Pictet-Halbjahresausblick „Die Risiken sind eindeutig gestiegen“

Der Chefstratege von Pictet Asset Management glaubt an eine Fortsetzung des globalen Bullenmarktes - trotz der bevorstehenden Trendwende bei der Geldpolitik. Er rät den Anlegern, in relativen Strategien zu denken.

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Kleiner Plastikbulle im Handelssaal der Frankfurter Börse: Der Aufschwung am Aktienmarkt geht weiter, auch wenn Rücksetzer wahrscheinlich sind. Das erwartet Luca Paolini, Chefstratege der Vermögensverwaltung Pictet Asset Management. Quelle: dpa

Die wirtschaftliche Lage ist besser als vor einem Jahr. Dennoch ist das Aufwärtspotenzial für die Aktienmärkte begrenzt. So lässt sich die Einschätzung von Luca Paolini, Chefstratege der Vermögensverwaltung Pictet Asset Management, kurz zusammenfassen. „Wir werden weiterhin einen Bullenmarkt erleben, aber die Risiken sind eindeutig gestiegen“ betonte er am Mittwoch bei einer Pressekonferenz in Frankfurt.

So erwartet Paolini zwar, dass die globalen Aktienmärkte in den nächsten fünf Jahren um vier Prozent pro Jahr wachsen werden – vor allem weil die Konjunktur weltweit rund läuft. Zwischenzeitlich sieht er aber Korrekturen von zehn Prozent als wahrscheinlich an. Dafür sprechen die baldige Kehrtwende in der Geldpolitik, die vergleichsweise hohen Bewertungen und politische Risiken rund um die Neuwahlen in Italien.

Zuversichtlich stimmt den Anlageprofi, dass wir „erstmals seit langem einen weltweit synchronisierten Konjunkturaufschwung sehen, der vor allem von der Eurozone und den Schwellenländern getragen wird.“ Nach der Präsidentschaftswahl in Frankreich, die der europafreundliche Emmanuel Macron für sich entscheiden konnte, wollen nun viele Anleger in Europa investieren. Für die Eurozone spricht auch, dass die Wirtschaft dort momentan stärker wächst als die der USA.

Zwar schränkt Paolini ein, dass der Konsum etwas nachlässt. Dafür ziehen aber die Investitionsausgaben an. Positiv sei auch, dass die Unternehmensgewinne in allen Regionen im ersten Quartal sehr stark gestiegen sind. Die Firmen hätten nun Geld, um zu investieren.

Zugleich warnt der Experte, dass viele Investoren derzeit sehr positiv gestimmt sind. „Sie wissen zwar, dass Aktien teuer sind, sehen aber keine Anlagealternativen. Die Schwankungen sind derzeit extrem niedrig, viele Anleger haben keine Absicherungsstrategien aufgebaut.“ Das alles mache einen Rücksetzer in den nächsten drei bis sechs Monaten wahrscheinlich.

Vor allem weil es durchaus Risiken für die Märkte gibt. Diese gehen unter anderem von der Geldpolitik aus: „Wir werden in den nächsten Monaten und Jahren eine Trendwende sehen – nicht nur bei der US-Notenbank Fed, sondern auch bei der Europäischen Zentralbank“, meint Paolini. Schon bald werde die Geldpolitik nicht mehr extrem locker, sondern nur noch locker sein. Erste Anzeichen hierfür könnte es nach der Sitzung des EZB-Rats an diesem Donnerstag geben.

Ökonomen teilen diese Einschätzung: „Zur Jahresmitte 2017 nehmen die Anzeichen für den Beginn eines weltweiten geldpolitischen Normalisierungsprozesses zu“, betont Stefan Bielmeier von der DZ Bank. Die US-Notenbank spiele den Vorreiter: „Sie hat bereits mit leichten Zinserhöhungen begonnen und in den kommenden Monaten wird auch mit mehr Klarheit darüber gerechnet, wie sie sich die Reduzierung der Bilanzsumme vorstellt.“ Und auch aus der EZB sieht er erste Signale kommen, dass die Diskussion um einen Ausstieg aus dem Anleihekaufprogramm bald beginnen könnte.

Laut den Berechnungen von Pictet-Mann Paolini könnten die Aktienmärkte um fünf bis zehn Prozent korrigieren, wenn die globalen Notenbanken im nächsten Jahr anfangen, ihre durch die Anleihekäufe aufgepumpten Bilanzen zu reduzieren.


Vor allem US-Aktien hält der Anlageprofi für teuer.

Ein weiteres, sogar noch größeres Risiko für Investoren sieht Paolini unterdessen in den hohen Bewertungen – vor allem in den USA: „Das Kurs-Gewinn-Verhältnis von US-Aktien liegt heute bei 18. Die Relation kann vielleicht noch auf einen Wert von 25 steigen. Wir erwarten aber, dass das KGV in den nächsten fünf Jahren auf 15 zurückfällt.“

Vieles spreche daher für Europa. „Sollten die Neuwahlen in Italien im September stattfinden, könnte aber auch wieder etwas Unsicherheit entstehen“, mahnt Paolini. Denn voraussichtlich dürfte keine Partei die Mehrheit bekommen, wichtige Reformen würden dadurch hinausgezögert.

Wegen der Risiken nicht Aktien zu investieren, hält Paolini dennoch für falsch. „Anleger sollten momentan nicht entscheiden, ob sie in Aktien investieren oder nicht. Derzeit ist es besser, in relativen Strategien zu denken“, rät er – und gibt folgende Beispiele: Europäische Aktien bevorzuge er gegenüber US-Aktien. Asiatische Aktien seien billiger als lateinamerikanische. Und bei den Sektoren würde er Tech-Aktien reduzieren und stattdessen auf defensive Werte aus den Bereichen Telekommunikation und Pharma setzen.

Und wer in Anleihen investieren will, sollte Paolini zufolge Unternehmensbonds nicht aus den Industrieländern, sondern aus den Schwellenländer auswählen: „Sie sind von der Bewertung her attraktiver, die Inflationsraten sind nicht deutlich höher als in den entwickelten Ländern und viele Staaten haben wichtige Reformen eingeleitet.“ Zudem rechnet er damit, dass der Dollar schwächer wird, was ebenfalls gut für die Schwellenländer ist.

Daneben beobachtet Pictet aber auch ein gestiegenes Interesse vieler Investoren an alternativen Investments. Besonders gute Aussichten auf die nächsten fünf Jahre prognostiziert Paolini dabei für Private Equity und vor allem für Gold.

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