Privatanleger Sehnsucht nach der Volksaktie

Trotz einiger Schwergewichte, die den Sprung aufs Parkett schafften, war das Börsenjahr mau. Anleger werden mit Kleinvieh und Bilanzresten abgespeist. Was Privatanleger wirklich brauchen, ist von ganz anderer Qualität.

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Die Deutschen gelten als ein Volk von Aktienmuffeln. Da ist etwas dran. Laut dem Spar- und Anlageindex der Internetbank Comdirect sind Stand August 2016 16 Prozent der Deutschen in Aktien investiert. Immerhin. Allerdings ging die Quote im September auf elf Prozent zurück. Und laut Bundesbank greifen Privatleute bei der Geldanlage mittelfristig zwar immer mehr auf Aktien, Fonds und Unternehmensanteile zurück. Mittelfristig sollte die Aktienquote in den deutschen Privatportfolios weiter steigen, schließlich lässt sich mit üblichen Anlageformen wie Tagesgeld, Sparbuch, Lebensversicherung & Co. derzeit kaum noch Rendite erzielen. Doch im dritten Quartal ließ die Bedeutung von Aktien bei der Vermögensanlage wieder etwas nach.

Das wurde im ersten Halbjahr aus 100.000 Euro
Platz 20: Aktien VenezuelaDie Börse in Caracas ist winzig, nur wenige Aktien sind dort notiert und die Umsätze liegen oft bei nur ein paar tausend Dollar pro Tag. Internationale institutionelle Investoren meiden venezolanische Aktien. Die Inflation im Land galoppiert, der Versorgungsmangel eklatant, die Währung Bolivar ist auf Talfahrt. Anleger, die im Januar 100.000 Euro in den IBC-Index investierten, haben so jetzt nur noch 54.320 Euro. Im Vorjahr hatten sich die Kurse noch mehr als vervierfacht.  Schlusstand 30.6.2016, Angaben ohne Transaktionskosten. Quelle: Reuters
Platz 19: Aktien ChinaDie Wirtschaft in China macht Anlegern seit über einem Jahr Sorgen. Die Börse stürzte entsprechend weiter ab. Der Leitindex CSI 300, der die 300 größten Aktien Festlandschinas erfasst, brach um 15,6  Prozent ein. Da gleichzeitig der Yuan zum Euro leicht abwertete blieben Anlegern von 100.000 Euro nur 80.900 Euro übrig.  Schlusstand 30.6.2016,  Angaben ohne Transaktionskosten. Quelle: Reuters
Platz 18: Aktien Euro-ZoneDer Jahresauftakt an Europas Börsen war schon ein Horror, dann kam noch das Debakel um den Brexit hinzu. Die Folge: Die Aktien in der Euro-Zone notieren tief im Minus. Wer Anfang des Jahres 100.000 Euro in den Leitindex Euro Stoxx 50 investierte, verfügt angesichts des Minus von 12,3 Prozent jetzt nur noch über 87.670 Euro. Am schlimmsten erwischte es dabei Anleger in Italien – der FTSE MIB 100 Index verlor fast ein Viertel seines Wertes.  Schlusstand 30.6.2016, Angaben ohne Transaktionskosten. Quelle: REUTERS
Platz 17: Britisches PfundInvestoren haben die britische Währung nach dem Brexit-Votum regelrecht heruntergeprügelt. Schon vorher litt es deutlich, am Tag nach der Bekanntgabe des Referendums stürzte es dann zum US-Dollar um bis zu knapp 14 Prozent und zum Euro um mehr als acht  Prozent ab. Zur US-Währung liegt das Pfund auf dem niedrigsten Stand seit über 30 Jahren. Zum Euro liegt das Pfund „nur“ auf dem niedrigsten Stand seit rund zwei Jahren. In diesem Jahr wurden aus 100.000 in Pfund angelegten Euro 88.620 Euro.  Schlusstand 30.6.2016, Angaben ohne Transaktionskosten Quelle: dpa
Platz 16: Aktien DeutschlandAuch Aktienanleger in Deutschland hat bislang kein schönes Jahr. Gleich zu Beginn des Jahres stürzte der Leitindex Dax ab. Danach erholte er sich zwar – machte die Verluste vom Jahresanfang aber nie ganz wett. Der Brexit-Schock setzte dem Dax dann erneut zu. Aus 100.000 im Dax investierten Euro sind innerhalb von sechs Monaten nur noch 90.110 Euro geworden.  Schlusstand 30.6.2016, Angaben ohne Transaktionskosten Angaben ohne Transaktionskosten Quelle: AP
Platz 15: Aktien SchweizAuch die Aktien der Schweiz gingen auf Talfahrt. Der Franken legte dabei zum Euro nur ganz leicht zu. Im vergangenen Jahr hatte er kräftig aufgewertet, nachdem die Schweizerische Nationalbank den Euro-Mindestkurs für den Franken aufgegeben hatte. Von daher machten Anleger mit Franken in diesem Jahr keine Währungsgewinne. Von 100.000 Euro blieben 91.320 Euro übrig.  Schlusstand 30.6.2016, Angaben ohne Transaktionskosten Angaben ohne Transaktionskosten Quelle: Reuters
Platz 14: Aktien GroßbritannienDas Brexit-Votum hat der britische Leitindex rasch verkraftet.  Der Leitindex „Footsie“ war zwar am 24. Juni heftig eingebrochen, holte die kurzfristigen Verluste dann aber wieder auf. Trotzdem sind Experten skeptisch, da wegen des Ausstiegs Großbritanniens aus der EU eine lange Phase der Ungewissheit droht. Dennoch notiert der Footsie auch auf Halbjahressicht 4,2 Prozent im Plus. Da der Euro jedoch zum Pfund kräftig zulegte, machten Euro-Anleger, die ihre Positionen nicht absicherten, einen Verlust von 8,01 Prozent und hatten bei einer Anlagesumme von 100.000 Euro so nur noch 91.990 Euro auf dem Konto.  Schlusstand 30.6.2016, Angaben ohne Transaktionskosten Quelle: Reuters

