Der Konzern müsse sich „der neuen Realität niedriger Preise“ anpassen, sagte BP-Vorstand Bob Dudley bei der Vorstellung der Quartalsergebnisse. Und wie BP ergeht es in diesen Tagen vielen großen Ölfirmen.
Es hagelte regelrecht Hiobsbotschaften. In den vergangenen Tagen gaben unter anderem die Schwergewichte BP, Shell, Exxon Mobil sowie zuvor Chevron, ConocoPhillips oder der amerikanische Ölfelddienstleister Schlumberger ihre Geschäftszahlen für das vierte Quartal 2014 bekannt. Schlechte Nachrichten waren zu erwarten, weil der Ölpreis allein in diesen drei Monaten um rund 30 Prozent gefallen war. Dementsprechend finster fielen auch die Prognosen und Gegenmaßnahmen der Ölbranche aus.
Die Halbierung des Ölpreises seit Juni 2014 schlug nun in Berichten zum Schlussquartal 2014 voll durch. Projektverschiebung, Investitionskürzung und Neuausrichtung: Die Ölbranche steht unter Sparzwang. Der britische Ölkonzern BP etwa tritt auf die Kostenbremse, nachdem er im letzten Quartal des Jahres beunruhigende 4,4 Milliarden Dollar Verlust hinnehmen musste.
Meilensteine der Ölpreisentwicklung
Die ersten gewinnbringenden Erdölbohrungen finden Mitte des 19. Jahrhunderts statt. In dieser Zeit entstehen auch die ersten Raffinerien. Bis 1864 steigt der Ölpreis auf den Höchststand von 8,06 Dollar pro Barrel (159 Liter); inflationsbereinigt müssen damals im Jahresdurchschnitt 128,17 US-Dollar gezahlt werden. In den folgenden Jahrzehnten bleibt der Preis auf einem vergleichsweise niedrigen Level, fällt mitunter sogar, bedingt etwa durch den Erfolg der elektrischen Glühlampe, durch die Öl im privaten Haushalt nicht mehr zur Beleuchtung nötig ist.
Mit dem Erfolg des Automobils zu Beginn des 20. Jahrhunderts steigt die Öl-Nachfrage rasant; speziell in den USA, wo der Ford Modell T zum Massenprodukt wird. 1929 fahren insgesamt 23 Millionen Kraftfahrzeuge auf den Straßen. Der Verbrauch liegt 1929 in den Staaten bei 2,58 Millionen Fass pro Tag, 85 Prozent davon für Benzin und Heizöl. Die Preise bleiben allerdings weiter unter fünf Dollar pro Fass (nicht inflationsbereinigt), da auch mehr gefördert wird.
In den 30er Jahren kommt die Große Depression, die Unternehmenszusammenbrüche, Massenarbeitslosigkeit, Deflation und einen massiven Rückgang des Handels durch protektionistische Maßnahmen zur Folge hat. Während der Weltwirtschaftskrise verringert sich die Nachfrage nach Erdöl und der Preis sinkt auf ein historisches Tief. 1931 müssen bloß noch 0,65 Dollar pro Barrel gezahlt werden (inflationsbereinigt etwa zehn US-Dollar). So billig sollte das schwarze Gold nie wieder sei.
Nachdem sich die Weltkonjunktur erholt hat, steigt der Preise für Öl wieder, bleibt aber konstant unter fünf Dollar pro Barrel. Für die Jahre zwischen dem Ersten Weltkrieg und der Ölkrise im Herbst 1973 spricht man deshalb vom „goldenen Zeitalter“ des billigen Öls.
In den 70er und 80er Jahren kommt der Ölpreis in Bewegung. Als die Organisation der erdölexportierenden Länder (Opec) nach dem Krieg zwischen Israel und den arabischen Nachbarn im Herbst 1973 die Fördermengen drosselt, um politischen Druck auszuüben, vervierfacht sich der Weltölpreis binnen kürzester Zeit. Zum Ende des Jahres 1974 kostet ein Barrel über elf Dollar (inflationsbereinigt fast 55 US-Dollar). Dies bekommen auch Otto-Normal-Bürger zu spüren: In Deutschland bleiben sonntags die Autobahnen leer, in den USA bilden sich Schlangen vor den Tankstellen.
