Seit dem Sommer haben sich die Ölpreise mehr als halbiert, die Ölproduzenten mussten an den Börsen – entgegen dem allgemeinen Aufwärtstrend – herbe Rückschläge einstecken. Seit Juni sind die Aktienkurse um fast 30 Prozent eingebrochen. Bleibt der Rohölpreis niedrig, könnten stark auf Pump finanzierte Ölförderer in echte Schwierigkeiten geraten.
Wir haben uns im Ölsektor nach attraktiven Investments umgesehen und dabei insbesondere auf tadellose Bilanzen und die Betriebskosten geachtet. Bei den ganz Großen wurden wir bei Royal Dutch Shell und Chevron fündig, desgleichen bei Occidental Petroleum und EOG Resources sowie bei Schlumberger, dem Primus unter den Ölserviceunternehmen.
Der Ölpreis für ein Fass der Sorte Brent liegt nahe der 50-Dollar-Marke, gut halb so hoch wie vor einem Jahr. Weitere heftige Schwankungen sind wahrscheinlich. Aktuell werden die Aktien aber wohl nicht nur vom Ölpreis getrieben. In Phasen, in denen der Ölpreis weiter fiel, erholten sich die Kurse der genannten Unternehmen zeitweise. Das könnte daran gelegen haben, dass Leerverkäufer, die mit geliehenen Aktien auf fallende Kurse gesetzt hatten, doch kalte Füße bekamen und sich eindecken mussten. Oppenheimer-Analyst Fadel Gheit warnte in einer E-Mail dennoch davor, sich bei niedrigen Kursen zu einem Einstieg verführen zu lassen: „Bei den gegenwärtigen Ölpreisen sind auf Basis historischer Daten alle Ölaktien überbewertet, ihre aktuellen Kurse basieren auf einem Ölpreis von 70 bis 80 Dollar.“
Meilensteine der Ölpreisentwicklung
Die ersten gewinnbringenden Erdölbohrungen finden Mitte des 19. Jahrhunderts statt. In dieser Zeit entstehen auch die ersten Raffinerien. Bis 1864 steigt der Ölpreis auf den Höchststand von 8,06 Dollar pro Barrel (159 Liter); inflationsbereinigt müssen damals im Jahresdurchschnitt 128,17 US-Dollar gezahlt werden. In den folgenden Jahrzehnten bleibt der Preis auf einem vergleichsweise niedrigen Level, fällt mitunter sogar, bedingt etwa durch den Erfolg der elektrischen Glühlampe, durch die Öl im privaten Haushalt nicht mehr zur Beleuchtung nötig ist.
Mit dem Erfolg des Automobils zu Beginn des 20. Jahrhunderts steigt die Öl-Nachfrage rasant; speziell in den USA, wo der Ford Modell T zum Massenprodukt wird. 1929 fahren insgesamt 23 Millionen Kraftfahrzeuge auf den Straßen. Der Verbrauch liegt 1929 in den Staaten bei 2,58 Millionen Fass pro Tag, 85 Prozent davon für Benzin und Heizöl. Die Preise bleiben allerdings weiter unter fünf Dollar pro Fass (nicht inflationsbereinigt), da auch mehr gefördert wird.
In den 30er Jahren kommt die Große Depression, die Unternehmenszusammenbrüche, Massenarbeitslosigkeit, Deflation und einen massiven Rückgang des Handels durch protektionistische Maßnahmen zur Folge hat. Während der Weltwirtschaftskrise verringert sich die Nachfrage nach Erdöl und der Preis sinkt auf ein historisches Tief. 1931 müssen bloß noch 0,65 Dollar pro Barrel gezahlt werden (inflationsbereinigt etwa zehn US-Dollar). So billig sollte das schwarze Gold nie wieder sei.
Nachdem sich die Weltkonjunktur erholt hat, steigt der Preise für Öl wieder, bleibt aber konstant unter fünf Dollar pro Barrel. Für die Jahre zwischen dem Ersten Weltkrieg und der Ölkrise im Herbst 1973 spricht man deshalb vom „goldenen Zeitalter“ des billigen Öls.
In den 70er und 80er Jahren kommt der Ölpreis in Bewegung. Als die Organisation der erdölexportierenden Länder (Opec) nach dem Krieg zwischen Israel und den arabischen Nachbarn im Herbst 1973 die Fördermengen drosselt, um politischen Druck auszuüben, vervierfacht sich der Weltölpreis binnen kürzester Zeit. Zum Ende des Jahres 1974 kostet ein Barrel über elf Dollar (inflationsbereinigt fast 55 US-Dollar). Dies bekommen auch Otto-Normal-Bürger zu spüren: In Deutschland bleiben sonntags die Autobahnen leer, in den USA bilden sich Schlangen vor den Tankstellen.
