Riedls Dax-Radar

Die heiße Phase am Aktienmarkt steht bevor

Seit mehr als acht Jahren läuft die Hausse. Niedrige Zinsen und meist gute Unternehmensgewinne signalisieren noch kein abruptes Ende des Kursanstiegs. Risiken gibt es, doch dagegen können sich Anleger wappnen.

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Hausse am Aktienmarkt mit Risiko

Die Europäische Notenbank wird von Beginn des nächsten Jahres an das Volumen ihrer Anleihekäufe halbieren. Die Leitzinsen selbst bleiben unverändert. Beides hatten die Märkte erwartet. Dass sich Draghi aber notfalls sogar wieder eine Ausweitung offenhält, hatten sie so nicht erwartet.

Leider werde der Euroraum noch lange mit einem negativen EZB-Einlagensatz leben müssen, kommentiert Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. In diesem „leider“ steckt die große Enttäuschung vieler Beobachter, dass Draghi wieder einmal nicht die Zinszügel anzieht, sondern das extrem niedrige Zinsniveau zementiert, womöglich sogar auf Jahre hinaus.

Am deutschen Aktienmarkt kam es deshalb am Donnerstag zu einem regelrechten Short-Squeeze, einem Rausdrücken von Baisse-Positionen, weil viele Anleger sich insgeheim wohl doch klarere Signale in Richtung Zinswende erhofft hatten – und nun im Grunde fast das Gegenteil passiert ist.

Die Dax-Favoriten der Woche

Besonders direkt macht sich das an den Währungsmärkten bemerkbar. Der Euro, der noch kurz vor der EZB-Sitzung auf über 1,18 Dollar hochgeklettert war, fiel danach wie ein Stein auf fast 1,16 Dollar. Hätte die EZB nur die Erwartungen bestätigt, hätten die Währungsmärkte nur mit einem Achselzucken reagiert.

Gut möglich, dass der Euro in den nächsten Wochen bis in den Bereich 1,14/1,15 Dollar nachgibt, die Hochspitzen der vergangenen zwei Jahre. Zudem dürften im Gegenzug die Amerikaner nicht an einem zu starken Dollar interessiert sein. Eine große Rolle wird hier die Neubesetzung der Fed-Spitze spielen.

Viele Anleger sehen darin ein Risiko für die Märkte – dabei ist es gar keines. Denn gegen den Willen von Präsident Trump wird diese Personalie nicht entschieden. Und Trump wird auf keinen Fall hier jemanden einsetzen, der durch eine restriktive Geldpolitik Wirtschaft und Märkte abwürgt. Und wenn die Fed unter neuer Führung – was wahrscheinlich ist – langfristig eine leichte Anhebung der Zinsen vornimmt, dann tut sie nur das, was Janet Yellen eingeleitet hat. Und das dürfte an den Märkten ziemlich gut angekommen.

Der Rückgang des Euro ist für die europäischen Aktienmärkte ein Treibsatz. In diesem Jahr ist der Euro gegenüber dem Dollar in der Spitze um 14 Prozent gestiegen. Das war die stärkste Euro-Hausse seit mehr als fünf Jahren. Auch wenn die Gefahr eines höheren Euro in den vergangenen Monaten oft heruntergeredet wurde, so ist ein eher moderaterer Euro für die Aktienmärkte der Alten Welt eine Erleichterung.

Krisenbarometer Gold, Bund-Future und V-Dax sprechen für Aktien-Rally

Dass die Situation an den Kapitalmärkten derzeit besser ist, als die Stimmung in weiten Anlegerkreisen, zeigen die klassischen Krisenindikatoren. Der Goldpreis driftet seit zwei Monaten immer weiter ab. Nach dem kurzen Anstieg bis 1350 Dollar steht die Feinunze derzeit bei 1270. Damit ist sie von ihrem entscheidenden Hausse-Signal, das sie bei einem Überschreiten der Zone 1350 bis 1400 geben würde, weit entfernt.

Zudem neigen klassische Goldminen wie Barrick zur Schwäche. All das signalisiert in naher Zukunft keinen Anstieg des Goldpreises – und damit auch keine Verschärfung der Krise.

Der Bund-Future kam in den vergangenen zwei Monaten unter Druck. Seit einigen Wochen jedoch stabilisiert sich die wichtigste europäische Zinskurve wieder. Es muss jetzt nicht gleich wieder in Zug der alten Hausse weitergehen, doch der Zusammenbruch der Anleihemärkte, der immer wieder angekündigt wird, ist erst einmal bis auf weiteres vertagt.