Während der zweiten Ölkrise in den Jahren 1979/1980 zieht der Ölpreis nach einem kurzfristigen Rückgang weiter an. Ausgelöst wird dies im Wesentlichen durch Förderungsausfälle und Verunsicherung nach der Islamischen Revolution. Nach dem Angriff Iraks auf Iran und dem Beginn des Ersten Golfkrieg explodieren die Preise regelrecht. Auf dem Höhepunkt im April 1980 kostet ein Barrel 39,50 Dollar (inflationsbereinigt 116 Dollar).
Die 80er und 90er Jahre sind – abgesehen von dem kurzzeitigen Anstieg verursacht durch den Zweiten Golfkrieg – eine Phase niedriger Ölpreise. Die Industriestaaten befinden sich in einer Rezession und suchten aufgrund vorhergehenden Ölkrisen mit besonders hohen Preisen nach alternativen Energiequellen. Weltweit gibt es Überkapazitäten. Während der Asienkrise 1997/1998 sinkt die Nachfrage weiter. Ende des Jahres 1998 werden 10,65 Dollar pro Barrel verlangt.
Nach Überwindung der Krise wachsen die Weltwirtschaft und damit auch der Ölbedarf schnell. Selbst die Anschläge auf das World Trade Center 2001 sorgen nur für einen kurzen Rücksetzer. Anfang 2008 steigt der Ölpreis erstmals über 100 US-Dollar je Barrel, Mitte des Jahres sogar fast auf 150 Dollar. Ein Grund für den Preisanstieg wist der Boom des rohstoffhungrigen China, mittlerweile zweitgrößter Verbraucher der Welt.
Die globale Finanzkrise und eine schwächelnde Konjunktur sorgen für einen Rückgang der Nachfrage. Gleichzeitig bleibt das Angebot durch die massive Förderung in den USA (Fracking) hoch. Die Folge: Der Ölpreis bricht ein. Ab Sommer 2014 rutscht der Preis für Brentöl innerhalb weniger Monate um rund 50 Prozent auf 50 Dollar. Erst im Februar 2015 erholte sich der Ölpreis leicht und schwankt um die 60 Dollar je Barrel.
Im Mai 2015 hatten sich die Ölpreise zwischenzeitlich erholt. Die Sorte Brent erreichte mit einem Preis von 68 US-Dollar je Barrel ein Jahreshoch. Von da aus ging es bis September des Jahres wieder steil bergab auf 43 Dollar. Nach einer Stabilisierung zwischen September und November nahm der Ölpreis seine wieder Talfahrt auf. Am 15. Januar hat der Ölpreis die 30-Dollar-Marke unterschritten.
Der niedrige Ölpreis trifft weite Teile der Weltwirtschaft. Die Sanktionen gegen Russland, einen der größten Erdölproduzenten weltweit, halfen dem Ölpreis auch nicht auf die Sprünge. Vielmehr sorgen die unverändert hohe Ölfördermenge der OPEC-Länder sowie der Fracking-Boom in den USA für ein Überangebot an Öl.
Gleichzeitig ist die weltweite Nachfrage aufgrund der schwachen Konjunktur – etwa in Europa und Schwellenländern wie Brasilien und China – gesunken, die Rohstofflager sind voll. Aber mit einem Preissturz dieser Größenordnung und in diesem Tempo hatten offenbar nicht einmal die Profis der Branche gerechnet. Die gesamte Ölbranche ist vom harschen Preisrückgang bei Öl überrumpelt worden.
Einstiegschancen bei Ölaktien
Aktien aus der Ölindustrie sind dementsprechend auf Talfahrt gegangen und zeichneten sich in den vergangenen Monaten zudem durch starke Schwankungen aus. Mit den Quartalszahlen sollten jedoch die düsteren Aussichten der Hersteller in den Börsenkursen weitgehend berücksichtigt sein. Zudem waren die gemeldeten Gewinnrückgänge und Prognosen teilweise weniger schlimm, als von Analysten befürchtet, die Kurse zogen bereits wieder deutlich an. Insbesondere für strategische Langfristanleger mit etwas Mut bietet sich somit eine gute Basis für die Suche nach günstigen Kaufgelegenheiten. Einige Ölkonzerne haben nämlich weit mehr zu bieten, als hohe Gewinnmargen in Zeiten des Konjunkturhochs. Profianleger schätzen sie gleich aus mehreren Gründen.
