Öl-Branche Mineralölkonzern Varo Energy plant milliardenschweren Börsengang

Der größte unabhängige Ölhändler der Welt, Vitol, will mit einer Tochtergesellschaft den Gang aufs Parkett wagen.

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Varo Energy fokussiert sich auf die Verarbeitung von Öl und die Vermarktung von Treibstoffen wie Benzin, Kerosin oder Heizöl. Quelle: obs

Frankfurt Börsengänge im europäischen Öl- und Gasgeschäft sind selten geworden. Die großen Ölproduzenten wie Shell oder BP haben bereits vor Jahren den Schritt auf das Parkett gewagt und das Geschäft mit der Ölverarbeitung bleibt zersplittert. Nun aber hat mit Varo Energy ein großer Akteur im Raffinerie- und Endkundengeschäft Nordeuropas seine Absicht auf einen Börsengang („Intention to Float“) verkündet.

Das Unternehmen mit Sitz im Schweizerischen Cham plant, 30 bis 40 Prozent seiner Anteile zu verkaufen. Bislang gehört der Ölverarbeiter zu je einem Drittel dem niederländischen Investor Reggeborgh, der amerikanischen Private-Equity-Gesellschaft Carlyle Group sowie dem größte unabhängige Ölhändler der Welt Vitol.

Der Aktienverkauf soll zu jeweils gleichen Teilen geschehen. Auch private Investoren sollen beteiligt werden. Da Varo aber nur an der Amsterdamer Börse Euronext gehandelt werden soll, bekommen vorerst nur niederländische Käufer Zugang. Als Konsortialbanken wählten die Schweizer neben neben Credit Suisse, ING, Bank of America Merrill Lynch, Citigroup und ABN Amro auch die Deutsche Bank.

Für Deutsche dürfte der Börsengang noch aus einem anderen Grund interessant sein, denn ein Großteil seines Geschäfts macht Varo in Deutschland. Mit 243 Millionen Dollar erwirtschaftete Varo mehr als die Hälfte (55 Prozent) seines Ergebnisses vor Abschreibungen, Steuern und Zinsen (Ebitda) im vergangenen Jahr in Deutschland. Insgesamt belief sich das Ebitda auf 371 Millionen Euro. Den Großteil seines Geschäfts stemmt Varo aus der Bayernoil-Raffinerie nahe Ingolstadt. An dieser Anlage ist Varo mit 45 Prozent als größter Einzelaktionär beteiligt.

Eine Preisspanne nannte das Unternehmen ebenso wenig wie einen Zeitplan für den Börsengang. Varo-Chef Roger Brown erklärte nur, dass der Börsengang „in den nächsten Wochen“ vollzogen werden soll. Zumindest bei der Dividende wird Varo offener: 30 bis 50 Prozent der Gewinne sollen an die Aktionäre ausgeschüttet werden.

Varo Energy wurde erst 2012 gegründet. Damals ging mit Petroplus ein großer Ölverarbeiter Pleite, der Raffinerien in ganz Europa besaß. Vitol, das täglich sieben Millionen Barrel Öl handelt, gründete damals gemeinsam mit AtlasInvest Varo Energy, und kaufte mit diesem Unternehmen die Schweizerische Raffinerie in Cressier von Petroplus.

Seitdem hat Varo ein rasantes Wachstum hingelegt, vor allem über Zukäufe. Lagen die Umsätze 2015 noch bei 7,6 Milliarden Dollar, waren es im vergangenen Jahr schon 13,4 Milliarden Euro. Das Ebitda stieg von 305 auf 371 Millionen Euro.

Heute liegt die Ölverarbeitungskapazität des Unternehmens bei 165.000 Barrel pro Tag, 97.000 Barrel davon allein dank der Bayernoil-Raffinerie. Varo besitzt zudem 144 Verteilstationen und 232 Endkundenstationen wie Tankstellen.

Der Zeitpunkt für den IPO könnte kaum gelegener kommen, auch wenn die Volatilität an den Weltbörsen Anfang Februar mit Kursrutschen zurückgekehrt ist. Viele Energieaktien sind derzeit im Aufwind. Wegen des Ölpreisverfalls zwischen 2014 und 2016 ist der Aktienboom der vergangenen Jahre an ihnen vorbeigegangen.

Zuletzt hat sich Öl aber wieder deutlich verteuert. Wegen starker Nachfrage und den Markteingriffen der Opec und zehn weiterer Staaten, die täglich auf 1,8 Millionen Barrel ihrer Förderung verzichten, hat sich der Ölpreis seit seinem Tief im Jahr 2016 auf nun gut 65 Dollar je Barrel (à 159 Liter) mehr als verdoppelt.

Evy Hambro, der Leiter des Rohstoffteams beim weltgrößten Vermögensverwalter Blackrock, sagte jüngst im Gespräch mit dem Handelsblatt: „Es überrascht mich sehr, dass der Markt noch so zurückhaltend gegenüber Rohstoffproduzenten ist.“ Er geht davon aus, dass die Konzerne in puncto Börsenwert deutlich zulegen werden.

Vortrefflich erwiesen sich nicht zuletzt die Margen im Ölverarbeitungsgeschäft, die bei manchen Treibstoffen laut Daten von IHS Markit zwischen drei und acht Dollar liegen. IHS-Markit-Experte Spencer Welch spricht angesichts dessen von einem „kleinen goldenen Zeitalter der Raffinerien“.

Von dieser Stimmung könnte auch Varo profitieren. Bloomberg zufolge schätzen Insider den Wert der Schweizer auf 2,5 Milliarden Dollar. Damit läge der Börsengang über dem Wert des Midstream-Geschäfts mit unter anderem Pipelines und Raffinerien von BP, das Ende vergangenen Jahres in den USA aufs Parkett gebracht wurde. BP Midstream Partners kam auf einen Wert von 1,9 Milliarden Dollar.

Der Börsengang ermögliche Varo laut ihrem Chef Roger Brown mehr „finanzielle Flexibilität“ und die Möglichkeit weiter zu wachsen. In der jüngsten Vergangenheit übernahmen die Schweizer allen voran kleine Akteure mit einem starken regionalen Vertriebsnetz, nicht zuletzt in Deutschland. Diese Strategie möchten Brown in Zukunft fortsetzen. Angepeilt ist in der mittleren Frist, die das Unternehmen nicht genauer definiert, ein jährliches Wachstum im hohen einstelligen Prozentbereich.

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