Riedls Dax-Radar

Kurzfristige Stabilisierung, langfristige Risiken

Die für den Dax maßgeblichen US-Märkte könnten eine Erholung einleiten. Die Baisse-Gefahr aber bleibt groß. Eine Kolumne.

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Quelle: AP

Von der amerikanischen Notenbank sind auf einmal sehr vorsichtige Töne zu hören. War noch bis vor kurzem von mehreren Zinserhöhungen die Rede, wird es jetzt stiller. Zwar gab es von den Ölmärkten und aus China schon seit Monaten Zeichen der Schwäche, doch der Blick der Fed ging mehr auf die eigene Wirtschaft.

Und die wird von zwei Problemen in die Zange genommen: billiges Öl und ein starker Dollar. Beides trifft Amerika empfindlicher als früher, weil die USA in den vergangenen Jahren über die Ölproduktion aus Schiefergestein zu einem Rohstoffland geworden sind. Der jüngste Niedergang der amerikanischen Ölindustrie, die sich nun erst langsam auf das neue Ölpreisniveau einpendeln muss, macht sich erst jetzt mit Verzögerung bemerkbar.

Diese Belastung wird die US-Wirtschaft so schnell nicht abschütteln. Erstens ist – abgesehen von einer technischen Erholung - eine nachhaltige Aufwärtsbewegung des Ölpreises nicht in Sicht. Zweitens sind die Zyklen in der Branche ziemlich langfristig; von der Erschließung, neuen Investitionen, der Förderung bis zur Raffinierung vergehen mehrere Jahre.

Was Analysten für das Anlagejahr 2016 erwarten
Deutsche Bank Quelle: REUTERS
Deka BankDie Fondsspezialisten der Sparkassen erwarten, dass der Goldpreis im kommenden Jahr deutlich unter die kritische Marke von 1000 Dollar fallen wird. S&P 500: 2000 Punkte Nikkei: 17000 Punkte Gold: 960 Dollar Öl: 57 Dollar Euro/Dollar: 1 Dollar Bundesanleihen 10 Jahre: 1 Prozent US-Treasury Rendite 10 Jahre: 2,9 Prozent Quelle: dpa
PostbankIm Gegensatz zur Deka Bank ist die Postbank beim Goldpreis etwas optimistischer. Ein möglicher Impuls kommt von der Schmucknachfrage, da die Konjunktur in Indien zuletzt deutlich besser lief als erwartet. S&P 500: 2250 Punkte Nikkei: 21750 Punkte Gold: 1100 Dollar Öl: 57 Dollar Euro/Dollar: 1 Dollar Bundesanleihen Rendite 10 Jahre: 1,0 Prozent US-Treasury Rendite 10 Jahre: 2,75 Prozent Quelle: dpa
Berenberg BankDeutschlands älteste Privatbank ist im Vergleich zur Konkurrenz vergleichsweise optimistisch, was den Euro angeht. S&P 500: 2200 Punkte Gold: 1150 Dollar Öl: 55 Dollar Euro/Dollar: 1,15 Dollar Bundesanleihen 10 Jahre Rendite: 1,1 Prozent US-Treasury Rendite 10 Jahre: 2,8 Prozent Quelle: obs
SantanderS&P 500: 2250 Punkte Gold: 1050 Dollar Öl: 55 Dollar Euro/Dollar: 1 Dollar Bundesanleihen Rendite 10-jährige: 0,9 Prozent US-Treasury Rendite 10-jährige: 2,75 Prozent Quelle: AP
Credit Suisse Quelle: REUTERS
Commerzbank Quelle: dpa

Seit eineinhalb Jahren läuft die Öl-Baisse. Die Anpassung der Ölindustrie hat erst später eingesetzt, da bei den ersten Kursrückgängen die Tragweite der Baisse noch nicht absehbar war. So gesehen dürfte es wahrscheinlich erst ab der zweiten Hälfte 2016 langsam zu einem Einpendeln der Ölindustrie kommen.