Auch wenn alternative Energiequellen auf dem Vormarsch sind, ist es immer noch das Öl, das auf unserem Planeten für Bewegung sorgt. Der weitaus größte Teil der Fördermenge fließt in die Treibstoffherstellung. Öl ist für Autos, Heizungsanlagen und die Kunststoffhersteller unentbehrlich. Öl ist daher ganz klar ein zyklisches Investment: Zieht die weltweite Konjunktur an, steigt die Nachfrage am Ölmarkt spürbar. Aktien der Ölindustrie zählen daher zu den Klassikern, auf die Profis gern im Konjunkturtief setzen, wenn sie noch günstig sind.
Dividende ist Trumpf
Noch wichtiger – gerade in diesen Niedrigzinszeiten - sind aber die meist hohen Ausschüttungen an Aktionäre. Viele Branchenschwergewichte verwöhnen ihre Aktionäre schon traditionell mit einer hohen, meist jährlich steigenden Dividende, Unternehmen wie Exxon, Chevron, ConocoPhillips oder auch der kanadische Ölsandförderer Suncor Energy zahlen seit mindestens 25 Jahren ihre Dividende. Es gelang ihnen sogar, sie in den meisten Jahren zu erhöhen. Durch die gesunkenen Aktienkurse haben sich die Dividendenrenditen nun schon rechnerisch erhöht, bei einigen Ölkonzernen stieg sie zeitweise bis in den zweistelligen Prozentbereich.
Auch nachdem sich der Ölpreis zuletzt wieder erholt und die Verluste seit Jahresbeginn wieder wettmachen konnte, liegen die Ausschüttungen immer noch häufig oberhalb von fünf Prozent (siehe Chartgalerie). Die meisten Ölriesen haben auch in vergangenen Krisen an einer hohen Ausschüttung an die Aktionäre festgehalten und diese teilweise auch nach Gewinneinbrüchen noch erhöht.
Fakten zum Rohölpreis
Die Fachleute unterscheiden zwischen Reserven und Ressourcen. Reserven sind Rohstoffe, die mit heutigen Mitteln wirtschaftlich gefördert werden können, also zum Verbrauch zur Verfügung stehen. Ressourcen sind weitere Vorkommen eines Rohstoffs in der Erdkruste, die aber noch nicht zugänglich sind. Die Ölreserven betragen, je nach Quelle, ungefähr 220 bis 240 Milliarden Tonnen, davon etwa ein Fünftel aus unkonventionellen Quellen wie Schieferöl und Ölsände. Den bisherigen Verbrauch seit Beginn des Ölzeitalters beziffert die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) auf 175 Milliarden Tonnen.
Bei heutigem Verbrauch noch mehr als 50 Jahre. Die Nachfrage und der Verbrauch werden jedoch in den nächsten Jahrzehnten zunehmen. Öl ist mit einem Anteil von einem Drittel der wichtigste Energieträger. Damit hat es zwar relativ an Bedeutung verloren; vor 40 Jahren hat Öl noch fast die Hälfte des weltweiten Energieverbrauchs abgedeckt. Aber der Energieverbrauch steigt weltweit weiter an und damit auch der Ölverbrauch. Nach der Prognose von BP erhöht er sich bis 2035 von heute 90 auf 109 Millionen Barrel pro Tag. Andere Prognosen sind niedriger, die Internationale Energie-Agentur (IEA) rechnet mit 104 Millionen Barrel bis 2040.