Während der zweiten Ölkrise in den Jahren 1979/1980 zieht der Ölpreis nach einem kurzfristigen Rückgang weiter an. Ausgelöst wird dies im Wesentlichen durch Förderungsausfälle und Verunsicherung nach der Islamischen Revolution. Nach dem Angriff Iraks auf Iran und dem Beginn des Ersten Golfkrieg explodieren die Preise regelrecht. Auf dem Höhepunkt im April 1980 kostet ein Barrel 39,50 Dollar (inflationsbereinigt 116 Dollar).
Die 80er und 90er Jahre sind – abgesehen von dem kurzzeitigen Anstieg verursacht durch den Zweiten Golfkrieg – eine Phase niedriger Ölpreise. Die Industriestaaten befinden sich in einer Rezession und suchten aufgrund vorhergehenden Ölkrisen mit besonders hohen Preisen nach alternativen Energiequellen. Weltweit gibt es Überkapazitäten. Während der Asienkrise 1997/1998 sinkt die Nachfrage weiter. Ende des Jahres 1998 werden 10,65 Dollar pro Barrel verlangt.
Nach Überwindung der Krise wachsen die Weltwirtschaft und damit auch der Ölbedarf schnell. Selbst die Anschläge auf das World Trade Center 2001 sorgen nur für einen kurzen Rücksetzer. Anfang 2008 steigt der Ölpreis erstmals über 100 US-Dollar je Barrel, Mitte des Jahres sogar fast auf 150 Dollar. Ein Grund für den Preisanstieg wist der Boom des rohstoffhungrigen China, mittlerweile zweitgrößter Verbraucher der Welt.
Die globale Finanzkrise und eine schwächelnde Konjunktur sorgen für einen Rückgang der Nachfrage. Gleichzeitig bleibt das Angebot durch die massive Förderung in den USA (Fracking) hoch. Die Folge: Der Ölpreis bricht ein. Ab Sommer 2014 rutscht der Preis für Brentöl innerhalb weniger Monate um rund 50 Prozent auf 50 Dollar. Erst im Februar 2015 erholte sich der Ölpreis leicht und schwankt um die 60 Dollar je Barrel.
Im Mai 2015 hatten sich die Ölpreise zwischenzeitlich erholt. Die Sorte Brent erreichte mit einem Preis von 68 US-Dollar je Barrel ein Jahreshoch. Von da aus ging es bis September des Jahres wieder steil bergab auf 43 Dollar. Nach einer Stabilisierung zwischen September und November nahm der Ölpreis seine wieder Talfahrt auf. Am 15. Januar hat der Ölpreis die 30-Dollar-Marke unterschritten.
Wo geht der Ölpreis hin?
Zugegeben: Das Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage, das die Talfahrt der Rohölpreise ausgelöst hat, wird sich in naher Zukunft vermutlich auch nicht verringern. Dank eher schwacher Weltkonjunktur wird die Nachfrage nach Öl 2015 langsamer als gewohnt wachsen, beim Angebot aber ist kein Anzeichen für einen Rückgang zu erkennen. Saudi-Arabien hat seine Produktion trotz rückläufiger Preise aufrechterhalten und bietet Kunden sogar Rabatte. Das Land will der Welt offenbar zeigen, dass es immer noch Preise und verfügbare Mengen diktiert.
Es gibt auch kaum Signale für eine baldige Verringerung der US-Produktion, die in den vergangenen sechs Jahren um 90 Prozent zugelegt hat. Analysten erwarten vor 2016 jedenfalls keinen Rückgang. Bis dahin werden wohl einige riskanter aufgestellte Unternehmen entweder aufgeben müssen oder übernommen werden.
Bei kleineren Ölexplorern und -produzenten „wettet man auf deren Überlebensfähigkeit“, meint Christian Ledoux, Leiter der Aktienanalyse bei South Texas Money Management. „Von diesen werden viele nicht in der Lage sein, die Exploration profitabel zu betreiben.“
Fünf Kandidaten
Es gibt aber auch Grund zum Optimismus. Edward Morse von der Citigroup prognostiziert 90 Dollar als neue Höchstmarke für den Ölpreis, nachdem dieser Wert jahrelang dessen Untergrenze dargestellt hat. Auch andere erwarten wieder eine Preiserholung und rechnen in den kommenden zwei Jahren mit einem durchschnittlichen Ölpreis von 70 bis 75 Dollar. Die meisten Schieferprojekte, aus denen etwa die Hälfte der US-Produktion stammt, sind bei Ölpreisen von 70 Dollar gerade noch profitabel, einige werden aufgeben müssen, was das Angebot wieder drückt.
Denken wir langfristig: Die großen Ölwerte könnten vor einer Trendumkehr nochmals fallen. Bei den derzeitigen Kursniveaus bieten sie Anlegern aber dennoch günstige Einstiegsmöglichkeiten.