Während Volkswirte nach der Wahl von Trump überwiegend negativ reagieren, politische Kommentatoren mehrheitlich entsetzt sind, schießt der amerikanische Aktienmarkt, gemessen am Dow Jones, auf ein neues All-Time-High.
Dabei sah es zunächst auch an den Aktienmärkten ganz anders aus – auch an dieser Stelle überwog vor der Wahl die Skepsis gegenüber Trump. Doch nach seinem überraschenden Sieg kam es nicht zu einem Crash, sondern nur zu Turbulenzen. Mehr noch: Im Laufe des Tages zog die Dynamik der Gewinne an. Und mit 18.808 Punkten (Schlusstand 10. November) hat der Dow Jones letztlich ein neues Hoch erreicht.
Ein Aktienmarkt, der einen solchen Verlauf zeigt, obwohl die allgemeine Lage angespannt und unsicher ist, signalisiert enorme Stärke. Und Stärke ist am Aktienmarkt (im Gegensatz zu überschäumender Euphorie) stets ein gutes Zeichen.
Quer durch den Markt geht die Stärke nicht, sie konzentriert sich auf bestimmte Branchen. Besonders gut laufen Banken, weil sich nun die Hoffnung auf weniger Regulierung breit macht; Pharmawerte, weil die Angst vor Clintons Preisdeckelung bei Medikamenten verflogen ist; Bau- und Eisenbahnaktien (die in den USA sogar richtig unter Dampf stehen), die von möglichen Infrastrukturmaßnahmen profitieren; und Rüstungsaktien, die allerdings wahrscheinlich auch unter Clinton kein schlechtes Investment gewesen wären.
Angesichts der Exzentrik von Trump ist es wenig sinnvoll, aus seinen bisherigen Äußerungen ein konzises Wirtschaftskonzept lesen zu wollen und sich als Anleger daran zu orientieren. Diese Lektion haben die Märkte zunächst einmal den Untergangspropheten erteilt.
Andererseits heißt das aber nicht, dass die Trump-Risiken vom Tisch wären: der Protektionismus, das Abwürgen moderner Technologien, die Förderung überkommener Industriezweige, und womöglich der Versuch, sich die Notenbank als politisches Instrument gefügig zu machen.
Trumps wirtschaftspolitische Pläne
Trump will für mehr Wachstum in der US-Wirtschaft sorgen. „Bessere Jobs und höhere Löhne“, lautet eines seiner Kernziele. Der Immobilien-Unternehmer will die Staatsschuldenlast der USA von fast 19 Billionen Dollar abbauen. Er bezeichnet die Schuldenlast als unfair gegenüber der jungen Generation und verspricht: „Wir werden Euch nicht damit alleine lassen“. Defiziten im Staatshaushalt will er ein Ende bereiten.
Trump hat umfangreiche Steuersenkungen sowohl für die Konzerne als auch für Familien und Normalverdiener angekündigt. Er spricht von der größten „Steuer-Revolution“ seit der Reform von Präsident Ronald Reagan in den 1980er Jahren. Wer weniger als 25.000 Dollar im Jahr verdient, soll dank eines Freibetrages künftig gar keine Einkommensteuer mehr zahlen. Den Höchstsatz in der Einkommensteuer will er von momentan 39,6 Prozent auf 33 Prozent kappen. Ursprünglich hatte er eine Absenkung auf 25 Prozent in Aussicht gestellt. Die steuerliche Belastung für Unternehmen will Trump auf 15 Prozent von bislang 35 Prozent vermindern. Das soll US-Firmen im internationalen Wettbewerb stärken. Firmen, die profitable Aktivitäten aus dem Ausland nach Amerika zurückholen, sollen darauf eine Steuerermäßigung erhalten. Die Erbschaftsteuer will der Republikaner ganz abschaffen. Eltern sollen in größerem Umfang Kinderbetreuungs-Ausgaben steuerlich absetzen können.
Trump verspricht, der „größte Job-produzierende Präsident“ der USA zu werden, „den Gott jemals geschaffen hat“. Bereits als Unternehmer habe er Zehntausende neue Stellen geschaffen.
Um amerikanische Arbeitsplätze zu sichern, will Trump die Zölle auf im Ausland hergestellte Produkte anheben und die US-Wirtschaft insgesamt stärker gegen Konkurrenz aus dem Ausland schützen. China, aber auch Mexiko, Japan, Vietnam und Indien wirft Trump beispielsweise vor, die Amerikaner „auszubeuten“, indem sie ihre Währungen zum Schaden von US-Exporten abwerten und manipulieren.
Das angestrebte transatlantische Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU (TTIP) lehnt Trump ab. Für ihn schadet ein freierer Zugang der Europäer zum US-Markt – vor allem zum staatlichen Beschaffungsmarkt – den amerikanischen Firmen. Das geltende Nordamerikanische Freihandelsabkommen Nafta will er neu verhandeln, die TPP-Handelsvereinbarung mit asiatischen Staaten aufkündigen. Trump setzt generell anstatt auf multilaterale Handelsabkommen, etwa im Rahmen der Welthandelsorganisation, auf bilaterale Vereinbarungen mit einzelnen Staaten und Wirtschaftsräumen.
Die Handelsbeziehungen zu China, der nach den USA zweitgrößten Wirtschaftsmacht weltweit, will Trump grundlegend überarbeiten. Er wirft der Volksrepublik vor, ihre Währung künstlich zu drücken, um im Handel Vorteile zu erlangen. Er will das Land daher in Verhandlungen zwingen, damit Schluss zu machen. Auch „illegale“ Exportsubventionen soll die Volksrepublik nicht mehr zahlen dürfen. Verstöße gegen internationale Standards in China sollen der Vergangenheit angehören. Mit all diesen Maßnahmen hofft er, Millionen von Arbeitsplätzen in der US-Industrie zurückzugewinnen.