Der V-Dax, in dem die erwarteten Volatilitäten (Schwankungsbreiten) an den Optionsmärkten stecken, pendelt mit Werten um 12 am historischen Tief. Das zeigt zweierlei: Zum einen sind niedrige Volatilitäten für einen Aufwärtstrend typisch – insofern ist der V-Dax derzeit im klassischen Hausse-Modus. Zum anderen gibt er kein Signal dafür, dass es unterschwellig zu gefährlichen Kursbewegungen kommt.

Gemischte Ergebnisse bei den Unternehmen

Natürlich, nachdem die Hausse an den Aktienmärkten seit dem Tief nach der Finanzkrise 2009 läuft (mit einem Rückschlag 2011), gibt es Risiken. So dürften sich Gewinnenttäuschung häufen, auch bei ganz großen Konzernen: bei Pharmahersteller Novartis etwa oder – eine ganz bittere Pille – beim Biotech-Konzern Celgene. Der war eigentlich ein Wegbereiter der Branche, hat in wenigen Tagen aber ein Drittel seines Werts verloren.

Auch wenn solche Unfälle nicht direkt auf den Dax durchschlagen, sind sie ein Warnsignal. Wenn Novartis enttäuscht, kann das eines Tages auch Bayer, Merck oder Fresenius passieren. Auch in der zweiten und dritten Reihe, etwa bei Dauerläufer Sartorius, müssen sich Anleger auf Enttäuschungen einstellen.

In der Mehrheit aber zeigt die Gewinntendenz nach oben. Eine Schlüsselstellung dürften im Augenblick dabei die großen Technologieunternehmen spielen. Amazon, Google/Alphabet und Microsoft melden gute Zahlen. Die Kurssteigerungen der Aktien zeigen, dass Anleger dies honorieren. Das könnte nun auch den seit einiger Zeit müden Nasdaq-Markt wieder aufwecken; für die große Hausse ein unverzichtbarer Bestandteil.

Als Vorteil dürfte sich zudem die Aussicht auf eine große Steuerreform in den USA auswirken. So wie es im Augenblick aussieht, kann Trump dieses Vorhaben nun doch umsetzen. Nachdem er mit anderen Plänen, vor allem seinem Kampf gegen die Gesundheitsreform, kläglich gescheitert ist, dürfte er jetzt alles daran setzen, zumindest hier etwas zustande zu bringen.

Das wird der amerikanischen Wirtschaft, dem Dollar und den Aktienmärkten zu Gute kommen.

Kursgewinne im Dax laufen lassen – bei Übertreibung absichern

Bei den Dax-Unternehmen entwickeln sich die Gewinne durchaus befriedigend. Zuletzt waren Beiersdorf und BASF gut, SAP nicht schlecht (wobei sich hier ein Korruptionsproblem anbahnt). Dass die Deutsche Bank wieder das Schlusslicht ist, hat mittlerweile schon Tradition und ist kein Signal für die Börsentendenz.

Am Gesamtmarkt spiegelt sich diese Stärke wider. Von den 30 Dax-Aktien verlaufen derzeit 23 oberhalb ihrer 200-Tage-Linie. Das ist eine solide Hausse-Quote von 77 Prozent. Umso mehr, da es vor allem die üblichen Loser im Dax nicht mitziehen: die Deutsche Bank und ProSieben, dann Sonderfälle wie ThyssenKrupp und der typische Antizykliker Telekom. Merck und Fresenius leiden unter der weltweiten Schwäche der Pharma- und Biotechbranche, zeigen aber Ansätze einer Stabilisierung.

Der Dax selbst hat nach seinem Ausrutscher, der weit oberhalb der neuralgischen Grenze um 12850 Punkte abgefangen wurde, die Marke von 13000 wieder fulminant genommen. Wenn es jetzt keinen exogenen Schock für die Märkte gibt, zum Beispiel durch eine unvorhergesehene Eskalation in Nordkorea, könnte das der Auftakt zu einer Jahresendrally werden.

Wie lange die läuft und wo sie genau endet, ist in solchen hektischen Marktphasen schwer zu kalkulieren. Die letzte mittelfristige Konsolidierung, die dem aktuellen Anstieg voranging, hatte eine Tiefe von etwa tausend Punkten. Daran gemessen sollte der nächste Anstieg bis in den Bereich 14000 gehen. Zeitlich könnte das zum Jahreswechsel der Fall sein. Spätestens dann dürfte es sich auszahlen, wenn Anleger eine Depotabsicherung vornehmen.

In der Titelgeschichte der aktuellen WirtschaftsWoche lesen Sie, wie sie sich als Bulle mit Schutzweste auf die nächsten hektischen Wochen vorbereiten.

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