fehlenden Mindestlaufzeiten im Vertrag möglich.

„Wir müssen uns darauf einstellen, dass die Realzinsen noch lange negativ sein werden“, sagte der Frankfurter Bankier Emmerich Müller der Deutschen Presse-Agentur. Der fürs operative Geschäft zuständige Partner des 1674 gegründeten Bankhauses Metzler rechnet nicht mit einer Zinswende in absehbarer Zeit. „Wir haben es mit einer Lastenverteilung zu Lasten der Sparer und Investoren zu tun.“

Die Europäische Zentralbank (EZB) ist seit der jüngsten Finanzkrise 2007/2008 im Krisenmodus - und legt sich bisher nicht darauf fest, ab wann sie ihre extrem weit geöffneten Geldschleusen wieder schließen wird. Viele Volkswirte interpretierten die jüngste Entscheidung der Notenbank, ab April nur noch 60 Milliarden statt 80 Milliarden Euro in Staatsanleihen und andere Wertpapiere zu stecken, zumindest als erstes Signal für eine langsame Rückkehr zur Normalität.

Metzler-Bankier Müller meint jedoch: „Es ist verfrüht, auf einen Ausstieg der EZB aus ihrer ultralockeren Geldpolitik zu setzen. Dafür liegen noch zu viele politische Unsicherheiten vor uns.“ Der neue US-Präsident Donald Trump lasse noch viele Fragen offen, der Zeitplan für den britischen EU-Austritt könne ins Wanken geraten, nachdem die Regierung nun die Zustimmung des Parlaments einholen müsse. Für Sparer gelte: „Eine höhere Aktienquote ist langfristig empfehlenswert, um der schleichenden Entwertung des Nominalvermögens entgegenzuwirken - auch wenn man natürlich damit rechnen muss, dass die politische Unsicherheit kurzfristig für erhöhte Schwankungen sorgen kann.“

Bei den Wahlen in den Niederlanden, Frankreich und Deutschland ist die Sorge vor Populisten groß. „Wir haben es mit einer Situation hoher politischer Unsicherheit zu tun - erstmals seit langer Zeit“, sagte Müller. „Es könnte sein, dass wir am längeren Ende - bei zehnjährigen Anleihen - in Europa leicht steigende Nominalzinsen sehen werden. Das ändert aber nichts daran, dass der Zins, den bonitätsstarke Schuldner da zahlen, niedriger ist als die Inflation.“

Der steigende Bedarf nach Beratung bei der Altersvorsorge in Zeiten des Zinstiefs komme der Branche zugute. „Das Pensionsmanagement entwickelt sich weiterhin sehr gut, da sehen wir noch starkes Wachstumspotenzial“, sagte Müller. Insgesamt sei Metzler mit dem abgelaufenen Jahr zufrieden: „Wir wachsen weiterhin organisch.“

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