Regulierung von Bitcoin und Blockchain Krypto-Lobby legt Forderungen vor

Immer mehr Anleger kaufen Bitcoins. Deutsche Politiker und Aufseher ignorieren die Kryptowährung und ihre Technik oft aber noch. Das soll sich ändern, findet die Branche – und legt jetzt einen Forderungskatalog vor.

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Bitcoin und Blockchain: Krypto-Lobby legt Forderungen vor Quelle: dpa

Düsseldorf Das ging schnell: Ende Juni hatte sich in Berlin der Blockchain-Bundesverband gegründet. Jetzt hat die Vereinigung der Krypto-Branche ihr erstes Positionspapier vorgelegt. Das verkündet nicht weniger als eine neue digitale Revolution und fordert die Politik zum Handeln auf, damit Deutschland aus Sicht des Verbandes nicht wieder ein wichtiges Zukunftsthema verschläft.

Die neue Bundesregierung soll demnach eine Vorreiterrolle in Europa einnehmen, Blockchain-Pilotprojekte starten und – eine für ein Lobbypapier unübliche Forderung – für mehr Regulierung sorgen.

Blockchain ist die Technik, die den Bitcoin, aber auch alle anderen digitalen Währungen möglich macht. Hinter dem Begriff verbirgt sich eine dezentrale, verteilte Datenbank. Diese ist auf Tausenden Rechnern auf der ganzen Welt gespeichert und wird ständig erweitert. Da sie transparent einsehbar ist und alle Transaktionen seit ihrer Auflegung verzeichnet, ist sie praktisch fälschungssicher: Nachträgliche Manipulationen fallen aufgrund der vielen Kopien sofort auf. Das macht die Technik nicht nur für Bitcoin und Co. interessant, sondern auch für viele andere Anwendungen.

Der Blockchain-Bundesverband mit Sitz in Berlin hat knapp 30 Mitglieder, darunter Wissenschaftler, Juristen und zahlreiche Firmen aus dem Bereich Kryptowährungen und Blockchain-Anwendungen. Im gestern Abend veröffentlichten Positionspapier gibt sich die bislang überschaubare Branche selbstbewusst: „Blockchains werden die treibende Kraft hinter dem nächsten Evolutionsschritt des Internets sein, dem Internet der Verträge und Transaktionen“, heißt es. Mit der Blockchain-Technologie könnten Verträge basierend auf Vertrauen und ohne Mittler abgeschlossen werden, was neue Geschäftsmodelle ermögliche.

Doch der hiesige High-Tech-Standort könnte diese Entwicklung verschlafen. „Deutschland hat die Web-2.0-Revolution verpasst, dementsprechend kommen die Global Player nicht aus Deutschland. Durch die Blockchain-Revolution bietet sich nun die Möglichkeit einer zweiten Chance.“ Die Hoffnung: Wenn Google, Apple, Facebook und Amazon schon nicht aus Deutschland kommen, gelingt es ja vielleicht im Krypto-Bereich, einen globalen Marktführer aufzubauen. Damit der nicht in der Schweiz, in Gibraltar oder Singapur heranwächst, müsse Deutschland die Federführung übernehmen.

„Wichtig ist, dass Politik und Aufsichtsbehörden in wichtigen Fragen Rechtssicherheit für die Krypto-Branche herstellen. Selbst wenn das konkretere Regulierung mit sich bringt“, fasst Nina Siedler die Sicht zusammen. Die Berliner Rechtsanwältin mit Schwerpunkt Finance berät zahlreiche Start-ups aus der Branche und hat das Positionspapier mitverfasst. „Als Bundesverband erkennen wir an, dass sich die Branche an alle aufsichtsrechtlichen Vorgaben hält, etwa an Erlaubnis- und Prospektpflichten. In vielen Fällen muss deren Anwendungsbereich aber konkretisiert werden.“

16 Kapitel umfasst das Positionspapier. In ihnen schlägt der Bundesverband teils abstrakte, teils konkrete Maßnahmen vor.