Da streiten die Gelehrten. Es gibt zwei Denkschulen. Die Anhänger der Peak-Oil-Theorie gehen davon aus, dass bei konventionellem Öl bereits das Fördermaximum erreicht ist und nur mit teuren unkonventionellen Methoden wie Fracking von Ölschiefer und Förderung von Ölsänden noch Produktionssteigerungen möglich sind. „Nur Nordamerika trug in den Jahren seit 2005 überhaupt zu einer Steigerung der globalen Ölförderung bei. Ohne Berücksichtigung der USA und Kanada ist die Welt bereits seit neun Jahren auf dem Ölfördergipfel“, heißt es auf einer Internet-Seite der Peak-Oil-Fraktion. Sie sieht stark steigende Ölpreise bereits vor 2020 voraus.
Die Peak-Oil-Theorie hat eher an Zustimmung verloren; auch weil ihre Befürworter den Zeitpunkt für den Ölgipfel schon mehrfach verschieben mussten. „Die Dinge stehen nicht still in der Energieindustrie“, sagt Daniel Yergin, einer der weltweit führenden Ölexperten. Durch technische Innovation könnten immer neue Ressourcen entwickelt und zu förderbaren Reserven werden. Für jedes geförderte Fass Öl würden so 1,5 neue Fässer den Reserven hinzugefügt. Yergin erwartet, dass sich die Ölförderung gegen Mitte des Jahrhunderts auf einem Plateau befindet, ehe dann die Förderung und die Nachfrage langsam nachgeben.
Der Wissenschaftler Leonardo Maugeri hat bereits 2012 eine Ölschwemme und fallende Preise ab 2015 vorhergesagt, weil die Kapazitäten zur Ölförderung auf der Angebotsseite erheblich ausgeweitet würden. „Der Schiefergas-Ölboom in den USA ist keine Blase, sondern die wichtigste Revolution im Ölsektor seit Jahrzehnten“, schrieb er in einer Studie. Es gebe enorme Mengen von konventionellem und unkonventionellem Öl, das zum Teil noch gar nicht entdeckt sei. Ein Fördergipfel, ein Peak-Oil, sei nicht in Sicht. So ist es gekommen. Es gibt Öl im Überfluss und die Preise sind verfallen. Das Förderkartell Opec hat sich vorläufig selbst aus dem Spiel genommen und will den Ölhahn nicht mehr zudrehen. Sondern ganz marktwirtschaftlich versuchen, seine Kostenvorteile bei der Förderung auszuspielen.
Kurzfristig ist der Ölpreis einer Vielzahl von verschiedenen Einflüssen ausgesetzt, von Kriegen oder Krisen über Handelsembargos und Finanzspekulation bis hin zu Naturkatastrophen und Wetterverhältnissen. Diese kurzfristigen Preisschwankungen kann niemand vorhersehen. Mittelfristig erwarten die meisten Experten eine Periode mit eher gemäßigten Preisen und gut versorgten Märkten für mehrere Jahre. Es gibt allerdings auch Gegenstimmen, die bereits jetzt Rohöl für deutlich unterbewertet halten und vor einem Preisanstieg warnen, etwas bei den Bankanalysten. Die BGR vertritt einen mittleren Kurs. Erdöl, so die Behörde, sei der einzige Energierohstoff, bei dem sich eine Limitierung abzeichnet.
Es kommt für Anleger also darauf, sich die Rosinen herauszupicken und diese Aktien möglichst günstig einzusammeln. Die Chance für Anleger besteht nun gleich in zwei Aspekten:
Bodenbildung beim Ölpreis
Zum einen sind die Kurse der Ölaktien schon deutlich gesunken, viele schlechte Nachrichten und Zahlen aber bereits berücksichtigt. Bildet der Ölpreis einen Boden, sollte das auch den Ölaktien gelingen. Das wäre die beste Voraussetzung für kräftige Kursgewinne, zumal die Ölkonzerne mit ihren Sparmaßnahmen das Ziel verfolgen, selbst bei einem derart niedrigen Ölpreis noch gut verdienen. Sind die Sparmaßnahmen erfolgreich, wirkt ein steigender Ölpreis wie ein Gewinnbeschleuniger und erhöht direkt die Marge der Ölförderer.
