Riedls Dax-Radar

Wie tief der Dax noch sinken kann

Die Zitterpartie an den Aktienmärkten hält an, der Dax hat die 9500 Punkte unterschritten, die Gefahrenzone reicht noch viel weiter runter. Welche Aktien für erste Rückkäufe infrage kommt – und welche nicht.

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DAX nimmt Kurs auf 7500 Punkte. Quelle: dpa, Montage

An den Aktienmärkten findet eine Anpassung statt. Bis Dezember gingen die meisten Anleger davon aus, dass die Folgen der Krisen den Märkten kaum schaden – mehr noch: Sie seien im Grunde der Motor des Anstiegs. Also: Wegen der Krisen sind die Zinsen so niedrig, und deshalb sind Aktien das wichtigste Anlagemedium. Andererseits ist die Wirtschaft aber so schwach auch wieder nicht - und damit bleibe die Aussicht auf moderat steigende Unternehmensgewinne erhalten. Beides führte seit der Finanzkrise zu einer ziemlich stabilen Hausse.

Zu diesem Mix aus moderater Konjunkturentwicklung und niedrigen Zinsen sind seit vergangenem Jahr zwei Krisenkomplexe hinzugekommen: Die abflauende Dynamik in China inklusive möglicher Folgen für die Weltwirtschaft sowie die Rohstoff- und Ölpreisbaisse und die damit verbundene Schwäche der Schwellenländer.

Alle Dax-Aktien im Check für 2016

An den Aktienmärkten selbst erfolgte im Januar der Umschwung: Der Glaube daran, dass diese Krisen eines Tages doch gemeistert werden, ist weitgehend verflogen. Zeichen dafür sind die massiven Kursverluste an den Aktienmärkten und erstmals seit mehreren Jahren eine echte Erholung beim Gold, das derzeit wieder in die Funktion der Krisenversicherung rückt. Der verstärkte Blick auf die Risiken und nicht auf die Chancen lässt sich auch an den gestiegenen Volatilitäts-Indizes ablesen, die erstmals seit dem Kurssturz von 2011 wieder Krise signalisieren.

Daimler bald reif zum Einstieg

Was das für Einzelaktien bedeutet, zeigt der jüngste Kursverfall bei Daimler. Obwohl die Stuttgarter auf Rekordniveau produzieren, eine vielversprechende Modellpalette haben und netto so rentabel sind wie nie zuvor, wird die Aktie verkauft. Selbst wenn man auf dem erreichten hohen Niveau keine deutlichen Gewinnsteigerungen annimmt, sind Daimler-Aktien analytisch mittlerweile billig geworden – und sehr rentabel dazu, denn die Dividende dürfte auf absehbare Zeit mindestens gehalten werden. Daimler-Aktien sollten im Dax zu den ersten Papieren gehören, die wieder reif für einen Rückkauf oder einen Neukauf sind.

Das sind die besten Dividendenzahler 2016

Natürlich werden sie sich in einem schwachen Gesamtmarkt der allgemeinen Tendenz nicht entziehen können. Seit der Finanzkrise ist die Daimler-Aktie von 17 Euro auf 96 Euro gestiegen. Das sind 79 Euro Gewinn. Wenn sie davon in klassischer Weise rund 40 Prozent wieder verliert (32 Euro), ergäbe das ein Kursziel von 64 Euro.

Dass diese Projektion mittlerweile unterschritten ist, kann man einerseits als Übertreibung deuten, andererseits als Zeichen für den aktuell besonders gefährlichen Krisenmix. Wahrscheinlich ist es beides. So gesehen könnte es noch eine Station tiefer gehen, vielleicht in die Bandbreite zwischen 60 und 55 Euro. Hier sollte sich dann aber eine erste Gelegenheit zu Rückkäufen ergeben.

Wieder auf Deutsche Bank spekulieren? - Noch nicht

Seitdem die Aktie der Deutschen Bank vergangenen Herbst unter die Grenze bei 23 Euro gerutscht ist, war es vorbei mit der Hoffnung auf die große Aufwärtswende. Schlimmer noch: Mit dem nachfolgenden Kursrutsch gab die Aktie schwere, langfristige Verkaufssignale wie einst die Commerzbank in der Finanzkrise oder die Versorger im Zuge der Energiewende. Wenn eine Aktie so schwere Verkaufssignale gibt, sollten Anleger grundsätzlich sehr vorsichtig sein.

Das extrem negative Kursbild der Deutschen Bank passt auch zu dem, was der neue Chef nach außen kommuniziert: Obwohl die Bank mit einem Rekordverlust schon viele Belastungen verbucht hat, sind die verbleibenden Risiken offensichtlich noch so erheblich, dass Anleger nicht mit einer schnellen Erholung rechnen können.

