Plus500 und Atlético Madrid 140.000 Börsenzocker und das Champions-League-Finale

Die israelische Online-Handelsplattform Plus500 ist Trikotsponsor des Champions-League-Finalisten Atlético Madrid. Das Unternehmen ist eine Gewinnmaschine, wird aber oft für aggressives Marketing kritisiert.

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Top-Star Fernando Torres (links) und Mitspieler: Atlético Madrid spielt am Samstag im Finale der Champions League gegen Real Madrid. Quelle: Reuters

London/Frankfurt/Tel Aviv Geld war knapp – genau wie der Platz in einem Appartement, das die sechs Freunde direkt nach ihrem Studium an der Technischen Universität in Haifa anmieteten, um dort zu arbeiten. Ihre Ambitionen waren dafür umso größer: „Wir wollten ein Produkt mit einer Nutzeroberfläche schaffen, die anders und vor allem deutlich besser sein sollte als das, was es damals schon gab“, erzählt Gal Haber, einer aus der Gruppe, acht Jahre später, „und das möglichst aus eigener Kraft und nicht mithilfe klassischer Wagniskapitalgeber“. Die Idee für Plus500 war geboren, eine Onlineplattform, auf der Kleinanleger ähnlich wie Profis Finanzprodukte handeln und mit sogenannten Differenzkontrakten – kurz CFDs – auf Kursveränderungen etwa bei Aktien oder Währungen wetten können.

Am Samstag steht die Firma im globalen Rampenlicht. Wenn Atlético Madrid gegen den Lokalrivalen Real Madrid in Mailand zum Champions-League-Finale aufläuft, prangt das Plus500-Logo auf der Brust der Atlético-Spieler. Seit Sommer vergangenen Jahres ist das Unternehmen Hauptsponsor der Spanier. Und das vergangene Finale sahen weltweit rund 360 Millionen Menschen. Die kleine Wohnung aus den Anfangsjahren hat das israelische Unternehmen nicht erst damit längst verlassen. Inzwischen ist Plus500 in London an der Börse gelistet und in Europa, Australien sowie in Teilen von Asien und des Nahen Ostens aktiv. Etwa 250 Millionen Euro Umsatz machte die Firma im vergangenen Jahr und dabei rund 86 Millionen Euro Gewinn. Da sind die geschätzt mehreren Millionen Euro für die prominente Werbefläche leicht zu zahlen.

„Es gibt noch sehr viel Raum für uns, um organisch zu wachsen – etwa in Ländern wie Großbritannien und Deutschland“, sagt Haber im Gespräch mit dem Handelsblatt. Der Mitgründer war lange Vorstandsvorsitzender von Plus500, bis er jetzt im Frühjahr zurücktrat. Der Chef des australischen Plus500-Ablegers ist sein Nachfolger. Haber bleibt aber im Topmanagement des Unternehmens, das zuletzt 140.000 aktive Kunden hatte.

Das Wetten mit Differenzkontrakten gewinnt seit einigen Jahren an Beliebtheit, auch wenn es umstritten ist. Der CFD-Verband in Deutschland zählte im vergangenen Jahr rund 71 Millionen CFD-Transaktionen. Das ist ein Plus von rund 33 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Verbraucherschützer warnen seit Jahren vergeblich vor den Risiken der Differenzkontrakte und vergleichen den CFD-Handel mit dem Besuch eines Spielcasinos: Auch dort ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass man seinen Einsatz langfristig komplett verliert.

Ursprünglich waren CFDs ein rein britisches Phänomen. Um dort die Börsenumsatzsteuer – auch Stempelsteuer genannt – zu umgehen, entstand die Idee für Kursdifferenzgeschäfte. Dabei erwirbt der Käufer eines CFD für beispielsweise 100 Aktien eines Unternehmens diese nicht wirklich. Vielmehr bleiben sie Eigentum einer Bank oder eines Maklers. Inzwischen gibt es CFDs nicht nur auf Aktien, sondern auch auf Aktienindizes und Rohstoffe, Devisen und Anleihen.

Was CFDs so riskant und gleichzeitig auch populär macht, ist ihr sogenannter Hebeleffekt. Der Kunde hinterlegt als Sicherheitsleistung nur einen Bruchteil des gesamten Kaufpreises des Basisprodukts. Entwickelt sich seine Wette wie geplant, wird ihm der gesamte Kursgewinn gutgeschrieben. Umgekehrt trägt er aber auch das volle Kursrisiko, wenn die Sache anders ausgeht. Übersteigt der Verlust die Sicherheitsleistung, muss der Anleger sofort nachzahlen.