Zinsvorteil im Dollar schwindet

Die zweite Belastung ist der Dollar. Er war lange stabil, auch weil die Konkurrenzwährungen reichlich Probleme hatten: Der Euro mit der Finanzkrise, der Renminbi mit dem Abflauen der Dynamik in China.

Der Dollar war in den vergangenen Monaten im Vorteil, weil die Märkte auf den amerikanischen Zinsvorsprung gesetzt haben. Der dürfte zwar auch weiterhin bestehen bleiben, ob er sich aber noch  ausdehnt, wird angesichts der Verwundbarkeit der US-Wirtschaft immer unwahrscheinlicher.

Zehnjährige Bunds bringen derzeit 0,4 Prozent, zehnjährige US-Treasuries sind gerade unter die Marke von 2,0 Prozent gerutscht. Die scharfe Gegenbewegung seit dem Zins-Peak im November könnte nun eine Phase einleiten, in der die US-Währung eher zur Schwäche tendiert.

Die bisherige Stärke des Dollars war für die amerikanischen Unternehmen in den vergangenen Monaten eine Belastung. Das zeigt sich in der aktuellen Berichtssaison und dürfte auch im ersten und zweiten Quartal 2016 Spuren hinterlassen. Sollte der Dollar nun an Stärke verlieren, könnte das dann im zweiten Halbjahr zu einer Entlastung führen. Bis dahin aber bleibt die Situation kritisch.

Gefährliche Top-Bildung im Dow Jones

Wie angespannt die Situation am US-Aktienmarkt derzeit ist, spiegelt sich im Dow Jones wider. Noch nie seit Beginn der Hausse im Frühjahr 2009 war die Situation so brenzlig wie derzeit. Der stärkste Rückschlag fand bisher 2011 statt, hier rutschte der Dow aus einer sechsmonatigen kleinen Top-Formation nach unten durch.

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Jetzt hat der Dow zwei Jahre hektische Schwankungen zwischen 16.000 und 18.000 Punkten hinter sich und neigt gefährlich zur Unterseite. Ein Durchrutschen könnte den Dow in den nächsten Monaten ohne weiteres in den Bereich 13.500 bis 14.000 drücken. Da von den Gewinnen der US-Unternehmen derzeit wenig Dynamik ausgeht, gibt es kaum fundamentalen Rückhalt, der Aktien auf dem aktuellen Niveau günstig macht. Das wäre erst dann wieder der Fall, wenn der Dow wirklich noch ein ganzes Stück nachgibt.

Schon jetzt gibt es eine Reihe von Dow-Aktien, die kurstechnisch schwer angeschlagen sind: IBM, die Finanzwerte, zuletzt hat es auch Apple und Boeing erwischt. Immerhin können sich die Ölwerte auf niedrigem Niveau halten. Abgestürzte Defensivwerte wie Procter kommen wieder, Klassiker wie GE, Microsoft und Coke sind robust.

Investors Dream: McDonald‘s

Der beste Wert im Dow Jones – im Grunde derzeit der beste Blue Chip weltweit – ist die hierzulande oft und gern gescholtene McDonald’s-Aktie. Jedem Kritiker des Unternehmens sei bei dieser Gelegenheit ein Blick auf die langfristige Entwicklung dieser Aktie geraten. Der Informationsdienst Bloomberg verzeichnet zum 30. September 1980 einen Kurs von 1,8252 Dollar. Gestern ging MCD an Wall Street mit einem neuen All Time High von 122,38 Dollar aus dem Markt. Das ist 67-mal der ursprüngliche Einsatz – das wäre ein grandioses Ergebnis einer Altersvorsorge-Anlage. Und bis auf die Baisse 2000 bis 2003 gab es zwischendurch nicht einmal größere Rückschläge.