Die Forderungen im Detail

Finanzaufsicht

Als einen ersten Schritt schlägt der Blockchain-Verband die Stärkung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht vor. „Die Bafin hat aktuell einzelne Blockchain-Spezialisten, aber keine dezidierte Blockchain- (oder Krypto-)Abteilung“, heißt es. Die Kapazitäten müssten „deutlich“ aufgestockt werden, „damit Anfragen zeitnah beantwortet werden können.“ Die entsprechende Abteilung der US-Aufsicht SEC etwa beschäftige 25 Mitarbeiter, weitere 90 stünden auf Abruf bereit.

Ein besonderes Augenmerk legt das Papier auf die „Beseitigung von Rechtsunsicherheiten“. Hier verbergen sich die weitreichendsten Forderungen: So müsse die Politik „digitale Wertpapiere“ ermöglichen. Die Nutzung von Papierurkunden, wie im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) immer noch vorgeschrieben, sei nicht mehr zeitgemäß. Bei der anstehenden Umsetzung der EU-Prospektverordnung fordert der Verband einen Freibetrag: Bei öffentlichen Wertpapierangeboten von bis zu acht Millionen Euro soll demnach keine Prospektpflicht gelten.

Steuerrecht

Auch im Steuerrecht fordert der Blockchain-Verband Änderungen: Das Positionspapier fordert das Bundesfinanzministerium auf, „eindeutige Leitlinien zur umsatzsteuer- und ertragssteuerrechtlichen Beurteilung“ bei Transaktionen mit Bitcoin und Co. zu erlassen.

„Viele Anbieter haben Probleme mit der steuerrechtlichen Veranlagung“, erklärt Nina Siedler. So seien einige Krypto-Geschäftsmodelle umsatzsteuerpflichtig, bei elektronischen Dienstleistungen allerdings im Land des Nutzers, während der Unternehmenssitz für die Umsatzsteuer nicht maßgeblich sei. Das stelle die Anbieter vor große Hürden. Ähnliches gelte für die schwer zu fassende Emission einer neuen Kryptowährung. „In vielen Ländern, etwa in der Schweiz oder in Gibraltar, sind die Absprachen mit den Steuerbehörden einfacher“, sagt Siedler. Dort seien auch die Ertragssteuern attraktiver.

Unternehmensrecht

Gründlich reformiert werden muss laut dem Papier auch das Unternehmensrecht. Der Branchenverband fordert eine „Öffnung von Rechtsformen mit beschränkter Haftung“. Die Folge: Anteile an Aktiengesellschaften und GmbHs sollten in Form digitaler Anteilsscheine (sogenannter Token) ausgegeben und auf Plattformen gehandelt werden dürfen.

Der Branchenverband nimmt nicht nur Spezialthemen, sondern auch die gesellschaftliche Entwicklung rund um die Blockchain-Technologie in den Blick. So fordert das Positionspapier unter anderem Bildungsprogramme an Gymnasien, Berufs- und Hochschulen, Datenbank-Pilotprojekte im Energiebereich und im Gesundheitssystem, die Förderung Blockchain-basierter digitaler Signaturen und Verschlüsselungen, ein Blockchain-gestütztes Register für geistiges Eigentum, mehr wissenschaftliche Forschung sowie die testweise Digitalisierung von Kataster-, Bau- und Grundbuchämtern.

Beobachter können dem Papier einiges abgewinnen. Nicolas Biagosch, Experte für Krypto-Assets und Partner des Düsseldorfer Beteiligungs- und Beratungsunternehmens Postera Capital, hat es für das Handelsblatt durchgesehen. „Zu vielen Themenbereichen finden sich vernünftige Vorschläge an die Politik, um die richtigen Rahmenbedingungen zu setzen“, lobt er. „Es ist höchste Zeit, Verständnis für die Technik wecken.“

Klar ist: Der Bitcoin-Verband wird dicke Bretter bohren müssen. Die Branche hat vergleichsweise lange gebraucht, um sich politisch zu organisieren. Und während Japan den Bitcoin zum gesetzlichen Zahlungsmittel erklärt hat, die Zentralbank von Singapur mit einer eigenen Kryptowährung experimentiert und die Schweizer Behörden Start-ups mit offenen Armen empfangen, ist Deutschland Blockchain-Entwicklungsland. Eine politische Debatte über die Chancen und Risiken der Technik steht dem Land erst noch bevor.

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