Riedls Dax-Radar

Fünf Gründe, die für deutsche Aktien sprechen

Nachdem dem Dax die Stabilisierung um 9500 gelungen ist, haben sich die Chancen auf einen weiteren Anstieg verbessert. Über die Gründe, die für deutsche Aktien sprechen.

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Dax-Anzeigetafel. Quelle: REUTERS

Von guter Stimmung ist am deutschen Aktienmarkt derzeit keine Rede. Wenn man die Nachrichten aus den Börsensälen, die Kommentare von Analysten und die Äußerungen von Anlegern filtert, ist eine große Verunsicherung zu spüren, zum Teil sogar eine regelrechte Verängstigung. Von ungetrübter Zuversicht wie im Jahr 2007 oder gar Überschwang wie im Jahr 2000 sind die Börsen derzeit Welten entfernt.

Krise allenthalben: Krieg im Nahen Osten und Flüchtlingsfrage, ungeliebter Euro und zerbröselnde EU, China-Abschwung und Ölpreis-Crash, Minus-Zins und Währungszweifel. Alles Argumente, die für negative Perspektiven und Ängste an den Asset-Märkten herhalten müssen. Und dann ist da noch dieser schräge Kandidat für die nächste Präsidentschaft im weltweit führenden Land.

Und was machen die Wertpapiermärkte aus dieser brisanten Gemengelage? Der Bund-Future steht bei Notierungen von über 160 Prozent so hoch wie nie zuvor; der Dax ist zwar nicht ganz auf Rekordniveau, doch unter langfristigem Blick sind 10.000 Punkte kein Weltuntergang.

Was Dax-Konzerne an ihre Anleger ausschütten

Wenn man etwas Abstand nimmt von den verbreiteten Ängsten, gibt es sogar eine Reihe von Argumenten, die für den Dax sprechen – und die insgesamt dazu beitragen, dass Aktien für 2016/2017 eine bessere Perspektive haben als vielfach befürchtet.

Erster Grund: Der moderate Wirtschaftsanstieg hilft den Kursen

Geht es nach dem Frühjahrsgutachten, wächst die deutsche Wirtschaft in diesem Jahr um 1,6 Prozent statt um 1,8 Prozent. Für nächstes Jahr sollen es dann 1,5 Prozent werden.

Nun, ein moderates Wachstum ist im Grunde das Beste, was der Börse passieren kann. Es trägt dazu bei, dass die Zinsen auf niedrigem Niveau bleiben;  zudem gibt es immer die Chance, dass sich der Wachstumskurs sogar beschleunigt. Dieser Effekt wirkt an den Märkten umso besser, je schlechter die allgemeine Stimmung ist.

Sogar aus China kommen wieder positivere Nachrichten. Um 6,7 Prozent soll die Wirtschaft im ersten Quartal gewachsen sein. Natürlich sind diese offiziösen Zahlen nicht mit den Werten vergleichbar, die westliche Industrienationen abliefern. Zudem sind sie wesentlich den administrativen Maßnahmen geschuldet, also gibt es sofort Zweifel an der Nachhaltigkeit. Dennoch, nachdem China schon als Untergangs-Kandidat gehandelt wurde, ist jede noch so vorübergehende Stabilisierung eine Stütze für den Markt.

Selbst chinesische Aktien haben in den vergangenen Monaten Tritt gefasst und mehr als zehn Prozent gewonnen. Auch der Renminbi konnte sich um 13,60 bis 13,70 gegenüber dem Euro stabilisieren. Klar, ein endgültige Wende nach oben ist das noch nicht; aber bemerkenswert ist es schon, dass man hierzulande über robustere Kurse in China nichts liest, während jeder Rückschlag weitschweifig kommentiert wird.  

Ölpreis bietet Chancen

Zweiter Grund: Der Ölpreis hat eine gute Chance, sich zu stabilisieren

In wenigen Tagen, am 17. April, werden sich die Ölförderländer in Doha treffen. Der jüngste Preisanstieg an den Ölmärkten könnte darauf hindeuten, dass es vielleicht doch zu Einigungen kommt.

