Auch Janet Yellen ist - angesichts einer vorübergehend etwas moderateren US-Konjunktur und wahrscheinlich wegen der empfindlichen Folgen an den Märkten - wieder von der Wendepolitik abgerückt. Dass es vor der Präsidentschaftswahl im November abermals einen Richtungsschwenk gibt, ist wenig wahrscheinlich.
Bemerkenswert ist die Reaktion an den Währungsmärkten. Denn genau seit Anfang Dezember, als Yellen ihren Wendeversuch startete, drängt der Euro nach oben. Offensichtlich haben die Währungsmärkte schon damals darauf gesetzt, dass es nicht zu einem nachhaltigen Anstieg der US-Zinsen kommt.
Was aber passiert dann erst an den Währungsmärkten, wenn Yellen wieder ganz und gar Abstand vom Wendegedanken nimmt? – Geht dann der Euro durch die Decke?
Genau diese Aussichten dürften dazu beigetragen haben, dass Draghi seit einigen Wochen bei seinen Expansionsschritten noch einmal Tempo gemacht hat. Und sie sind auch der Grund dafür, warum Diskussionen wie negative Zinsen und Bargeldverbot in den nächsten Monaten wieder verstärkt hochkommen dürften. Spätestens wenn der Euro wirklich über die Marke von 1,15 Dollar steigt, sind verbale Interventionen Draghis wahrscheinlich – und Hinweise darauf, welche expansiven Möglichkeiten die EZB noch in ihrem geldpolitischen Werkzeugkasten hat.
Korrektur-Ziele und Chance auf langfristigen Anstieg
Während der Dow Jones seinen Jahresanfangsverlust komplett ausgeglichen hat und sogar schon wieder drei Prozent oberhalb seiner 200-Tage-Linie rangiert (ein klares Stärkezeichen), dreht der Dax weit vor der sinkenden 200-Tage-Linie wieder nach unten - ein klassisches Schwächezeichen. Der moderate Konjunkturverlauf in Deutschland und die Aussicht auf weiterhin extrem niedrige Zinsen wirken an den Märkten offensichtlich weniger als die Angst vor einem Euro-Anstieg.
Die Schwäche geht durch den gesamten Markt. Bei den Finanzwerten fiel schon die jüngste Erholung mau aus, Autoaktien als klassische Exportwerte sind seit Wochen angeschlagen, selbst Pharmaklassiker wie Bayer oder Merck zieht es nach unten (wie übrigens derzeit in ganz Europa). Eigene, kurzfristig positive Entwicklungen wie bei der Lufthansa, bei Thyssenkrupp oder Vonovia, spielen für die Gesamtrichtung des Index keine Rolle.
Bei zwei Dritteln der Dax-Aktien verlaufen die Kurse unterhalb der 200er-Linie. Dieses Bild passt zum Szenario einer Korrektur, die nach sieben Wochen Bärenmarktrally nun anstehen dürfte. Wenn man ein genaues Rechenspiel macht und eine 38-Prozent-Korrektur des vorangegangen Anstiegs (539 von 1419 Punkten) ansetzt, ergäbe das vom Top bei 10.115 ein theoretisches Ziel bei 9576. Etwas weiter gefasst könnte man sagen, dass der gesamte Bereich zwischen 9600 und 9400 in den nächsten Wochen nicht unterschritten werden sollte. Wenn (spätestens) hier dem Dax die Stabilisierung gelingt, hätte er dann im zweiten Halbjahr eine reelle Chance, seinen großen Aufwärtstrend fortzusetzen. Geht es – wider Erwarten – unter 9400, dann sieht es schlecht aus für dieses positive Szenario.