Quartalsberichte Roboter sollen Bilanzzahlen analysieren

Analysten wühlen sich vierteljährlich oft stundenlang durch eine Flut von Quartalsberichten. Künstliche Intelligenz könnte hier künftig aushelfen. Automatisierung wird zum entscheidenden Thema in der Branche.

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Roboter sollen künftig einen Teil der Arbeit von Analysten übernehmen. Quelle: dpa

New York Die Research-Abteilung der amerikanischen Großbank Morgan Stanley testet dieser Tage künstliche Intelligenz, die die Brot-und-Butter-Arbeiten bei der Abdeckung von Konzern-Bilanzzahlen übernehmen soll. Dabei geht es um jene Routineaufgaben, bei denen Analysten sich oft stundenlang durch Pflichtmitteilungen wühlen oder Firmenmanagern bei ihren Ausführungen zuhören müssen.

Die weltgrößte Investmentbank im Aktienhandel produziert in jedem Jahr rund 50.000 Berichte für Kunden. In einigen Fällen handelt es sich dabei lediglich um Zusammenfassungen von Veröffentlichungen. Solche Aufgaben sind vielleicht besser bei Maschinen aufgehoben, meint Simon Bound, der weltweite Research-Chef der Bank.

„Wir können künstliche Intelligenz einsetzen, um die Berichtssaison für Analysten wesentlich effizienter zu gestalten“, sagte Bound in einem Interview mit Bloomberg. „Die Idee ist, bei Analysten Freiräume für wertschöpfende Arbeiten freizuschaufeln und die Gewinnung von Erkenntnissen zu beschleunigen. Sie können dann mehr Zeit mit den Kunden verbringen.“

Dass die Wall Street die neuen kognitiven Technologien mit offenen Armen empfängt, führt bei einigen Finanzprofis durchaus zu Sorgen um die Zukunft ihrer Arbeitsplätze. Aber zumindest auf kurze Sicht wird die künstliche Intelligenz an Stellen wie der Research-Abteilung von Morgan Stanley wahrscheinlich eine willkommene Hilfe sein – nicht zuletzt wohl mit dem Ziel, sich einen Vorsprung gegenüber Analysten bei konkurrierenden Unternehmen zu verschaffen.

Die Vision von Bound ist letztlich, dass Machine-Learning-Software die Pflichtmitteilungen von Firmen durchforstet, grundlegende Berichte schreibt und so den Menschen jedes Mal ein paar Stunden an Zeit spart. Analysten werden die daraus entstehenden Berichte jedes Mal vor der Veröffentlichung noch einmal überprüfen und ihre eigenen kurzen Kommentare hinzufügen, sagte er. Die Programme sollen auch Transkripte von Management-Telefonkonferenzen lesen, um Einsichten und Stimmungsbilder für ihre menschlichen Kollegen zu generieren.

Morgan Stanley entwickelt außerdem einen virtuellen Assistenten für das Research-Portal des Unternehmens. Zunächst können mit diesem einfache Anfragen durchgeführt werden, wie etwa die Beantwortung der Frage nach dem Kursziel von Tesla.

Neue Technologien dürften bei den Investmentbanken Einzug halten und vielen der traditionellen Angestellten rund ein Drittel ihrer derzeitigen Arbeit abnehmen. Das bestätigte auch eine Studie von McKinsey aus dem Sommer.

Automatisierte Prozesse werden laut McKinsey „Kapazitäten freisetzen“ und es Mitarbeitern ermöglichen, sich auf Aufgaben mit höherem Wert zu konzentrieren. Dadurch würden unter anderem neue Ideen entstehen. „Das gewinnt wirklich an Fahrt und wird die Branche in den kommenden zwei bis drei Jahren verwandeln“, erklärte Jared Moon, McKinsey-Partner und einer der Autoren der Studie, seinerzeit in einem Interview mit Bloomberg.

Die Studie von McKinsey deutete gleichzeitig eine mögliche Kehrseite dieses Szenarios an. Banken, die sich der Automatisierung annehmen, werden zwar effizienter, innovativer und flinker. Doch Wettbewerber, die den Wandel verpassen, könnten den Anschluss verlieren.

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