Riedls Dax-Radar

Kursziele für die bevorstehende Korrektur

Nach acht Wochen Kletterpartie Kursanstieg tut dem Dax eine Verschnaufpause gut. Wie weit die Notierungen sinken – und wo sie wieder Boden finden.

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Dax-Logo. Quelle: REUTERS

Nachdem der Dow Jones die Verluste vom Jahresanfang ausgeglichen hat, ist dies nun auch dem Dax weitgehend gelungen.

Das ist umso bemerkenswerter, da der Dax seit längerem im Vergleich zum amerikanischen Markt eine relative Schwäche aufweist. Deshalb war auch der Anstieg der vergangenen zwei Wochen von knapp 9500 auf fast 10.500 so wichtig.

Mit diesem Anstieg hat der Dax die wichtige Zone von 10.100 bis 10.300 Punkte durchdrungen - und das bedeutet: Die akute Gefahr einer fortgesetzten Abwärtsbewegung hat sich verringert; mehr noch: Wenn die Notierungen in der aktuellen Korrektor nicht zu tief sinken, zeichnet sich für das zweite Halbjahr und 2017 sogar die Chance auf ein nachhaltig positives Szenario ab.

In Europa top, international ein Flop
FrankfurtIn ihrem aktuellen Vergleich der europäischen Finanzplätze sieht die Helaba Frankfurt auf dem zweiten Platz direkt hinter Spitzenreiter London. Auf 100.000 Einwohner kommen in Frankfurt immerhin 4,8 Banken. Da Paris durch die Finanzkrise einige ihrer Banken verloren hat, konnte Frankfurt an der französischen Hauptstadt vorbei ziehen. London liegt allerdings mit 140.000 Beschäftigten im Bankensektor (Frankfurt: 62.500) weiterhin unangefochten auf Platz 1 in Europa. Ob ein Brexit daran etwas ändern würde, sind sich Experten nicht sicher. International dagegen sieht es für Frankfurt nicht so gut aus. Im Global Financial Centers Index schaffte es Frankfurt nur auf den 18. Platz und lag damit weit hinter London und Zürich. Wer es auf die vorderen Plätze geschafft hat. Quelle: dpa
Toronto Quelle: dpa
Boston Quelle: REUTERS
San Francisco Quelle: REUTERS
Weißes Haus Washington Quelle: dpa
Zürich Quelle: dpa
Tokio Quelle: dpa

Ein wichtiger Motor der jüngsten Erholung ist der Rückprall des Euro. Sein vorübergehender Anstieg in Richtung 1,15 Dollar (inklusive der Gefahr einer weiteren Erhöhung) wäre deutschen und europäischen Aktien nicht gut bekommen. Jetzt aber, nach den jüngsten Äußerungen der EZB, hat der Euro wieder nach unten reagiert.

Die EZB bleibt extrem expansiv – gegen  alle Kritik

Klarer als von einigen Marktteilnehmern erwartet, insistiert Mario Draghi auf seinem Lockerungskurs. Er signalisiert unmissverständlich, dass er zu weiteren Maßnahmen bereit sei, wenn sich die Kerninflation nicht in Richtung zwei Prozent bewege. Derzeit liegt sich bei 1,1 Prozent. Draghi könnte das monatliche Anleihekaufprogramm von 80 Milliarden Euro auf 100 Milliarden Euro aufstocken, und er könnte den Endzeitpunkt des Kaufprogramms über den März 2017 hinausverlegen.

In den nächsten Wochen sollte das den Euro etwas zurückkommen lassen. Eine echte Schwäche ist nicht erkennbar, doch nachdem er sich in fünf Monaten von 1,05 auf fast 1,15 Dollar hochgearbeitet hat, ist eine Konsolidierung angebracht. Klassisch wäre eine Schwankungsphase im Bereich 1,12 bis 1,10 Dollar.

Für die Aktienmärkte wäre das ein gutes Umfeld: An die Euro-Dollar-Relation sind sowohl die Märkte als auch die Unternehmen gewöhnt. Tendenziell dürften zwar eher international tätigen US-Unternehmen darunter leiden (das zeigt sich in den aktuellen Quartalszahlen), doch sollte die US-Wirtschaft immer noch robust genug sein, das zu verkraften. Den europäischen Unternehmen kommt der niedrige Euro zugute. Insgesamt sind damit auch die 1,4 Prozent Wirtschaftswachstum realistisch, die von der EZB für dieses Jahr erwartet werden.

Zinsen sind unten, Öl könnte bis 50 Dollar steigen

An den Zinsmärkten zeichnet sich eine Beruhigung ab. Der Bund-Future ist im April nicht mehr an sein März-Hoch gekommen, die Umlaufrendite hat sich (nachdem sie am 11. April zum ersten Mal in der jüngeren Geschichte 0,0 Prozent erreicht hat) wieder leicht auf 0,1 Prozent erhöht. Eine Zinswende ist das nicht, doch für ein paar Wochen könnten die Zinsen leicht anziehen. Die Umlaufrendite könnte bis auf 0,2 oder 0,3 Prozent kommen.