Aktien dieses Kalibers gibt es im Dax nicht. Ähnlich wie im Dow Jones ist nun zwischen 9500 und 9800 eine brisante Situation entstehenden, die zu einem längeren und sogar schweren Absturz führen kann. Allerdings, wie schon vor einer Woche hier festgestellt, ist die große Baisse im Index noch nicht Fakt, da der Dax nach zwei Monaten Rückgang zumindest kurzfristig die Chance auf eine Gegenbewegung hat. Das Problem dabei: Um die große Bedrohung einer Abwärtswende aufzuheben, müsste der Dax in den nächsten Wochen über 11.500 Punkte hinauskommen. Das erscheint im derzeit angespannten Umfeld wenig wahrscheinlich.

Im Dax droht eine große Top-Bildung. Risiken im Depot zu begrenzen und beweglich zu bleiben – das ist jetzt das Wichtigste für Anleger.
von Anton Riedl

Fazit zum Dax: Auch wenn sich die Gefahr eines widerstandslosen Durchrutschens in den vergangenen Tagen etwas verringert hat und im guten Fall sogar eine technische Erholung möglich ist, bleibt die Situation insgesamt ausgesprochen riskant. Für antizyklische Investments (sei es in Qualitätsaktien wie Daimler oder in abgestürzte Engel wie BASF oder die Deutsche Bank) ist es noch zu früh.

Eine Dax-Aktie mit positiven Nachrichten: Siemens

Immerhin, es ist ein gutes Zeichen für den gesamten Markt, wenn ein mit vielen Branchen verflochtener Industriekonzern wie Siemens sein Gewinnziel erhöht. Im laufenden Geschäftsjahr, das bis Ende September geht, könnten bis zu 5,6 Milliarden Euro netto bleiben, so die jüngste Prognose von Siemens. Das wären, wenn man besondere Beteiligungserträge des vergangenen Jahres herausrechnet, an die fünf Prozent plus.

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Besonders beeindruckend ist die Auftragslage. Insgesamt hat Siemens 114 Milliarden an Aufträgen in den Büchern stehen, soviel wie noch nie seit 1847, der Gründung des Unternehmens. (Solche langfristigen Vergleiche tun immer dann besonders gut, wenn die aktuelle Lage wieder einmal besonders düster erscheint.)

Lebhafte Bestellungen in der Zug-Sparte, eine hochrentable Medizintechnik, mehr Windkraftanlagen und nun sogar im klassischen Energiegeschäft anziehende Aufträge – all das führt dazu, dass das Verhältnis von Aufträgen zu aktuellen Umsätzen bei 1,2 liegt. Das ist eine bequeme Relation und die Basis dafür, dass auch die nächsten Quartale nicht schlecht ausfallen werden.

Überschäumen werden die Gewinne deshalb nicht. Die Renditen sind stabil, aber sie ziehen trotz der guten Aufträge nicht an. Der 2014 teuer zugekaufte Ölindustrieausrüster Dresser-Rand bekommt die Investitionszurückhaltung in der Branche zu spüren. Allerdings fällt sie keineswegs so dramatisch aus, wie der Rückgang der Ölnotierungen nahelegen mag. Weltweit steigt die Menge des verbrauchten Öls weiter an. Der Bedarf an Ersatzteilen für Pumpen und Kompressoren, die Dresser liefert, ist ungebrochen.

Siemens-Aktien sind in den vergangenen Monaten ziemlich genau wie der Kurs-Dax gelaufen, der Dax ohne Dividendeneinrechnung. Durch den jüngsten Kursanstieg wurde eine Phase eingeleitet, in der Siemens etwas besser abschneiden könnte als der Gesamtmarkt. Für den Kauf einer Basisaktie wie Siemens sollten Anleger aber abwarten, bis die Tendenz über die große Marktrichtung entschieden ist. Bis es soweit ist, dürften Siemens-Aktien weiter in der Bandbreite zwischen 80 und 100 Euro pendeln.

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