Für eine Erholung der Ölbranche spricht auch die Einschätzung von Experten, dass billiges Öl einen starken belebenden Effekt für die Konjunktur hat – etwa, weil für Unternehmen, die auf den Rohstoff Öl angewiesen sind, die Herstellungskosten sinken und mehr Geld für Investitionen bleibt. Autofahrern bleibt angesichts der niedrigen Benzinpreise gleichzeitig mehr Geld für Konsum, der die Konjunktur ebenfalls belebt. Die gesamte Transport- und Logistikbranche sowie Fahrzeughersteller profitieren.
"In einem Jahr rechnen wir mit einem Ölpreis oberhalb von 70 Dollar je Barrel", sagt Eugen Weinberg, Rohstoffexperte bei der Commerzbank. "Die Nachfrage nach Öl wird weiter steigen. Sie tut es bereits jetzt. Der niedrige Ölpreis wird den Absatz von Autos beschleunigen. In den USA stieg die Zahl der zugelassenen Neufahrzeuge im Januar bereits um 14 Prozent. Dabei ist insbesondere der Absatz von Geländewagen gestiegen." Laut Weinberg sei das bereits ein Zeichen dafür, dass die niedrigen Spritpreise in den USA als nachhaltig angesehen werden. Eine ähnliche Markreaktion erwartet er auch für Europa und China.
Was den Ölpreis bestimmt
Der Ölbedarf hängt stark von der Konjunktur ab. Mit zunehmenden Wirtschaftswachstum steigt auch der Ölverbrauch. So ist der Bedarf nach Öl in den boomenden Schwellenländern China, Indien und Russland in den vergangenen Jahren massiv gestiegen und hat diese Länder zu den größten Ölverbrauchern der Welt gemacht. Hinzu kommen saisonale Einflüsse, etwa vor dem Winter mit steigendem Heizölbedarf oder der so genannten „Driving Season“ in den USA, weil dann der Benzinverbrauch sprunghaft steigt.
Der Ölpreis hat kaum Auswirkungen auf die Nachfrage, da der Ölverbrauch bei steigendem Ölpreis nicht einfach so eingeschränkt werden kann – man spricht von einer preisunelastischen Nachfrage.
Der Verbund der Erdöl fördernden Länder spricht sich regelmäßig bezüglich der Fördermenge ab, was natürlich Auswirkungen auf den Ölpreis hat. Sollten sich vor allem die arabischen Länder auf ein Senkung der Fördermenge einigen, verknappt dies das Angebot und treibt den Preis für Rohöl.
Erdöl ist grundsätzlich ein knappes Gut, aber es herrscht auch viel Unsicherheit darüber, wie lange die Vorkommen reichen. Hinzu kommt, dass mit steigendem Ölpreis auch der Abbau nur zu höheren Produktionskosten abbaubarer Ölvorkommen eher lohnt, z.B. die Ölgewinnung aus Ölschiefer, Ölsand oder durch Tiefsee-Bohrungen. Außerdem neigen die großen Raffinerien ebenso wie Staaten dazu, ihre Lagerhaltung auszuweiten, wenn der Ölpreis starken Schwankungen unterliegt. Stocken diese Marktteilnehmer ihre Lagerbestände massiv auf, sorgt die erhöhte Nachfrage kurzfristig für neue Preishochs.
An den Börsen wird Öl in Form von Terminkontrakten gehandelt. Die Marktteilnehmer kaufen also Öl, das erst zu einem späteren Zeitpunkt zum vereinbarten Preis geliefert wird. Vom Spotpreis wird gesprochen, wenn es sich um kurzfristige Terminkontrakte handelt, bei denen das Öl innerhalb von zwei Wochen geliefert wird. Längerfristige Terminkontrakte können auch für Spekulanten attraktiv sein.
Der US-Dollar ist die Standardwährung im Rohstoffmarkt. Eine Änderung des Dollar-Kurse hat somit Einfluss auf die Ertragslage des Erdölexporteurs. Auf Staatenebene spielt dabei eine Rolle, wie viele Güter in der Handelsbilanz stehen, die in Dollar bezahlt werden. Die erdölexportierenden Länder haben daher Interesse daran, bei einem fallenden Dollarkurs die Exportpreise für Erdöl etwa durch Angebotsverknappung anzuheben.
