Regulierung in Schanghai und Singapur Droht Asien die Bitcoin-Dämmerung?

Ausgerechnet in Asien, dem größten Markt, wächst die Kritik an Digitalwährungen. Schanghai schließt Börsen, Singapur kappt Konten. Am Freitag endet eine wichtige Frist der Aufseher. Platzt die Bitcoin-Blase?

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In Asien wächst die Kritik an Digitalwährungen wie dem Bitcoin Quelle: dpa

Düsseldorf Von einem Gipfel zum nächsten: Lange schien nichts den Höhenflug des Bitcoins aufhalten zu können. Lag der Kurs der Digitalwährung zu Jahresbeginn noch bei gut 900 Dollar, kratzte er Ende August bereits an der 4900-Dollar-Marke. Unterm Strich stand ein Kursplus von knapp 550 Prozent – und das Erreichen des nächsten Rekordwerts schien nur noch eine Frage der Zeit zu sein. Beobachter sahen den Bitcoin schon bei 6.000 Dollar, Enthusiasten bei noch höheren Marken. Der Kurs kannte nur eine Richtung: nach oben, trotz der Warnungen vor einer möglichen Blase und der Debatte über die Spaltung der Währung.

Seit Anfang September ist die Rally jedoch beendet. Die chinesische Zentralbank hatte am 4. September sogenannte Krypto-Börsengänge (ICOs) für illegal erklärt und die laufenden Finanzierungsrunden gestoppt. Kurz darauf wurden auch die Handelsplattformen im Internet aufgefordert, ihr Geschäft bis zum 30. September einzustellen. Ein kompletter Handelsstopp hätte dramatische Folgen für den Bitcoin-Kurs.

Wie das chinesische Staatsfernsehen CCTV meldet, haben am wichtigen Finanzplatz Schanghai 17 Plattformen bekanntgegeben, den Handel einzustellen – darunter der größte Anbieter BT China. Dieser war 2015 mit einem Anteil von rund einem Fünftel der weltweit zweitgrößte Bitcoin-Handelsplatz. Die ICO-Finanzierungsrunden wurden bereits eingestellt.

Da China als größter Markt für Digitalwährungen und die damit zusammenhängenden Geschäftsmodelle gilt, drückt das Vorgehen der Aufsicht den Bitcoin-Kurs. Von über 4800 Dollar Anfang September ist er zeitweise bis auf 3300 Dollar abgerutscht. Zuletzt notierte ein Bitcoin zwar wieder höher bei rund 3900 Dollar. Sollte der Handel in China aber zum Erliegen kommen, droht ein starker Kursverfall.

Bisher haben die chinesischen Anleger vor allem Buchgewinne verloren. Die Behörden beaufsichtigen die Rückzahlung der in den ICO-Finanzierungsrunden investierten Gelder. Wie das Fachportal „BTC-Echo“ meldet, sollen 90 Prozent aller ICO-Projekte bereits rückabgewickelt worden sein. Die Plattform-Betreiber wurden demnach aufgefordert, bis zum Abschluss des Verfahrens in Schanghai zu bleiben.

Viele Chinesen und ausländische Investoren wehren sich jedoch gegen die Rückgabe ihrer Anteile (der sogenannten Token). Einige sind in der Zwischenzeit so stark im Wert gestiegen, dass ein Verkauf zum Einkaufspreis zumindest auf dem Papier deutliche Verluste mit sich bringt.


Banken kappen Kontoverbindungen

Das rigorose Vorgehen in Schanghai trifft die globale Krypto-Infrastruktur ins Mark. Zwar hat China nicht den Besitz an sich verboten. Die Neuauflage von Währungen ist aber ausgeschlossen – und der Handel mit den bestehenden, allen voran dem Bitcoin, wird ohne Tauschbörsen deutlich erschwert. Sie sind der einfachste Weg für Privatleute, an die digitalen Münzen zu kommen. Für viele ist ein Krypto-Investment aufgrund der chinesischen Kapitalverkehrskontrollen die einzige Chance, sich gegen Schwankungen der Landeswährung Yuan abzusichern. Chinesischen Banken ist ein Krypto-Engagement schon lange untersagt.

Anders ist die Lage in dem Stadtstaat Singapur, einem wichtigen asiatischen Finanzplatz. Viele chinesischen Anleger sind dorthin gewechselt – in der Hoffnung auf ungehinderte Geschäfte, was einen Teil der jüngsten Kurserholung erklärt. Doch plötzlich gehen auch die Banken in Singapur gegen die Krypto-Branche vor, was bei Investoren die Alarmglocken klingeln lässt.

Zahlreiche Firmen aus dem Bereich digitaler Währungen und Zahlungssysteme haben in den vergangenen Tagen eine unangenehme Erfahrung gemacht: Banken aus Singapur haben die bei ihnen bestehenden Konten geschlossen. Zehn von 106 Mitgliedern seien von diesem Schritt betroffen, teilte der Branchenverband Access mit. Was die Situation noch verkompliziert: Die Banken nennen offenbar keinen Grund für die Beendigung der Kundenbeziehung. Auch die „Singapore Fintech Association“ berichtet von ähnlichen Fällen unter ihren 185 Mitgliedern.

Die MAS, die Zentralbank von Singapur, erklärte in einer Mitteilung, sie nehme keinen Einfluss auf die Entscheidung einzelner Banken, Kundenbeziehungen zu beenden. Finanzinstitute müssten aber adäquate Kontrollmechanismen entwickeln, um Geldwäsche und die Finanzierung von Terrorismus zu unterbinden.

