Riedls Dax-Radar

Fünf Risiken, die Börsenanleger jetzt kennen müssen

Um mehr als 2000 Milliarden Dollar hat sich der Wert der Aktien an den führenden Börsen seit der Wahl Trumps erhöht. Noch stimmt der große Trend, doch mit den Kursen wächst mittelfristig auch die Rückschlaggefahr. Diese Gefahren sollten Anleger auch in der Hausse nicht ausblenden.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
An der Börse läuft es gut, aber bei näherer Betrachtung steigen auch die Risiken. Quelle: Getty Images

Der große Aufwärtstrend an den Börsen, in dem wir uns immer noch befinden, hat seine Wurzeln Anfang der Achtzigerjahre. Damals begannen zwei entscheidende Megatrends, die – zum Teil - heute noch anhalten: die Entfesselung wirtschaftlicher Kräfte durch Deregulierung, Globalisierung und mehr Marktwirtschaft, sowie der Rückgang der Zinsen. Selbst große Industriestaaten zahlten damals zweistellige Jahresrenditen für ihre Anleihen.

Von überzeugten Aktienanlegern wird der Anstieg an den Anleihemärkten gern belächelt. Dabei ist die langfristige Performance im RexP, in den Kurse und Kupons deutscher Staatsanleihen einfließen, durchaus auf der Höhe des Dax. Mehr noch: Im großen Bild sind beide Trends Bestandteile ein und derselben Hausse an den Wertpapiermärkten. Noch nie in der bundesrepublikanischen Geschichte kam es zu einem nachhaltigen Börsenaufschwung ohne stabilen Anleihemarkt. Wenn nun aber die Hausse bei den Anleihen zu Ende geht, wächst automatisch für den Aktienmarkt das Risiko.

Erstes Risiko: Steigende Zinsen

Die für internationale Investoren wichtigste Zinskurve, die Rendite zehnjähriger US-Treasuries, zeigt gefährliche Anzeichen einer Trendwende nach oben: Mit 2,5 Prozent haben die Treasuries (T-Notes) den Abwärtstrend der vergangenen dreieinhalb Jahre nach oben durchbrochen. Gut möglich, dass sich der Markt in den nächsten Monaten zwischen 2,2 und 2,7 Prozent zunächst auspendelt. Dass angesichts der Geldpolitik der Fed und der robusten US-Konjunktur die Renditen aber wieder deutlich nachgeben, ist wenig wahrscheinlich.

Die Dax-Favoriten der Woche

Auch bei zehnjährigen Bundesanleihen, die erst bei 0,5 Prozent rentieren, sind erste Wendemanöver sichtbar. Zwar sollte der Renditeanstieg hier in den nächsten Monaten nicht über die Ein-Prozent-Marke hinausgehen, doch die alte Mechanik stets sinkender Renditen ist dahin.

Ein zusätzlicher Unsicherheitsfaktor sind die Notenbanken: In den USA könnte es zu einem Konflikt zwischen Fed und Trump kommen. In Europa stellt sich die Frage, welche Richtung die EZB verfolgt in der Zeit nach Draghi. Und was passiert mit der Notenbankpolitik, wenn sich die divergierende Entwicklung in Europa noch verschärft?

Zweites Risiko: Gewinnenttäuschungen bei Unternehmen

Die amerikanische Caterpillar-Aktie gehört seit Monaten zu den Favoriten der Anleger. Zunächst profitierte sie vom Comeback der Bergbauunternehmen, die schweres Gerät brauchen. Dann von der Hoffnung auf den neuen Infrastruktur- und Bauboom. Der Haken daran: Bisher macht sich dies in den Unternehmenszahlen nicht bemerkbar – im vierten Quartal 2016 sind sogar hohe Verluste entstanden.

Zehn Favoriten für das Jahr 2017

Die Gleichung: Megatrend gleich Geschäftsausweitung gleich Gewinnschub gleich steigende Kurse, funktioniert in der Realität nicht immer wie gewünscht. Und selbst wenn sich diese Entwicklung einstellt, dauert es in vielen Fällen länger als erwartet.

Auch bei erfolgreichen Unternehmen wachsen die Bäume oft nur langsam. Im Dax gehört der Konsumchemiker Beiersdorf zu den klassischen Langfristfavoriten, die seit Jahren Umsatz und Gewinn erhöhen. Dennoch kommt Beiersdorf nur mit kleinen Schritten voran – schließlich muss dieses Wachstum ja gegen potente Konkurrenten wie Henkel, L’Oreal oder Procter & Gamble erkämpft werden. Und L’Oreal etwa erzielt zwar überdurchschnittlich hohe Margen, kann die aber seit Jahren nicht mehr ausdehnen.

Mit anderen Worten: Selbst die besten Unternehmen der Welt erleben zwischenzeitlich immer wieder Phasen der Stagnation – und das kann bei hoch bewerteten Kursen schnell zu empfindlichen Korrekturen führen. Paradebeispiele außerhalb des Dax sind derzeit die Schweizer Klassiker Novartis und Nestlé, die Anlegern seit vielen Monaten keine Freude machen, obwohl beide fraglos von Megatrends (Gesundheit, Nahrungsmittel) profitieren.

Euro-Sorgen und Überspekulation

Drittes Risiko: Auflösungserscheinungen im Euro

An dieser Stelle wurde mehrmals die These vertreten, dass die Anlagemärkte die Krise in Europa längst als Realität akzeptiert haben, eben weil diese Krise schon seit Jahren virulent ist. Das heißt aber nicht, dass in den Aktienmärkten schon der Zerfall der EU und das Auseinanderfliegen des Euros stecken.