Auf der anderen Seite dürfte das Ölangebot im gleichen Zeitraum sinken oder zumindest gleich bleiben. Vor allem beim Fracking in den USA sinkt die Fördermenge. "Die Strategie der OPEC scheint aufzugehen. Vom Hoch im Herbst ist die Anzahl aktiver Ölbohrungen in den USA bereits um ein Viertel gesunken. Im Grunde ist der Fracking-Boom schon wieder vorbei", konstatiert der Rohstoffexperte.
Aber auch Weinberg glaubt nicht, dass es in den kommenden zwölf Monaten mit dem Ölpreis nur noch aufwärts geht. "Eine kurzfristige Prognose ist aufgrund der starken Schwankungen viel schwieriger. In einem Monat könnte der Ölpreis bereits wieder unter die 50-Dollar-Marke gesunken sein", so Weinberg.
Sparen geht vor Dividendenkürzung
Zum anderen glänzen viele Ölkonzerne wie erwähnt mit üppigen Dividenden. Etliche Ölaktien haben zwar massive Kursverluste erlitten, sich aber nach Veröffentlichung der Quartalsergebnisse schon spürbar erholt, weil die meisten Analysten und Profi-Investoren Schlimmeres befürchtet hatten. Zudem reagierte die Börse positiv auf die angekündigten Sparmaßnahmen, die mittelfristig das Rohölangebot einschränken sollten.
Da die Aktienkurse gesunken sind, sind die Dividendenrenditen schon rechnerisch gestiegen - sofern die erwartete Dividende auch gezahlt wird. Die Dividende aber ist den Konzernlenkern der Ölindustrie besonders wichtig. Shells Vorstandschef Ben van Beurden sagte: „Die Ausschüttung ist bei Shell Teil der Kultur. Ich werde alles tun, um sie zu schützen.“ Auch Chevron zahlt seit 27 Jahren eine Dividende - und hat sie bislang jedes Jahr ein wenig angehoben. Um sie zu halten, hat Chevron Sparmaßnahmen wie etwa Projektverschiebungen angekündigt.
Für Anleger müssen auch nicht zwingend auf Aktien sein. Auch Fonds auf den europäischen Stoxx Oil & Gas oder seinen breiter diversifizierten Stoxx 600 Oil & Gas können für Langfristanleger attraktiv sein. Ebenso können sie direkt auf die Ölpreisentwicklung setzen. „Anleger, die auf eine zukünftige Erholung des Ölpreis setzen, können mit einem Zertifikat auf den Brent Crude Öl Future profitieren“, empfiehlt etwa Frank Krekel von der Vermögensverwaltung Unikat. „Des weiteren können Unternehmen wie Royal Dutch Shell, BP und Total für Anleger mit längerem Atem interessant sein. Sie bilden die ganze Bandbreite der Wertschöpfung ab und zeichnen sich in der Regel durch eine gute Dividendenrendite aus.“
Aktienkurse bereinigt
Bei der Nummer eins der Branche etwa, dem US-Konzern Exxon Mobil, brach der Gewinn um 21 Prozent ein. Ohne positive Einflüsse durch verschobene Steuerzahlungen und ein Gerichtsurteil wäre der Gewinn sogar um eine weitere Milliarde Dollar niedriger ausgefallen. Die Produktion ist bei Exxon im gleichen Zeitraum nur um knapp vier Prozent gesunken. So verdiente das Unternehmen im vierten Quartal noch 6,6 Milliarden Dollar.
Der Exxon-Aktie war die Halbierung des Ölpreises kaum anzumerken. Auch die Dividenden flossen in den vergangenen Quartalen zuverlässig und stiegen sogar von Jahr zu Jahr. Unter dem Strich kletterte die Aktie seit dem Beginn des Ölpreiseinbruchs um knapp neun Prozent – wenn auch unter starken Schwankungen.
