Prozessauftakt Börsenguru Frick vor Gericht

Seite 2/2

Den Mandanten nannten sie Waldemar

So fühlt man dem Finanzberater auf den Zahn
Nachbarn unterhalten sich Quelle: dpa
Fangfrage 2: "Wenn etwas schief läuft, dann ersetzen Sie mir doch den Schaden?" Solch eine Versicherung gegen Verluste wünscht sich jeder Anleger, doch keine Bank mag das versprechen. Wenn ein Berater sich darauf einlässt, überschreitet er seine Kompetenzen – und will unbedingt etwas verkaufen. Dafür ist ihm jedes Mittel recht, auch eine Fehlinformation an den Kunden. Quelle: dpa
Fangfrage 3: "Welche Produkte brauche ich denn nun?"Gute Berater entwickeln eine Strategie , und sie schauen sich die Vermögens- und Finanzsituation eines Kunden an. Dann reden sie mit ihm über seine Ziele und seine Risikobereitschaft. Einzelne Produkte kommen – wenn überhaupt – immer ganz zuletzt. Berater, die sich sofort darauf einlassen, denken vor allem an ihre Provision. Diese ist häufig davon abhängig, wie viel Produkte in einem bestimmten Zeitraum von ihm verkauft werden. Quelle: dpa
Uhr Zifferblatt Quelle: dpa
Fangfrage 5: "Ich bin risikoscheu und möchte mindestens fünf Prozent Rendite. Das ist doch für Sie kein Problem?" Es sollte ein Problem für Berater sein. Wer diese Frage sofort bejaht, hat sich als unsolide geoutet. Denn fünf Prozent Rendite sind aktuell meist nur mit einem recht hohen Risiko oder anderen Nachteilen zu erzielen. Wer als Anleger gar kein Risiko möchte, muss sich aktuell eher mit einem bis zwei Prozent begnügen – den Konflikt zwischen Risiko und Rendite sollte ein Berater darstellen und nicht schamhaft überspielen. Quelle: dpa
zerrissener Euro-Schein Quelle: dpa
Fangfrage 7: "Ich vertraue Ihnen, das Kleingedruckt ist sicher in Ordnung. Wo soll ich unterschreiben?" Geldanlagen sollten gut überlegt sein. Berater, die ihren Kunden wenig Zeit lassen, wollen ein Gespräch schnell abhaken. Häufig verbergen sie diese Absicht. Durch diese Fangfrage können Anleger dem Berater auf die Schliche kommen. Jeder Berater sollte das Kleingedruckte erklären, und hinterher sollte es der Anleger noch mal lesen. Einfach zu unterschreiben, ist keinesfalls in Ordnung. Quelle: dpa

Michael J. erzählt von sich. Sein Vater starb, als er zehn Jahre alt war, der Bruder kam mit 26 bei einem Motorradunfall ums Leben. 1986 machte er den Hauptschulabschluss, dann eine Bäckerlehre. Er ging zum Bund, sprang Fallschirm, machte einen Metallhandel auf, ging insolvent, bekam zwei Söhne und stieg dann ins Matratzengeschäft ein. Zwischendurch entwickelte er Hundefutter und gründete einen Onlineshop für Tiere, der heute in Wien an der Börse gelistet ist, weil die Berliner Börse die Aktie angeblich nicht listen wollte. Momentan lebe seine Familie von 50.000 Euro im Jahr – vor Steuern. Dem Matratzengeschäft in der Schweiz könne er derzeit leider nicht nachkommen, da er aufgrund der Anklage nicht reisen dürfe. Er sei aber guter Hoffnung, dass es ihm bald wieder erlaubt sei.

Spektakuläre Urteile gegen Anlagebetrüger

Jörg B. ist verheiratet, hat zwei Töchter. Mit 16 schloss er die Hauptschule ab. Er machte eine Ausbildung zum Maurer, ging zum Bund, schulte um und machte in Versicherungen. Er hatte einen Baukonzern mit zwölf Mitarbeitern, irgendwann ging er insolvent. Er baute ein Internetgeschäft auf, stellte Webseiten online, die Kunden kamen zahlreich – auch sein Freund Michael J. Der, erzählt Jörg B., sei 2012 an ihn herangetreten. B. solle Newsletter verschicken, Börsenbriefe und Internetseiten online stellen. 25.000 Euro soll J. ihm dafür einmal in bar gegeben haben. Allein der Auftraggeber, der hinter den Emails gestanden habe, der sei ihm nie bekannt gewesen. Daher habe man den Mandanten intern Waldemar genannt – angelehnt an Valdemort von Harry Potter. Ab und an habe sich aber ein gewisser AKI gemeldet mit Anweisungen, wie weiter zu verfahren sei. Den Inhalt der Börsenbriefe habe er, Jörg B., nie beeinflussen dürfen. Dass AKI womöglich Frick sein könnte, das habe er erst erfahren, als sein Mitangeklagter Michael J. inhaftiert worden sei. Er habe daraufhin dessen besten Freund angerufen, der ihm am Telefon gesagt habe, dass Frick ebenso festgenommen worden sei. Frick schüttelt den Kopf. Und, fährt B. fort: „Eine gewisse Naivität lasse ich mir vorwerfen. Aber der Fokus lag für mich auf der Dienstleistung.“ Dazu habe es auch gehört, Emailadressen auszusortieren. So habe man etwa geschaut, dass Empfänger der Kursraketen24 nicht auch noch den Deutschen Aktiendienst bekommen.

Der Berliner Frick ist vorbestraft: Das Landgericht Berlin hatte ihn im April 2011 wegen verbotener Marktmanipulation in 36 Fällen zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt. Das Urteil ist rechtskräftig. Das Gericht hatte damals mehr als 42,6 Millionen Euro zugunsten der Staatskasse für verfallen erklärt. Dem Berliner Landgericht zufolge hatte Frick zwischen September 2005 und Juni 2007 in Börsenbriefen Aktien empfohlen, ohne seine eigenen wirtschaftlichen Interessen an der Kursentwicklung der Wertpapiere offenzulegen. Über eine Treuhandgesellschaft hielt er die Papiere selbst und verkaufte sie gewinnbringend an Anleger.

Ob Frick nun erneut verurteilt wird, bleibt abzuwarten. Die nächste Verhandlung ist am 5. November.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%