In der Energie- und Klimapolitik hat Trump eine Kehrtwende angekündigt. Er will die USA von den ehrgeizigen Klimaschutzvereinbarungen von Paris abkoppeln, die Umwelt- und Emissionsvorschriften lockern und eine Rückbesinnung auf fossile Energieträger einläuten: „Wir werden die Kohle retten.“ Die umstrittene Fracking-Energiegewinnung sieht Trump positiv.
Trump verspricht der Wirtschaft eine umfassende Vereinfachung bei den staatlichen Vorschriften. Er werde ein Moratorium für jede weitere Regulierung durch die Behörden verhängen, kündigte er an. Trump will Milliarden in die Hand nehmen, um Straßen, Brücken, Flughäfen und Häfen zu bauen und zu modernisieren. Finanzieren will er das unter anderem dadurch, dass die US-Verbündeten einen größeren Teil an den Kosten für Sicherheit und Verteidigung in der Welt übernehmen sollen.
Es wird Wochen dauern, bis Trumps wirtschaftliches Programm greifbar wird, und Monate, bis absehbar ist, was er davon durchsetzen kann und was nicht. Die Stärke des Dow Jones sollte sich bis dahin als wichtiger Stabilisator für die Anlagemärkte weltweit erweisen und dafür sorgen, dass die großen, nach oben gerichteten Trends intakt bleiben. Bisher gibt es keine Anzeichen dafür, dass sich an dieser Grundrichtung etwas ändert.
Und wer weiß, vielleicht erweisen sich auch die Ängste bezüglich der High-Tech-Aktien als übertrieben. Gut möglich, dass hier letztlich der Pragmatismus der Amerikaner die Oberhand behält – und der Nasdaq-Index nach einigen Wochen relativer Schwäche wieder seinen Aufwärtstrend einschlägt. Ohne Frage, gerade bei den High-Techs wird es spannend bleiben. Mehrmals in den nächsten Wochen dürften sich Anleger fragen, ob sie vor Trump nicht zu viel Angst haben¬¬ - oder ob sie sich ihn andererseits vielleicht nicht schon wieder zu schön reden.
Mehr Gewinner als Verlierer am deutschen Aktienmarkt
Am deutschen Aktienmarkt kam es zwar zu heftigen Turbulenzen, insgesamt aber haben die vor der Wahl gesetzten Grenzen gehalten – im Dax vor allem die wichtige Unterstützungszone um 10.000. Hier verläuft, mittlerweile deutlich steigend, die 200-Tage-Linie, sowie (auf der Zeitachse etwas nach rechts verschoben) der seit Januar bestehende Aufwärtstrend.
Von beiden wichtigen Trendlinien hat der Dax etwas Abstand, ist aber andererseits noch nicht zu weit davon entfernt. Das bedeutet: Der Markt ist stark, aber noch nicht übertrieben gelaufen. Technisch ist das eine ausgesprochen günstige Konstellation, geradezu eine klassische Vorbereitung einer Jahresendrally.
Beim Blick auf die Einzelwerte sieht es ebenfalls nicht schlecht aus. Versicherungsaktien werden weiter von der Aussicht auf das Ende des Zinsverfalls beflügelt, die zuletzt guten Ergebnisse der Allianz heizen die Kurse zusätzlich an. Bei den Banken mischt sich Hoffnung auf weniger Regulierung dazu – wenngleich der substanzielle Einfluss der US-Administration auf europäische Aufsichtsregeln so hoch auch wieder nicht ist.
High-Techs wie SAP und Infineon werden etwas gebremst, nach den bisher hohen Gewinnen ist das zunächst aber kein Problem. Bei den großen Exporteuren BMW, Daimler, Volkswagen halten sich die Folgen bisher in Grenzen. Als Ausgleich für die Unsicherheit am US-Markt kommen derzeit gute Absatzzahlen aus China wie gerufen.
Eine wichtige Hilfe ist dem Dax die Stärke der Siemens-Aktie. Die hat ausgerechnet mit guten Geschäften in Amerika zu tun und der Aussicht auf große Infrastruktur-Aufträge. Kein Wunder, dass Siemens derzeit zu den Unternehmen gehört, die der neuen US-Regierung sehr aufgeschlossen gegenüber stehen. Andererseits liegt darin auch ein Risiko, sollte es zu einer Bevorzugung einheimischer Unternehmen kommen, vor allem des großen Rivalen General Electric. Unterm Strich aber spricht derzeit mehr dafür, dass Siemens zu den Trump-Gewinnern zählt. Fundamental wie technisch ist die Aktie ein Kern-Investment im Dax.
Fazit: Der zwischenzeitliche Anstieg des Dax auf die kurzfristige Obergrenze bei 10.800 als Reaktion auf die Trump-Wahl ist ein gutes Zeichen für die nächsten Wochen. Damit dürfte der Aktienmarkt stark genug sein, die aktuellen Unsicherheiten zu überstehen. Dazu gehört neben der neuen US-Administration auch die Frage, ob es im Dezember zu einer Zinserhöhung in den USA kommt oder nicht. Sollte die US-Konjunktur Schritt halten, wäre es verwunderlich, wenn Janet Yellen nichts unternimmt. Zu den Favoriten einer Jahresendrally zählen derzeit besonders Siemens, Allianz und die Münchener Rück.
Der nächste Dax-Radar erscheint erst wieder in der vierten November-Woche.