Auch andere Größen der Branche berichten Unerfreuliches: ConocoPhilips meldet Verluste, der Service-Anbieter für die Ölindustrie Schlumberger streicht 9000 Stellen. Auch Statoil, Chevron, Tullow Oil und Premier Oil bremsen ihre Ausgaben für die Erschließung weiterer Ölfelder. BP friert sogar die Löhne ein. „Wir müssen damit planen, dass der Preis unten ist“, sagte dazu BP-Chef van Beurden. „Wir wissen zwar nicht genau, auf welchem Level, aber sicherlich für ein Jahr. Ich denke, es ist wahrscheinlich, dass wir zwei oder drei Jahre so planen müssen.“ Die angekündigten Maßnahmen führten im Aktienhandel unmittelbar zu einer Kurserholung, weil die Investoren wieder etwas optimistischer in die Zukunft blicken. Gelingt ihre Umsetzung, sollte das den Papieren nochmals Schub verleihen. Weitere Rückschläge und starke Kursschwankungen sind allerdings auch nicht auszuschließen.
Bislang verfehlte bei den Ölgiganten nur Royal Dutch Shell die Erwartungen. Ohne einmalige Sondereffekte und Änderungen in der Lagerhaltung stieg der Gewinn gegenüber dem Vorjahr leicht auf 3,3 Milliarden Dollar. Die Börse reagierte jedoch enttäuscht. Analysten hatten im Durchschnitt mit 4,1 Milliarden Dollar gerechnet. Shell musste bereits vor einem Jahr eine Gewinnwarnung herausgeben und war daher das einzige Unternehmen der Branche, bei dem Analysten nun mit einem Gewinnanstieg gerechnet hatten.
Machtkampf um Öl hinterlässt Spuren
Ölproduzenten planen vorsichtig
Auch Shell will die Ausgaben drastisch kürzen. Allein in den kommenden drei Jahren will der niederländisch-britische Erdölriese seinen Investitionen um 15 Milliarden Dollar reduzieren. 40 Projekte weltweit stehen auf dem Prüfstand. Sollte der Ölpreis länger so niedrig bleiben, könnten weitere Maßnahmen nötig werden, hieß es zur Vorstellung der Quartalszahlen. Schon vor dem Absturz des Ölpreises trennte sich Shell von unrentablen und kostspieligen Projekten, zuletzt von einer petrochemischen Fabrik in Katar und einem Offshore-Projekt in Brasilien.
Sollte Shell-Boss van Beurden Recht behalten und der Ölpreis noch zwei bis drei Jahre niedrig bleiben, wäre jetzt ein guter Einstiegszeitpunkt für längerfristig orientierte Dividendenjäger mit etwas Mut zum Risiko. „In einer solchen Phase sind Ölaktien für uns keine Basisempfehlung, sondern eher etwas für spekulativ orientierte Investoren und Mandanten, die dieses Investmentthema langfristig sehen und bereit sind, noch weitere deutliche Schwankungen in diesem Sektor auszuhalten“, sagt etwa Ralph Rickassel von Packenius, Mademann & Partner.
Europas Ölförderer mit Potenzial
Interessant sind für Anleger zurzeit vor allem die europäischen Ölproduzenten wie die französische Total, die spanische Repsol oder die italienische Eni. Der Vorteil: Sie sind billiger als US-Aktien und haben sich auch noch nicht so stark erholt. Zudem haben sie ihre Heimatbörse in der Eurozone und ersparen dem Anleger somit das Wechselkursrisiko. Britische und US-amerikanische Konzerne sind hingegen durch die Euro-Schwäche hierzulande schon Aufgrund des gestiegenen Wechselkurses teurer geworden und an den US-Börsen ohnehin höher bewertet.
Als i-Tüpfelchen bieten die Euro-Ölproduzenten derzeit die höchsten Dividendenrenditen – bis zu sieben Prozent lauten die Prognosen für das laufende Geschäftsjahr. Unter diesem Aspekt ist auch die norwegische Statoil einen Blick wert. Die Dividendenprognose verspricht eine Rendite von mehr als fünf Prozent, zudem ist das Unternehmen breit aufgestellt und profitiert auch in Zeiten niedriger Ölpreise. Allerdings müssen Anleger das Wechselkursrisiko der norwegischen Krone zum Euro im Blick behalten. Die ist zumindest in jüngster Zeit wieder billiger geworden.