Dabei bestehen zwei Grundtendenzen: Einerseits die Rivalität zwischen Saudi Arabien und dem Iran. Zwischen diesen beiden Parteien wird es auf absehbare Zeit keine Einigung über den Ölmarkt geben. Und wenn, dann nur aus taktischen Gründen.

Andererseits: Gerade der schwere Preissturz der vergangenen Monate hat gezeigt, dass kein Förderland ein Interesse an einer nachhaltigen Ölbaisse haben kann. Alle sind – über die Doha-Teilnehmer ­hinaus - schwer getroffen: Die großen Förderländer Saudi Arabien, Russland, USA genauso wie Norwegen oder Venezuela. Und auch dem Iran, der dringend Devisen für seinen Wiederaufbau braucht, würde ein Ölpreis um 50 Dollar besser schmecken als Notierungen um 25 Dollar.

Diese unterschiedliche und wahrscheinlich nicht aufzulösende Interessenlage spiegelt sich in den Ölnotierungen wider: Einerseits ist dem Markt noch keine nachhaltige Aufwärtswende gelungen, andererseits signalisiert die mittlerweile mehrmonatige Erholung, dass ein ewiges Durchrutschen der Ölnotierungen unrealistisch ist.

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Für die nächsten Monate könnte es zu folgendem Szenario im Öl kommen: Je nach den Ergebnissen von Doha kommt es bei einer Enttäuschung erst zu einem Rückschlag unter 40 Dollar und dann wieder zu vorsichtigen Rückkäufen; oder, wenn Doha den Förderern etwas bringt, gleich zu einem Durchmarsch auf 50 und danach zu einer Beruhigung. Insgesamt könnte sich Öl in den nächsten Monaten zwischen 35 und 50 Dollar einpendeln.

Und wenn dann die Nachfrage (wie sich derzeit andeutet) weiter anzieht und die Produktion (nicht zuletzt angesichts rückläufiger Förderung in Nordamerika) nicht mehr so stark zulegt, wären langfristig sogar noch höhere Notierungen möglich.

Günstige Industrieaktien, Aussicht auf Stabilisierung

Dritter Grund: Industrieaktien zeigen innere Stärke

Es gibt im Dax einige Aktien, die von vielen als langweilig eingestuft werden, die aber aufgrund ihres Geschäfts ein Herzstück der deutschen Industrie sind. Paradebeispiel dafür ist Siemens.

Kein Dax-Konzern hat so weite Geschäftsfelder – von Kraftwerksturbinen bis Verkehr, von klassischen Elektroprodukten bis zur Medizintechnik. Und Siemens bietet keine düsteren Aussichten. Die langfristig gute Auftragslage und die permanenten Sparrunden signalisieren für 2016/2017 durchaus höhere Gewinne. Auch die Übernahme des Ölindustriezulieferers Dresser Rand, die nicht nur teuer war, sondern auch zu einem unglücklichen Zeitpunkt (vor der Ölbaisse) stattfand, könnte sich bei stabileren Ölnotierungen als gar nicht so schlecht erweisen.

Bewertet sind Siemens-Aktien im langfristigen Vergleich mittlerweile günstig. Und kurstechnisch hält sich das Papier seit zwei Jahren zwischen 80 und 100 Euro. Die jüngste, sehr schnelle Erholung spricht dafür, dass Siemens zumindest auf absehbare Zeit stabil bleibt.

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von Christof Schürmann, Frank Doll, Malte Fischer, Günter Heismann, Matthias Hohensee, Tim Rahmann

Vierter Grund: Die Abwärtswende ist keineswegs ausgemachte Sache

Es gibt eine ganze Reihe von Dax-Schwergewichten, bei denen die Kursbilder klare Züge einer großen, oberen Wendeformation angenommen haben: Allianz, Bayer, BMW, Daimler. Abwärtswenden dieser Art waren es auch, die 2007 und 2008 frühzeitig vor den großen Gefahren am deutschen Aktienmarkt gewarnt haben.

Allerdings, derzeit ist diese Situation offener. Beispiel Allianz: Zweimal seit gut einem Jahr ist die Aktie bis 170 Euro vorgedrungen; zweimal ist sie wieder nach unten weggesunken.  

