Riedls Dax-Radar

Der Euro-Anstieg wird zum Dax-Problem

Europäische und deutsche Aktien sind angeschlagen. Und von der Währungsseite droht sogar neuer Gegenwind.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Eurokurs Quelle: REUTERS

Sieben Wochen hat die Zwischenerholung im Dax angehalten. Am 10. Februar hatte der deutsche Aktienmarkt bei 8696 Punkten sein bisheriges Jahrestief erreicht. Von da aus war es bis auf 10.115 Punkte hinaufgegangen. Nun kommt es in den nächsten Wochen darauf an, dass der Dax von dieser Bärenmarktrally so viel wie möglich verteidigt. Je besser ihm das gelingt, desto höher sind die Chancen für eine nachfolgende, längerfristige Aufwärtsbewegung. Allerdings, dafür ist Geduld gefragt.

Wie schwierig das Umfeld für deutsche Aktien ist, zeigt die Entwicklung in Europa generell. Der Euro-Stoxx-50-Index, von dem Sie in der aktuellen Wirtschaftswoche eine Analyse finden, ist in keiner einfachen Verfassung. Der Euro Stoxx hat zwei zentrale Probleme:

Zum einen wird er dominiert von Banken und ein hohes Gewicht von Versorgeraktien. Beides sind Branchen, deren alte Geschäftsmodelle entweder schon zerstört sind (Versorger) oder schwer in Frage stehen (Banken). Diese innere Schwäche spiegelt sich ganz klar im Index wider.

von Christof Schürmann, Frank Doll, Malte Fischer, Günter Heismann, Matthias Hohensee, Tim Rahmann

Und so hat der Euro Stoxx zum anderen – sein zweites Problem – in diesem Jahr viel deutlicher noch als der Dax ein ernstes Verkaufssignal gegeben, das den gesamten Jahresverlauf überschatten dürfte. Aktuell besteht zum langfristigen Aufwärtstrend gut zehn Prozent Spielraum nach unten.

Natürlich gibt es im Euro Stoxx gerade unter den schweren Aktien langfristige Investmentklassiker wie Anheuser-Busch, Total, Inditex, Sanofi oder L’Oreal. Und die sind, im Gegensatz zu den Banken, sowohl von ihrem Geschäftsverlauf als auch von ihrem großen Kursbild in einer robusteren Verfassung. Doch da gerade diese Aktien analytisch ziemlich hoch bewertet sind, könnten auch hier mittlere Korrekturen anstehen.

Für den Euro Stoxx heißt das: In den nächsten Wochen, wahrscheinlich sogar in den nächsten Monaten, geht es nur darum, wo man als langfristiger, strategischer Anleger sich interessante Werte günstig herauspickt, die dann für die nachfolgende Aufschwungsphase interessant sein könnten. Schnelle Momentum-Gewinne hingegen sind wenig wahrscheinlich. Eine Hilfe für den Dax ist das nicht.

Risiko vom stärkeren Euro

Eine weitere Hypothek für deutsche Aktien zeichnet sich seit einigen Wochen ab: Der Euro ist an den Märkten keineswegs so schwach, wie er von seinen Kritikern gern dargestellt wird. Seit genau einem Jahr hat er gegenüber dem Dollar praktisch nichts mehr verloren. Während es 2014 noch zu einer regelrechten Euro-Baisse gekommen war, von 1,39 Dollar auf 1,05 Dollar, haben sich die Notierungen nun zwischen 1,05 und 1,15 Dollar stabilisiert.

Ginge es allein nach der Analyse des Kursverlaufs, so sähe die gesamte Währungsentwicklung zwischen Euro und Dollar wie ein typischer Doppelboden aus. Ein Anstieg des Euro über 1,15 Dollar hinaus wäre ein klassisches Kaufsignal und hätte ein mittelfristiges Ziel bei 1,25 Dollar, mindestens.

Natürlich gibt es da noch die Notenbanken. So eindeutig aber ist deren geldpolitische Richtung nicht. Während Janet Yellen im Dezember den Versuch startete, die Zinswende einzuleiten (und dabei erst einmal scheiterte), ist das für Mario Draghi offensichtlich überhaupt keine Option. Gerade die jüngsten, überraschend expansiven Schritte, haben selbst im Lager der Freunde des lockeren Geldes für Zweifel gesorgt.

Seit Janet Yellen steigende Zinsen ankündigte steigt der Euro

Auch Janet Yellen ist - angesichts einer vorübergehend etwas moderateren US-Konjunktur und wahrscheinlich wegen der empfindlichen Folgen an den Märkten - wieder von der Wendepolitik abgerückt. Dass es vor der Präsidentschaftswahl im November abermals einen Richtungsschwenk gibt, ist wenig wahrscheinlich.

