Ölpreis Verbraucher spüren den Preisanstieg

Zwei Wochen vor dem Beginn der ersten Sommerferien hat der Ölpreis abermals die 50-Dollar-Marke geknackt. Doch dieses Mal könnte sich er länger über dieser Marke halten. Die Szenarien der Experten.

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Ein Mitarbeiter eines Heizöllieferanten bereitet die Betankung eines Mehrfamilienhauses mit Heizöl vor. Ölprodukte haben sich seit Januar verteuert. Quelle: dpa

Singapur Die Ölpreise haben ihren Steigflug der vergangenen Tage am Donnerstag fortgesetzt und neue mehrmonatige Höchststände erreicht. Ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent zur Lieferung im August kostete am Morgen bis zu 52,86 US-Dollar, für ein Fass der amerikanischen Sorte West Texas Intermediate (WTI) zur Lieferung im Juli mussten bis zu 51,67 Dollar gezahlt werden. Brent kostet damit so viel wie letztmalig im Oktober 2015, WTI ist so teuer wie zuletzt im Juli 2015. Im Tagesvergleich ergeben sich Zuwächse von etwas mehr als dreißig Cent.

Als Ursache für den Preisanstieg machten Ölhändler den schwächelnden Dollarkurs aus sowie Produktionsausfälle in Venezuela, Nigeria und Kanada. Hinzu kamen neue Lagerdaten aus den USA und Meldungen über neue Waldbrände in Kanada. In Kanada sahen sich demnach einige Ölförderer gezwungen, aufgrund neuer Brandherde ihre Produktion wieder einzustellen. In den USA sind die Rohölbestände nach Zahlen vom Mittwoch zum dritten Mal in Folge gefallen. Die amerikanische Ölförderung stieg dagegen erstmals seit mehreren Wochen an.

Schon im Mai war Öl mit einem Durchschnittspreis von 47,74 Dollar je Barrel viel teurer als im Januar, als der Preis sogar unter 30 Dollar fiel. Das war der tiefste Stand seit einer Dekade. Seitdem ging es stetig aufwärts; allein von April auf Mai verteuerte sich Öl um mehr als zehn Prozent.

Von einem nachhaltigen Trend mögen die vorsichtigen Forscher vom Hamburgischen Weltwirtschaftsinstitut (HWWI) dennoch nicht sprechen. „Das waren zum Teil auch besondere Einflüsse“, sagt HWWI-Energieexperte Leon Leschus. So wüteten in Kanada wochenlang schwere Waldbrände und brachten die Ölförderung oder den Transport stellenweise zum Erliegen.

Die Verbraucher in Deutschland spüren den Preisanstieg an der Tankstelle oder beim Heizölkauf. Ölprodukte haben sich seit Januar verteuert, aber sie sind immer noch günstiger als vor einem Jahr. So kosten 100 Liter Heizöl in dieser Woche gut 52 Euro (bei Abnahme von 3000 Litern, inkl. MwSt).

Vor einem Jahr war die gleiche Menge elf Euro teurer. Ähnlich ist es beim Benzin: Der aktuelle Preis für einen Liter Super E10 beträgt im bundesdeutschen Durchschnitt ungefähr 1,32 Euro; vor einem Jahr waren es noch 1,44 Euro je Liter.


Die Szenarien der Experten

„Niemand kann genau vorhersagen, wie die Preise in einigen Wochen zum Sommerferienstart sein werden“, sagt Alexander von Gersdorff vom Mineralölwirtschaftsverband (MWV) in Berlin. „Im langjährigen Durchschnitt befinden sich die Preise weiterhin auf vergleichsweise niedrigem Niveau.“ Auch während der Ferien könnten die Preise sinken. „Der globale Benzin- und Dieselmarkt richtet sich nicht nach den Urlaubszeiten einiger deutscher Bundesländer, sondern nach den weltweiten Angebots- und Nachfragebedingungen auf der Produktmärkten.“

Doch wie geht es weiter auf dem Ölmarkt? Die Gemeinde der Experten ist gespalten. Die einen verweisen auf diverse Risiken: In Nigeria wurde die Ölförderung wegen Unruhen zurückgefahren und die Förderleistung erreichte den niedrigsten Stand seit 22 Jahren. Venezuela versinkt in wirtschaftlichem Chaos und schafft es nicht mehr, sein Öl aus dem Boden zu holen.

Und die Ölförderer in den USA ziehen sich nach und nach zurück, weil sie mit weit höheren Preisen kalkuliert hatten und finanziell nicht mehr durchhalten. Dazu komme eine wieder steigende Ölnachfrage aus China.

Auf der anderen Seite steht das Lager der Ökonomen, die damit rechnen, dass sich die Ölpreise wieder zurückbilden. Sie verweisen auf die Förderung aus dem Iran nach dem Ende der Sanktionen. Das bringt allein zusätzliche 3,7 Millionen Barrel pro Tag zusätzlich auf der Angebotsseite. Zudem bleibt die Opec bei ihrer teuren Strategie, die Förderung nicht zu drosseln, sondern die Wettbewerber über den Preis niederzukonkurrieren. Damit bleibt tendenziell das Überangebot auf dem Weltmarkt bestehen.

„Es gibt noch eine dritte Möglichkeit: Dass sich der Ölpreis noch einige Zeit ungefähr auf dem aktuellen Niveau hält“, sagt HWWI-Forscher Leschus. Er glaubt: Der Ölpreis ist durch die Ölförderung der USA quasi gedeckelt. Sobald der Preis steigt, weiten die US-Förderer ihre Produktion aus - und dämpfen so den Preis wieder. So halten die USA den Ölpreis dauerhaft im Zaum.

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