Das zögerliche Zugreifen an der Börse ist nicht nur der vielleicht typisch deutschen Vorsicht geschuldet. Grund für die Zurückhaltung vieler Anleger am Aktienmarkt ist auch das mangelnde Angebot an Neuemissionen, die sich an breite Anlegerschichten wenden. Und viele Traditionsunternehmen im Dax, wie Banken, Energieerzeuger oder die Autoindustrie machen gerade schlechte Zeiten durch.

In solchen Zeiten steigt die Sehnsucht nach einer Volksaktie, also einem Börsenunternehmen, dessen Aktien sich für Kleinanleger eignen. Dazu gehört eine kleinteilige Stückelung der Anteile bei einem gleichzeitig großen Emissionsvolumen. Zudem müssen die Vertriebskanäle eine transaktionskostenarme Investition zulassen – sprich Provisionen dürften nur eingeschränkt verlangt werden. Genauso wichtig: Das Unternehmen sollte ein stabiles, konjunkturresistentes Geschäftsmodell haben, sich also um die Befriedigung eines Grundbedürfnisses kümmern.

Ein Blick auf die Märkte zeigt, dass Mangelware an Werten herrscht, die alle diese Kriterien erfüllen. Was war in diesem Jahr an der Börse los? Man hatte das Gefühl, dass Anleger mit Bilanzresten und Nischenanbietern abgespeist werden.

So sparen die Deutschen
57 Prozent der Teilnehmer ihr Geld in ein Sparschwein Quelle: dpa
Girokonto Quelle: dpa
Sparbuch Quelle: dpa
Tagesgeld Quelle: dpa
Bausparvertrag Quelle: Fotolia
Lebensversicherung Quelle: dpa
Altersvorsorge Quelle: dpa

Beispiel Va-Q-tec, dessen Name so sperrig ist wie das Geschäftsmodell. Das Unternehmen baut vakuumisolierte Behälter etwa für den Transport temperaturempfindlicher Medikamente oder energiesparende Dichtungen von Gebäuden und Kühlschränken. Typisch deutsch, ein klassischer Technikpionier, spezialisiert bis in die Haarspitzen, aber in vielen Branchen nachgefragt. Der Würzburger Mittelständler hat zwar den Sprung an die Börse geschafft. Ein Achtungserfolg. Obwohl Va-Q-tec mit seiner bisher mauen Profitabilität als Anlageobjekt in die Kategorie "kann man machen, muss man aber nicht" fällt, haben einige Anleger ihr Geld in den Nischenwert gesteckt. Warum? Weil sich ihnen an der heimischen Börse so wenige Alternativen bieten.

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