Chia Hock Lai, Mitgründer von CoinHako, einer Firma, die digitale Geldbeutel anbietet, vermutet, dass die Vorgaben der Aufsicht zur Vermeidung von Geldwäsche und zur Identifizierung der Kunden das eigentliche Problem ist. Sie hätten zu dem Einfrieren der Firmenkonten geführt. Da seine Firma nicht ins klassische Raster der Finanzaufsicht passe, müsse sie „immer eine Meile mehr gehen, um die Standards der Aufsicht zu erfüllen“. CoinHako kündigte an, keine Ein- und Auszahlungen in Singapur-Dollar mehr vornehmen zu können.

Die aktuellen Probleme seien nur die Spitze des Eisbergs, sagte Anson Zeall, Chef des Branchenverbands Access, der Nachrichtenagentur Bloomberg. Die Krypto-Branche stehe zunehmend unter kritischer Beobachtung: „Es scheint sich um ein häufiges Phänomen in Finanztechnologie-Zentren zu handeln. Wir fordern Singapur auf, hier eine Führungsrolle einzunehmen und eine Problemlösung für alle beteiligten Parteien vorzunehmen.“


Die Zukunft der Regulierung ist offen

Das Vorgehen der chinesischen Behörden und der Banken in Singapur könnte den Ruf Asiens als Krypto-Marktplatz der Welt untergraben. Von den großen Finanzzentren nimmt hier einzig Tokio weiter eine starke Position ein: Der Bitcoin ist in Japan gesetzliches Zahlungsmittel, eingekauft werden kann mit ihm im Onlineshop, bei immer mehr Fachhändlern und der ersten Airline. Aufsichtsbehörden in den USA und Europa beobachten das Experiment genau, ist Tokio doch ein gebranntes Kind: Erst nach dem Zusammenbruch der japanischen Bitcoin-Börse Mt. Cox, bei der Anleger rund 450 Millionen Dollar verloren hatten, begleitet die japanische Finanzaufsicht den Aufstieg der Digitalwährungen mit großer Aufmerksamkeit.

Welche Philosophie sich im globalen Umgang mit Bitcoin, Krypto-Börsengängen und Co. künftig durchsetzt, ist offen. Ingo Fiedler, der an Universität Hamburg zu Kryptowährungen forscht, hat Verständnis für das Vorgehen der chinesischen Behörden: „China möchte vor allem mehr Kontrolle über die Blockchain-Technologie, steht dieser aber an sich sehr offen gegenüber“, erklärt er. „Das Problem sind vielmehr die Börsen, die indirekte Kapitalflucht erlaubt haben, sowie die ICOs, über die Unternehmen sich an der Finanzmarktregulierung vorbei finanziert haben.“

Die Probleme sieht auch Professor Philipp Sandner, Leiter des Blockchain Center der Frankfurt School of Finance and Management: „China und Singapur haben Kryptowährungen zunächst kaum reguliert. Daher sind gerade dort zahlreiche Unternehmen gegründet worden, die neue Kryptowährungen geschaffen haben, teils in einer Weise und in einer Schnelligkeit, dass es plausibel erscheint, jetzt einzugreifen.“

Sandner glaubt nicht, dass die Regulierung den Kryptowährungen den Todesstoß versetzen wird: „Ich denke, dass die Technologie nicht aufzuhalten ist. Länder wie Japan, Dubai, die Schweiz und Luxemburg agieren hier sehr proaktiv.“ Der Professor vermute vielmehr, „dass man in China und Singapur nun in Ruhe eine besonnene Regulierung austüftelt. Dies kostet Zeit, da Schnellschüsse gefährlich sind.“ Schon in einigen Monaten könnten Produkte, die nun ad-hoc verboten wurden, wieder erlaubt werden – „aber in einem geordneten Rahmen“.

Das erwartet auch Zennon Kapron, Geschäftsführer der in Schanghai ansässigen Finanztechnologie-Beratung Kapronasia: „Weltweit haben Aufsichtsbehörden Schwierigkeiten damit, das Modell der ICO und die Risiken dahinter zu verstehen. Sie müssen erst einmal herausfinden, wie man es am besten regulieren kann.“ China habe dem Hype nun einen Riegel vorgeschoben, um in Ruhe regulatorische Maßnahmen einzuführen. „Ich glaube aber, das wird nur ein temporäres Verbot sein.“ Denkbar ist demnach etwa, dass die Volksrepublik den Markt auf wenige ausgewählte Plattformen beschränkt.

Die Zentralbank in Singapur geht bereits in diese Richtung. Sie hat erklärt, ihren Umgang mit den Digitalwährungen überarbeiten zu wollen. Bisher werden diese – im Unterschied zu Japan – nicht gesondert reguliert. „Neue Technologien und Produkte bringen neue Risiken mit sich, die die Finanzindustrie und die Aufsichtsbehörden in den Blick nehmen müssen“, heißt es nun. Im November soll ein „Fintech-Festival“ mit mindestens 10.000 Teilnehmern stattfinden, die Zentralbank forscht an Blockchain-Projekten und einer eigenen Digitalwährung.

„Ein Todesstoß für den Bitcoin sind die Neuigkeiten aus China und jetzt aus Singapur sicher nicht“, sagt Ingo Fiedler. Die Schritte „betreffen ja nur einen Teil des 'Bitcoin-Ökosystems', vor allem die Börsen, die in der Tat strenger reguliert werden sollten.“ Ein dezentrales System wie das des Bitcoins sei flexibel genug, um mit stärkeren Eingriffen der Aufsicht umzugehen.

Am 30. September, wenn die Gnadenfrist für die chinesischen Handelsplattformen abläuft, wird sich zeigen, ob die Sorgen um die Zukunft des Bitcoins berechtigt sind.

(Mit Material von Bloomberg.)

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