Riedls Dax-Radar

Dax hat die Chance auf neuen Anstieg

Trotz Notenbank-Irritationen sollte sich der Dax auf dem Niveau um 9400 bis 9500 Punkten wieder stabilisieren. Die robuste Verfassung der US-Märkte ist die wichtigste Stütze.

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DAx Quelle: REUTERS

Die amerikanische Wirtschaft sei, so Janet Yellen, auf guten Weg zu weiteren Zinserhöhungen. Das Wachstum zeigt leicht aufwärts, der Arbeitsmarkt ist robust. Steht damit nun doch eine Zinserhöhung an, nachdem die Fed-Chefin zuletzt eher wieder auf der vorsichtigen Seite war?

Dass Notenbanken in ihren Aussagen nicht einfach zu greifen sind, gehört zu ihrem Repertoire. Berechenbare Werkzeuge wollen und dürfen sie nicht werden – von Teilnehmern an den Wertpapiermärkten schon gar nicht.

Dabei ist Yellens Hin und Her nicht nur Taktik. Die Aufwärtsbewegung der US-Konjunktur ist zwar im Plan, aber dieser Kurs ist offensichtlich nicht so festgemauert, dass es gleich zu einer Zinserhöhung kommen muss. Yellen hält sich das offen – erst recht, nachdem sie mit ihrer ersten Zinserhöhung im Dezember kein so gutes Timing erwischt hatte und es Anfang 2016 zu deutlichen Rückschlägen kam; bei der Konjunktur und an den Wertpapiermärkten.

Ziemlich sicher hingegen ist, dass die amerikanische Notenbank, selbst wenn sie die Zinsen in den nächsten Monaten vor der Präsidentschaftswahl erhöhen sollte, dies nur sehr verhalten tun dürfte. Von einem substanziellen Abwürgen der Konjunktur und der Geldversorgung wird ein solcher Schritt meilenwert entfernt sein. Man könnte auch sagen, dass Yellen durch ihren neuen Hinweis auf Zinserhöhungen ihre Linie vom Dezember fortsetzt, wenn auch mit weitem Spielraum.

Um die EZB wird es immer einsamer

Im Gegensatz zu Janet Yellen, die damit wieder einen Schritt in die Offensive gekommen ist, wird es um Mario Draghi immer einsamer. In ungewöhnlich scharfer Form wurde Draghi vom Chef der Münchener Rückversicherung kritisiert. Sicher, die Assekuranzen leiden besonders unter dem extremen Niedrigzinsen; letztlich steht ihr gesamtes Geschäftsmodell zur Disposition, wenn sie keine sicheren Erträge zu akzeptablen Risiken erwirtschaften können. Die Versicherungen generieren den Löwenanteil ihrer Einnahmen mit Anleihen, und das ist langfristig bei Nullzinsen nicht mehr sichergestellt.

Die kritischen Argumente sind deshalb nicht vom Tisch. Wie sinnvoll sind Null- und Negativzinsen, wenn die Entwicklung in Europa in den vergangenen Jahren keineswegs berauschend war – obwohl die Zinsen einen historischen Sinkflug hinter sich haben? Wo sollen die Zinsen noch hin, wenn es für zehnjährige Bundesanleihen 0,09 Prozent Jahresrendite gibt und die Umlaufrendite (am 5. April) 0,01 Prozent erreicht hat?

Dass sich die EZB mit ihrer Extrempolitik mittlerweile in eine Sackgasse manövriert hat, spiegelt sich auch an den Währungsmärkten wider. Obwohl es für zehnjährige US-Bonds 1,7 Prozent gibt im Gegensatz zu den 0,09 Prozent für Bunds, hält das den Euro nicht wie von der EZB gern gesehen am Boden. Im Gegenteil: Mit 1,14 Dollar rangiert der Euro derzeit sogar am oberen Rand seiner Bandbreite, die er seit gut einem Jahr zwischen 1,05 und 1,15 Dollar ausmisst. Technisch mehren sich sogar die Signale, die für einen weiteren Anstieg des Euros sprechen. Mit welcher Keule will die EZB das dann verhindern?

Deutscher Aktienmarkt in der Defensive

Für deutsche und europäische Aktien ist das ein schwieriges Umfeld. Denn der eigentliche Vorteil niedriger Zinsen wird immer mehr von den damit verbundenen Nachteilen überschattet – vor allem vom Verlust der zentralen Steuerungsfunktion, den die Zinsmärkte eigentlich haben.

Im Dax hat in der vergangenen Woche eine klassische Korrektur eingesetzt. Das ist zunächst nicht negativ zu werten, sondern nach sieben Wochen Bärenmarktrally völlig normal. Allerdings gibt es eine Reihe von Schwächezeichen, die Anleger nicht auf die leichte Schulter nehmen sollten:

Bei seiner Anstiegsphase bis Ende März kam der Dax (im Gegensatz zum Dow Jones) nicht mehr bis an die 200-Tage-Linie heran, die nun auch noch deutlicher nach unten drückt. Eine solche Konstellation ist wie ein Verkaufssignal in einem laufenden Abwärtstrend. Die seit einem Jahr im Dax bestehende Abwärtsbewegung wird damit bestätigt.

Schwäche einzelner Aktien

Im Dax gibt es eine Reihe schwerer Aktien, bei denen seit einem Jahr Kursbilder entstehen, die großen, oberen Wendeformationen sehr ähnlich sehen: etwa Allianz, BASF, Bayer, BMW, Daimler. Sogar der fundamental vielversprechende Überflieger Continental hat sich technisch seit kurzem verschlechtert.

Die offensichtliche Schwäche dieser Aktien muss nicht automatisch den Dax-Zusammenbruch zufolge haben. Dennoch ist es verwunderlich, dass diese Aktien angesichts der guten Geschäftsentwicklung, der hohen Dividende und der latenten Zinslosigkeit am Anleihemarkt eigentlich nicht mehr von Käufen profitieren.

Für die praktische Anlagepolitik bleibt es bei dem vor einer Woche skizzierten Fahrplan: Solange der Dax sich in der aktuellen Korrektur, die Anfang dieses Monats begonnen hat, in überschaubaren Schwankungen über dem Bereich um 9400 hält, ist keine größere Gefahr im Verzug. Dann hätten die Märkte die Chance, sich bis in den Mai hinein zu stabilisieren um danach den nächsten Anstieg zu starten. Die robuste Verfassung der US-Märkte, vor allem des Dow Jones, ist weiterhin die wichtigste Stütze.

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