Riedls Dax-Radar
Ein Mann nimmt eingeschweißte 50-Euro-Noten aus einem Karton Quelle: Bundesbank

Inflation kommt, Aktien wackeln, Euro steigt

Die Angst vor der Zinswende in Europa lässt den Euro auf 1,21 Dollar klettern. Für den Dax insgesamt ist das eine Belastung. Einzelne Aktien sind dennoch vielversprechend.

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Fast alles ist schon gestiegen: Anleihekurse seit mehr als 30 Jahren, Aktien seit der Finanzkrise, Immobilien besonders seit gut seit fünf Jahren, Mieten gefühlt seit Jahrzehnten. Die Geldmenge durch die Notenbanken ohnehin. Kunstwerke, Oldtimer, Gebrauchtwagenpreise – alles geht nach oben. Öl und Rohstoffe klettern seit vergangenem Jahr ebenfalls wieder, die digitalen Währungen schlagen Kapriolen.

Die Wirtschaft ist robust. In Deutschland legte sie 2017 um 2,2 Prozent zu. Im jüngst angelaufenen Jahr könnte es ebenso viel werden. Am Arbeitsmarkt fehlen Fachkräfte – das wird früher oder später die Löhne treiben. Es gibt im Finanzkosmos eigentlich nur zwei bedeutsame Kurven, die noch nicht so richtig in Fahrt gekommen sind: die Inflation und Gold.

Volkswirte streiten seit Jahren darüber, ob es wegen der extrem expansiven Geldpolitik der Notenbanken zur Inflation kommen muss. Für Anleger ist es wenig sinnvoll, hier dogmatisch zu denken. Praktikabler ist der Blick auf die Kurven der Realwirtschaft: vor allem auf die Zinsen am Kapitalmarkt. Und die kommen in Bewegung.

Bei zehnjährigen amerikanischen Staatsanleihen sind die Renditen binnen vier Monaten von 2,1 auf 2,5 Prozent gestiegen. Bei den zehnjährigen Bunds fiel dieser Anstieg mit 0,3 auf 0,5 Prozent moderater aus. Hintergrund ist die weiterhin extrem expansive Geldpolitik der EZB. Doch hier deutet sich eine Wende an.

Bei den nächsten Sitzungen der europäischen Notenbank am 25. Januar und 8. März könnte es die eine oder andere Formulierung geben, mit der die EZB sanft eine Änderung ihrer Politik einleitet. Eine Leitzinserhöhung dürfte es wahrscheinlich vor 2019 nicht geben. Doch da die Märkte seit Jahren zunächst mit stark rückläufigen und zuletzt mit extrem niedrigen Zinsen gelebt haben, ist allein die Aussicht darauf ein großer Unsicherheitsfaktor.

Das spürt man besonders am wichtigsten Zinsbarometer in Europa, dem Bund Future.

Er hat seit September in zwei Abwärtsschüben von 166 auf 160 Prozent verloren. Eine mittelfristige Schwächeneigung ist unverkennbar. Im Bereich 159 bis 160 Prozent liegt eine wichtige Untergrenze, die markiert ist vom Top 2015 und den Tiefpunkten 2016 und 2017. Sollte der Bund nachhaltig unter dieses Niveau rutschen, wäre eine mittel- bis langfristige Abwärtswende perfekt. Die nächste Zielzone läge dann bei etwa 150, das wäre das Niveau von Mitte 2015. Damals lag die Umlaufrendite bei 0,7 bis 0,8 Prozent.

Die Währungsmärkte laufen so, wie es Trump gefällt

Noch deutlicher zeigt sich das an den Wechselkursen. Wie ein Seismograph zuckt der Euro gegenüber dem Dollar nach jeder Meldung über eine mögliche Zinsverfestigung in Europa nach oben. Auf der anderen Seite könnte in den USA die neue Notenbankführung unter dem stärkeren Einfluss Trumps nur noch sehr behutsam die Zügel anziehen.

Trump hat sich von Anfang an über den einst schwachen Euro beschwert. Nun sieht es immer mehr danach aus, dass er einen stärkeren Euro bekommt, und der Dollar nachgibt.

Die Rückwirkungen auf die Aktienmärkte sind deutlich: Während die Wall Street von einem Rekord zum nächsten eilt, kommt der Euro Stoxx nicht über die alten Hochs. Auch der Dax als europäischer Index tut sich schwer, dürfte aber immerhin vom insgesamt guten Klima, das die US-Märkte vorgegeben, gehalten werden.

Im Dax beginnt die Differenzierung erneut – als direkte Folge der Inflations- und Zinserwartung: Auf dem aufsteigenden Ast sind Versicherungen und Banken. Allianz und Münchener Rück, die auch operativ gute Aussichten haben, würden davon besonders profitieren, weil sie versprochene Renditen leichter liefern können. Banken kommt die Aussicht auf eine höhere Zinsspanne zugute.

Unter den Dax-Aktien sehen derzeit die beiden Versicherer und die Commerzbank vielversprechend aus. Die Deutsche Bank als unternehmerische Großbaustelle bleibt ein Sonderfall. Gerade die Tatsache, dass sie kaum von der jüngsten Zinstendenz profitiert, zeigt, wie schwer sie angeschlagen ist.

Ein starker Euro beziehungsweise schwacher Dollar ist ein Nachteil für die großen Exporteure;  vor allem für die, die wie Daimler ein großes US-Geschäft haben. Auf der anderen Seite gibt es hier positive Effekte aus der US-Steuerreform. Alle drei Autoaktien, BMW, Daimler und VW, sehen derzeit nicht schlecht aus.

Ein zusätzlicher Effekt zeichnet sich durch anstehende Konzernumbauten ab. Bei Continental wird über eine Trennung des Reifengeschäfts vom Technikgeschäft nachgedacht. Da Conti bisher vom Geschäftsvolumen ähnlich bewertet ist wie die reinen Reifenhersteller Michelin oder Bridgestone, wäre hier eine langfristige Hochstufung zu erwarten. Ähnliches könnte sich bei Daimler ergeben durch eine neue Gliederung unter eine Holding, bei Siemens durch den Börsengang der Medizintechnik (wobei die Aktien dieser Branche seit einiger Zeit wieder an Attraktivität gewinnen), und bei Thyssenkrupp nach einer rentablen Lösung vom Stahl.

Fazit für den Dax: Die Devise „Risikofaktor Euro“ gilt weiterhin. Den Dax als Gesamtmarkt wird dies bremsen. Die Stabilität der US-Märkte bleibt dagegen eine Stütze – wobei es hier immer mehr Zeichen einer Überspekulation gibt. So ist etwa der Abstand des Dow Jones von seiner 200 Tagelinie mit 15 Prozent so groß wie nie seit fünf Jahren. Ein solcher Markt kann schnell einmal abrutschen, ohne den großen Trend gleich zu brechen. Für den Dax wäre es gut, wenn er in den nächsten Tagen das Niveau um 13.200 Punkten hält. Dann sollte er von dort aus mindestens noch einmal einen Anlauf auf die alten Höhen um 13.500 Punkte starten.

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