Die Top 5 Dividendenzahler im MDax

In der Jahresanfangsbaisse ging es sogar unter das Niveau von 135 Euro, die entscheidende Nackenlinie dieses Kursbildes. Eigentlich wäre das ein schweres Verkaufssignal gewesen. Nun aber, in der Erholung der vergangenen Wochen, ging es wieder deutlich über 135 Euro hinauf  bis fast auf 150 Euro. Wird damit aus dem Verkaufssignal ein Fehlsignal – und damit ein Kaufsignal?

Entschieden ist das noch nicht. Doch allein, dass der Markt sich trotz der bis vor kurzem miesen Konstellation so schnell wieder gefangen hat, lässt für die nächsten Monate eher stabilere als schwächere Kurse erwarten.

Rückkehr der Gebeutelten

Fünfter Grund: Sogar Loser werden wieder gekauft

Bei ThyssenKrupp laufen Gespräche über mögliche Partnerschaften. Auch wenn die führenden Manager offiziell vor hohen Erwartungen warnen, ist es nur eine Frage der Zeit, bis es zu weiteren Zusammenschlüssen kommt. ThyssenKrupp, in der etwa die alte Hoesch steckt, ist selbst das beste Beispiel für diese Konsolidierungstendenz.

Angesichts der Überkapazitäten und der chinesischen Billigkonkurrenz muss es früher oder später zu einer Lösung kommen – und die wird nicht am Branchenschwergewicht ThyssenKrupp vorbeigehen. An den Börsen führt das zu schnellen Kurssprüngen. Ein Wunder ist das nicht, denn echten Industrieumsatz bekommt man hier zum Dumpingpreis.

Man sollte sich in diesem Zusammenhang einmal das Beispiel des WirtschaftsWoche-Favoriten Hochtief vor Augen halten; zwar kein Dax-Wert, aber klassisches deutsches Industriegeschäft.  Über viele Jahre hinweg war Hochtief ein Konzern mit mehr als 20 Milliarden Euro Umsatz, der an der Börse nur mit einem Bruchteil dessen bewertet wurde. Erst als ein entschlossener Großaktionär sich Hochtief Stück für Stück einverleibte, begann die Aktie zu klettern – und zwar viel nachhaltiger, als von den meisten Anlegern erwartet.

Was wird wohl passieren, wenn es eines Tages um die modernsten Stahlwerke der Welt geht, um nachhaltig rentable Aufzugstechnik und um führende Autozulieferung made in Germany?

In Thyssen stecken, wenn man den Handelsumsatz herausrechnet, 30 Milliarden Euro Geschäftsvolumen moderner, zum Teil hochrentabler deutscher Industrie. Selbst vorsichtig gerechnet ließe sich allein dafür ein Wert von 15 Milliarden Euro ansetzen. An der Börse wird derzeit nur 11,5 Milliarden Euro für ThyssenKrupp bezahlt.

Auch die anderen Kellerkinder im Dax, die Versorger, die Commerzbank, ja sogar die Deutsche Bank, sind in den vergangenen Wochen nicht mehr weiter gesunken. Das ist nach den vorangegangenen schweren Kursverlusten noch keine Entwarnung.

Dennoch, sollte es hier eine Lösung geben – etwa eine Aufspaltung bei den Energieunternehmen oder eine operative Entspannung bei der Deutschen Bank – wären schnelle Kursgewinne möglich. Dass sich Großinvestoren von diesen Adressen in den vergangenen Jahren und Monaten verabschiedet haben, hat daraus eine explosive Mischung gemacht.

Fazit für den Gesamtmarkt: Die zuletzt erwartete Erholung von 9500 auf 10.000 war von hoher Dynamik gekennzeichnet. Das spricht dafür, dass aus den gesamten Kursschwankungen seit Januar eine mittlere, untere Wendeformation werden kann. Bei 10.100 gäbe es dann ein Kaufsignal, bei 10.200/10.300 müsste es noch durch die 200-Tage-Linie gehen. Bis Herbst wären dann 11.000 bis 11.500 Punkte möglich. Untergrenze für dieses positive Szenario wären etwa 9400 Punkte. Und die Chancen dafür, dass es aufgeht, stehen bei – sagen wir mal – 60 zu 40.

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