Bemerkenswert ist die Reaktion an den Währungsmärkten. Denn genau seit Anfang Dezember, als Yellen ihren Wendeversuch startete, drängt der Euro nach oben. Offensichtlich haben die Währungsmärkte schon damals darauf gesetzt, dass es nicht zu einem nachhaltigen Anstieg der US-Zinsen kommt.

Die zehn schrecklichsten Aktien
Platz 10: SKW Stahl-MetallurgiePunkte (gesamt) Performance: -646 Kursentwicklung in Prozent (5 Jahre): -80,2 Punkte (5 Jahre): -405 Kursentwicklung in Prozent (1 Jahr): -4,7 Punkte (1 Jahr): -13 Ende Januar kündigte der Stahlzulieferer eine außerordentliche Hauptversammlung für seine Aktionäre an, nachdem Verluste die Hälfte des Grundkapitals aufgezehrt hatten. Quelle: Presse
Wilex Quelle: Presse
Solarworld Quelle: dpa
Tom Tailor Quelle: Presse
Platz 6: YocPunkte (gesamt) Performance: -724 Kursentwicklung in Prozent (5 Jahre): -94,1 Punkte (5 Jahre): -475 Kursentwicklung in Prozent (1 Jahr): -2,3 Punkte (1 Jahr): -6 Der Anbieter innovativer mobiler Werbeformate musste in den vergangenen Jahren saniert werden und eine Kapitalerhöhung durchführen.
RWE Quelle: dpa
Aixtron Quelle: Presse

Was aber passiert dann erst an den Währungsmärkten, wenn Yellen wieder ganz und gar Abstand vom Wendegedanken nimmt? – Geht dann der Euro durch die Decke?

Genau diese Aussichten dürften dazu beigetragen haben, dass Draghi seit einigen Wochen bei seinen Expansionsschritten noch einmal Tempo gemacht hat. Und sie sind auch der Grund dafür, warum Diskussionen wie negative Zinsen und Bargeldverbot in den nächsten Monaten wieder verstärkt hochkommen dürften. Spätestens wenn der Euro wirklich über die Marke von 1,15 Dollar steigt, sind verbale Interventionen Draghis wahrscheinlich – und Hinweise darauf, welche expansiven Möglichkeiten die EZB noch in ihrem geldpolitischen Werkzeugkasten hat.

Korrektur-Ziele und Chance auf langfristigen Anstieg

Während der Dow Jones seinen Jahresanfangsverlust komplett ausgeglichen hat und sogar schon wieder drei Prozent oberhalb seiner 200-Tage-Linie rangiert (ein klares Stärkezeichen), dreht der Dax weit vor der sinkenden 200-Tage-Linie wieder nach unten­ - ein klassisches Schwächezeichen. Der moderate Konjunkturverlauf in Deutschland und die Aussicht auf weiterhin extrem niedrige Zinsen wirken an den Märkten offensichtlich weniger als die Angst vor einem Euro-Anstieg.

Die Schwäche geht durch den gesamten Markt. Bei den Finanzwerten fiel schon die jüngste Erholung mau aus, Autoaktien als klassische Exportwerte sind seit Wochen angeschlagen, selbst Pharmaklassiker wie Bayer oder Merck zieht es nach unten (wie übrigens derzeit in ganz Europa). Eigene, kurzfristig positive Entwicklungen wie bei der Lufthansa, bei Thyssenkrupp oder Vonovia, spielen für die Gesamtrichtung des Index keine Rolle.

Bei zwei Dritteln der Dax-Aktien verlaufen die Kurse unterhalb der 200er-Linie. Dieses Bild passt zum Szenario einer Korrektur, die nach sieben Wochen Bärenmarktrally nun anstehen dürfte. Wenn man ein genaues Rechenspiel macht und eine 38-Prozent-Korrektur des vorangegangen Anstiegs (539 von 1419 Punkten) ansetzt, ergäbe das vom Top bei 10.115 ein theoretisches Ziel bei 9576. Etwas weiter gefasst könnte man sagen, dass der gesamte Bereich zwischen 9600 und 9400 in den nächsten Wochen nicht unterschritten werden sollte. Wenn (spätestens) hier dem Dax die Stabilisierung gelingt, hätte er dann im zweiten Halbjahr eine reelle Chance, seinen großen Aufwärtstrend fortzusetzen. Geht es – wider Erwarten – unter 9400, dann sieht es schlecht aus für dieses positive Szenario.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%