Eine solche Entwicklung würde vor allem Deutschland schwer treffen. Die deutsche Wirtschaft und besonders die exportorientierten Dax-Unternehmen haben in den vergangenen Jahren wesentlich von der EU profitiert. Als zusätzlicher Effekt kam seit der Finanzkrise das extrem niedrige Zinsniveau hinzu und eine günstige Währung – beides passt im Grunde überhaupt nicht zur Power der deutschen Wirtschaft. So gesehen war die Finanzkrise mit ihren Folgen für den Dax sogar ein Beschleuniger.

Die Risiken von Allianz bis Siemens

Sollten diese Vorteile eines Tages wegfallen, müssten eine deutsche Währung und ein deutscher Zins wesentlich weiter oben notieren – und das würde die Wirtschaft und die Dax-Unternehmen spürbar einbremsen.

Viertes Risiko: Überspekulation an den Märkten

In der großen Hausse, die seit 1982 läuft, gab es bisher sechs crashartige Einschnitte: 1987 den Verkaufsschock aus Wall Street, 1990 die Kuwait-Krise, 1998 Asien-Russland-Krisen, 2001 bis 2003 High-Tech-Baisse, 2008 Finanzkrise und 2011 Konjunkturangst-Krise. Verteilt man diese sechs schweren Einschnitte auf 35 Jahre Hausse wie die Sprossen einer Leiter (also mit sieben Zwischenphasen), ergibt sich für jede kontinuierliche Anstiegsphase eine durchschnittliche Zeitdauer von fünf Jahren – und der letzte Crash fand 2011 statt.

Natürlich müssen nicht automatisch alle fünf Jahre die Kurse krachen. Dennoch steigt an den Märkten mit der Dauer des Aufschwungs auch das Risiko schwerer Rückschläge. Der Grund liegt in der Natur der Börse: Kapitalmärkte nehmen nicht nur die reale Entwicklung vorweg, sie überzeichnen sie auch. Und wenn eine solche Übertreibung offensichtlich wird, kann es schnell und sehr dynamisch in die andere Richtung gehen. Das war schon immer so an den Börsen: von der Tulpenzwiebel-Hausse in den 1630er-Jahren über die Jubelzeit 2000 bis zur Finanzkrise. Faktisch stellt sich also nicht die Frage, ob der nächste Crash kommt, sondern wann er kommt.

Donald Trump - und das Fazit für Anleger

Fünftes Risiko: Donald Trump

Risiko im klassischen Sinne bedeutet Volatilität, das ist der hektische Anstieg der Kursausschläge – in welche Richtung auch immer. Auch schnell steigende Kurse sind so gesehen ein Risiko: Viele Investoren sind nicht so stark investiert, wie sie eigentlich sein wollen; andere (wie seit einiger Zeit George Soros) werden mit ihren Spekulationen auf dem falschen Fuß erwischt. Beides heizt die Schwankungen an den Märkten zusätzlich an. So müssen die einen höheren Kursen nachlaufen, die sie eigentlich nicht bezahlen wollten; die anderen müssen sich schnell eindecken, damit sie nicht noch tiefer ins Minus rutschen. Beides führt zu einer Beschleunigung des Trends, die sich immer mehr von den wirtschaftlichen Realitäten entfernt.

Und es gibt derzeit niemanden, der die Märkte so hin- und hertreibt, wie Trump mit seiner Unberechenbarkeit. Das hält mittlerweile nicht nur seine Gegner in Atem. Auch Mitstreiter bekommen Magenschmerzen, wenn Trump über Nacht plötzlich gegen Russland argumentiert oder Folter als legitim bezeichnet.

Für die Anlagemärkte ist diese Unberechenbarkeit ein großer Risikofaktor. Die starken Ausschläge an den Börsen, die Volatilität, sind Ausdruck dieser Unsicherheit: erst die Angst vor Trump, dann die Euphorie – und was kommt als nächstes?

Das Problem für die Börsen ist, dass in Trumps Programm zwar Kursbeschleuniger stecken (Deregulierung, aktive Industriepolitik, Steuersenkungen), dass es genau deshalb aber auch zu Enttäuschungen kommen kann: Protektionismus wird den Börsen auf die Dauer niemals guttun; wenn Branchen gefördert werden, die im marktwirtschaftlichen Prozess eigentlich verschwinden, entsteht eine Ineffizienz, die letztlich jemand bezahlen muss; wenn die Unternehmen nur noch am Gängelband der Politik hängen, ist der Weg in die Zwangswirtschaft nicht weit. 

Fazit für Anleger:

An den Börsen läuft derzeit die Trump-Hausse, es wird auf den Wachstumsschub durch die neue US-Politik gesetzt. Kurzfristig gibt es keine Anzeichen, dass dieser dynamische Trend kippt. Dow Jones, Nasdaq und Dax verlaufen in stabilen Aufwärtsbewegungen. Im Dow Jones reicht das kurzfristige Risiko derzeit bis maximal in die Zone um 19.000 Punkte, im Dax dürfte dieser Bereich knapp unter 11.000 liegen. Die Breite des Anstiegs, der von den wichtigsten Einzelwerten getragen wird, spricht für eine Fortsetzung.

Im Dax könnten damit in den nächsten Wochen die alten Top-Notierungen um 12.400 erreicht werden, im Dow könnte es in Richtung 22.000 gehen. Dax-Favoriten für die nächste Woche sind Beiersdorf (hier beflügelt die Aussicht auf höhere Margen), Henkel (Nachholbedarf nach der jüngsten Korrektur), Infineon (als Gewinner der Digitalisierung) und die Münchener Rück (als günstiger Dividendenwert).

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%