Was Analysten für das Anlagejahr 2016 erwarten
Deutsche Bank Quelle: REUTERS
Deka BankDie Fondsspezialisten der Sparkassen erwarten, dass der Goldpreis im kommenden Jahr deutlich unter die kritische Marke von 1000 Dollar fallen wird. S&P 500: 2000 Punkte Nikkei: 17000 Punkte Gold: 960 Dollar Öl: 57 Dollar Euro/Dollar: 1 Dollar Bundesanleihen 10 Jahre: 1 Prozent US-Treasury Rendite 10 Jahre: 2,9 Prozent Quelle: dpa
PostbankIm Gegensatz zur Deka Bank ist die Postbank beim Goldpreis etwas optimistischer. Ein möglicher Impuls kommt von der Schmucknachfrage, da die Konjunktur in Indien zuletzt deutlich besser lief als erwartet. S&P 500: 2250 Punkte Nikkei: 21750 Punkte Gold: 1100 Dollar Öl: 57 Dollar Euro/Dollar: 1 Dollar Bundesanleihen Rendite 10 Jahre: 1,0 Prozent US-Treasury Rendite 10 Jahre: 2,75 Prozent Quelle: dpa
Berenberg BankDeutschlands älteste Privatbank ist im Vergleich zur Konkurrenz vergleichsweise optimistisch, was den Euro angeht. S&P 500: 2200 Punkte Gold: 1150 Dollar Öl: 55 Dollar Euro/Dollar: 1,15 Dollar Bundesanleihen 10 Jahre Rendite: 1,1 Prozent US-Treasury Rendite 10 Jahre: 2,8 Prozent Quelle: obs
SantanderS&P 500: 2250 Punkte Gold: 1050 Dollar Öl: 55 Dollar Euro/Dollar: 1 Dollar Bundesanleihen Rendite 10-jährige: 0,9 Prozent US-Treasury Rendite 10-jährige: 2,75 Prozent Quelle: AP
Credit Suisse Quelle: REUTERS
Commerzbank Quelle: dpa

Eigentlich ist es ein Witz, dass die wichtigste Bank der wichtigsten europäischen Volkswirtschaft an der Börse gerade noch 15 Milliarden Euro wert ist (zum Vergleich: Das allein wird der amerikanische Telekomriese AT&T in diesem Jahr netto verdienen). „Billig“ für Anleger ist sie dennoch nicht. Denn egal, ob es doch noch zu einer Kapitalerhöhung kommt oder – im schlimmsten Fall, wie bei der Commerzbank – sogar zu einer staatlichen Rettungsaktion, bezahlen werden die Sanierung die bisherigen Aktionäre. Dass sich aus dem Kursbild der Aktie theoretisch ein Rückschlag unter zehn Euro ableiten lässt, ist ein Zeichen für das enorme Risiko, das immer noch in dieser Aktie steckt.

Dax-Risiko bis etwa 7500 Punkte

Zwischen der günstig bewerteten Daimler-Aktie und dem Hochrisiko-Papier Deutsche Bank wird sich auch der Gesamtmarkt wieder neu einpendeln müssen. Der Rückgang im Januar war so scharf, dass er viele große und kleine Anleger auf dem falschen Fuß erwischt hat. Das einsetzende Umdenken und die Neupositionierungen in den Depots wird nächsten Monate dauern.

Den Kurssturz der Deutschen Bank scheint nichts aufzuhalten. Sie leidet wie die gesamte Branche unter dem tiefen  Misstrauen der Investoren. Aber die Frankfurter haben noch ein paar Probleme mehr als die Konkurrenz.

Für den Dax insgesamt gehen die durchschnittlichen Hochrechnungen der Analysten für 2016 noch immer von einem Gewinnplus von 15 bis 20 Prozent aus. Das dürfte illusorisch sein, wenn sich aller Voraussicht nach selbst ein Top-Wert wie Daimler schwer tun wird, die Zahlen von 2015 zu übertreffen.

Wenn man angesichts des moderaten Konjunkturverlaufs in Europa sowie in den USA und der Risiken in den Schwellenländern einen marginalen Gewinnanstieg für 2016 annimmt, könnte man vorsichtig gerechnet für den Dax insgesamt auf rund 700 Euro Nettogewinn kommen. Bei einer günstigen Bewertung um zwölf ergäbe das ein Kursniveau um 8400. Bei einer Übertreibung nach unten könnte es im Zuge einer zehnfachen Bewertung sogar bis auf 7000 Punkte hinab gehen.

Bemerkenswerterweise ergeben sich aus dem Kursbild ähnliche Ziele. Wenn man die Schwankungen der vergangenen zwei Jahre als obere Wende interpretiert, die seit dem Rutsch unter 9800 mit einem Verkaufssignal abgeschlossen wurde, könnte theoretisch ein Rückgang bis in den Bereich 7500/7000 Punkte folgen.

Auch bei Erholung ist Vorsicht geboten

Fazit: An der brandgefährlichen Situation, die seit Anfang Januar im Dax entstanden ist, hat sich bis zur Stunde nichts geändert. Natürlich wäre nach zwei schwachen Monaten (Dezember und Januar) zunächst wieder eine Gegenbewegung oder mindestens eine Stabilisierung an der Reihe. Doch dass der Dax trotzdem ausgesprochen schwach ist und jede Erholung im Sande verläuft (im Börsenjargon „abverkauft“ wird), mahnt zur Vorsicht. Werterhalt des Depots (über Absicherungen) und Beweglichkeit (reichlich Barreserve) bleiben oberstes Gebot. Vereinzelt, wie im Fall Daimler, können erste Rückkäufe von Qualitätsaktien geplant werden.

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