Der EZB-Hoffnung auf ein Anziehen der Inflation kommt der Ölpreisanstieg entgegen. Obwohl es beim jüngsten Treffen der großen Produzenten keine Annäherung um Förderobergrenzen gab, sind die Rohölnotierungen (nach einem kurzen Schock) weiter gestiegen.

Schritt für Schritt wird am Ölmarkt eine Umpositionierung sichtbar. Nachrichten, die noch vor einigen Monaten zu schweren Verlusten führten, werden nun vom Markt weggesteckt.

Zwar besteht derzeit – und wahrscheinlich auch in den nächsten Monaten noch – ein deutliches Überangebot. Doch danach dürfte die Schere langsam zusammengehen, weil der Verbrauch ungebrochen steigt und die Produktion in Nordamerika zurückgeht. Es wäre kein Wunder, wenn Brent in den nächsten Wochen an die 50 Dollar käme.

Starker Dow Jones, höhere Nervosität im Dax

Niedrige Zinsen, verträgliche Wechselkurse,  angenehme Ölpreise und ein moderates Wirtschaftswachstum  – diese Mischung ist für die Börsen ein gutes Umfeld. Allerdings, große Kurssprünge sind vorerst wenig wahrscheinlich. Sowohl am amerikanischen Aktienmarkt als auch im Dax war der Anstieg der Notierungen in den vergangenen zwei Monaten so deutlich, dass jetzt eine Korrektur angebracht ist.

Im Dow Jones könnten die Notierungen in den nächsten Wochen bis in den Bereich 17.500 bis 17.300 nachgeben. Das wäre eine klassische Rückreaktion in die dann nach oben drehende 200-Tage-Linie. Insgesamt würde dies die positive Grundverfassung der amerikanischen Aktienmärkte bestätigen. Im zweiten Halbjahr wäre dann ein Anlauf zu neuen Höhen möglich.

Im Dax sieht es etwas kniffliger aus. Hier hat der Index die 200-Tage-Linie in den vergangenen Tagen nur ganz leicht nach oben geschnitten. Schon bei einer Korrektur auf das letzte Hoch bei 10.100 ginge der Dax wieder unter die 200er-Linie. Das muss keinen Absturz zufolge haben, dennoch macht das die mögliche Korrektur um Dax spannender als im Dow.

Stabilisiert sich der Dax in der aktuellen Korrektur bei 10.100, wäre das ebenfalls eine gute Basis für einen Anstieg im zweiten Halbjahr. Ein Rückgang auf die nächste Stufe um 9500 wäre dagegen ein Zeichen erneuter Schwäche und damit ein Hinweis auf einen durchwachsenen Sommer.

Schwache Daimler-Zahlen und Abgasprobleme bestätigen schwachen Chart

Wie sich das bei Einzelwerten auswirkt, zeigt der Fall Daimler. Schon in den vergangenen Wochen ist die Aktie durch ein angeschlagenes Chartbild aufgefallen, obwohl die Meldungslage insgesamt nicht schlecht war. Nun gibt es plötzlich enttäuschende Gewinnzahlen zum ersten Quartal und Probleme mit Abgasen in den USA. Beides kommt nicht aus heiterem Himmel, dennoch signalisiert die empfindliche Reaktion an den Märkten, dass viele Anleger bei Daimler dies so nicht erwartet hatten.

Daimler hält an seinen bisherigen Jahreszielen fest. Die sind auch angesichts des vielversprechenden Modellmix immer noch realistisch. Sollte es allerdings zu schwereren Problemen um die Abgase kommen, würde das über erhöhte Vorsorge die Gewinne drücken. Wahrscheinlich wird deshalb in den nächsten Wochen der eine oder andere Analyst seine Prognosen etwas vorsichtiger ansetzen. Kurzfristig hat die Aktie nach unten Spielraum bis 60 oder 59 Euro.

Ist Volkwagen jetzt über den Berg?

Im Gegensatz zu den neuen Problemen bei Daimler zeichnet sich bei Volkswagen eine Entspannung ab. Dass andere Unternehmen wie Mitsubishi, Peugeot und womöglich nun sogar Daimler ebenfalls Probleme mit dem Thema Abgase haben, ist zwar keine Entschuldigung für Volkswagen, zeigt aber, dass der Fall nicht singulär ist.

In seiner Schwere allerdings schon. Bis zu 17 Milliarden Euro wird VW wahrscheinlich zurückstellen müssen, um die Auflagen der US-Behörden (für Rückkäufe und Entschädigungen) zu erfüllen. Ähnlich wie im Fall BP zeichnet sich ab, dass der ganze Skandal unterm Strich teurer wird und länger dauert als erhofft – dass aber auf der anderen Seite VW (wie einst BP) deshalb nicht untergeht. Bei den letzten offiziellen Zahlen im September hatte Volkswagen 27 Milliarden Euro flüssig und eine gut ausgestattete Bilanz.

Für die Spekulation auf die Wende von Volkswagen heißt das: Es ist Geduld gefragt, und schnelle Erholungen können immer zu Gewinnmitnahmen genutzt werden. Wahrscheinlich kommen bei etwa 110 Euro die nächsten Käufer wieder, bei einem Rückgang auf die Zone um 100 könnten noch einmal die bisherigen Tiefpunkte getestet werden. Weiter sollten VW-Aktien in den nächsten Wochen dann aber nicht mehr sinken.

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