Ärger mit der britischen Finanzaufsicht

Selbst überraschende Entwicklungen wie die Aufwertung des Schweizer Franken zum Euro schadeten der Begeisterung für CFDs offenbar nicht, obwohl das eine ganze Reihe von Händlern auf dem falschen Fuß erwischte. Als die Schweizerische Nationalbank im Januar vergangenen Jahr die Kursgrenze zum Euro aufhob, legte der Franken kräftig zu. Das bescherte manchen Händlern sechsstellige Verluste.

Plus500 gehörte damals nicht dazu. Dafür kämpfte das Unternehmen aber im vergangenen Jahr an einer anderen Front: mit der britischen Finanzaufsicht FCA und einer genaueren Prüfung der Plus500-Geschäftspraktiken durch die Behörde. Das ließ den Aktienkurs massiv einbrechen. Das Unternehmen hat die Konten aller britischen Kunden eingefroren und muss inzwischen mehr Unterlagen als zuvor von seinen Nutzern verlangen, damit diese ihre Identität eindeutig nachweisen und Plus500 Auflagen im Kampf gegen Geldwäsche erfüllt. Der Regulierer hat zudem verlangt, dass die Firma mehr Mitarbeiter einstellt, die sich um die Einhaltung der Regeln der guten Unternehmensführung kümmern.

„Wir haben unsere Lektion aus dieser Sache gelernt“, sagt Haber. Dass es bei dem britischen Ableger überhaupt so weit kommen konnte, erklärt er mit der fehlenden Erfahrung des alten Plus500-Managements auf der Insel. Die entscheidenden Führungskräfte habe man inzwischen ausgetauscht und zusätzliche Leute eingestellt, die mindestens zwanzig Jahre Erfahrung in der Branche haben.

„Wir haben das, was wir in Großbritannien gelernt haben, auch auf andere Teile des Geschäfts übertragen“, betont Haber. Wie viel ihn die Überprüfung des britischen Geschäfts und die Folgen gekostet haben, will er nicht genau sagen. Nur so viel: Man habe Millionen in das Geschäft gesteckt, um die Prozesse zu verbessern.

Die britische Finanzaufsicht FCA hatte im vergangenen Jahr auch massiven Einfluss auf eine andere Entwicklung, die sich bei Plus500 abzeichnete. Die israelische Softwarefirma Playtech wollte den CFD-Anbieter übernehmen, gab den Plan aber am Ende auf. Die Aufsichtsbehörde hatte Playtech signalisiert, dass sie die Übernahme wohl nicht absegnen würde.

Aus Großbritannien heraus bietet Plus500 auch in Deutschland seine Dienste an. Dominiert wird der deutsche Markt aber von den Branchenriesen CMC Markets und IG. Auch die Commerzbank-Tochter Comdirect mischt beim lukrativen CFD-Geschäft mit.

In Großbritannien ist Plus500 eigenen Angaben zufolge auch nach der FCA-Prüfung die Nummer zwei im CFD-Geschäft. Was Plus500 nach Ansicht der Nutzer von anderen Konkurrenten unterscheidet, ist eine technische Plattform, die als besser verständlich und einfacher zu bedienen gilt. Was Gal Haber und seine Studienfreunde sich bei der Gründung des Unternehmens vornahmen, haben sie in dem Punkt offenbar erreicht. Die technische Seite sei auf das Allernotwendigste reduziert, räumt ein Konkurrent ein. Gepaart mit dem aggressiven Marketing des Unternehmens sei das aber eine unheilvolle Kombination, denn es locke Kunden mit wenig Ahnung vom Finanzmarkt und den damit verbundenen Risiken in das Geschäft.

Haber wehrt sich gegen die Kritik. Alle Konkurrenten würden ähnliche Marketingmethoden nutzen. Dass man sein Ziel erreicht habe und eine Nutzeroberfläche geschaffen habe, die anders ist als die der Wettbewerber, quittiert er durch einen kurzen Vergleich mit Atlético Madrid: „Gute Teamarbeit der Gründer – so ähnlich wie bei dem spanischen Fußballverein.“ Der bestünde auch nicht aus einzelnen Stars, sondern aus einem guten Team. Wie weit das den Verein in der Königsklasse des Fußballs bringt, wird sich am Samstagabend zeigen.

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