Rohstoffe „Rohölgott“ beschwört Ende des Booms

Andy Hall, auch als „Gott des Rohölhandels“ bekannt, hält Fracking für einen Blindgänger. Er wettet auf steigende Ölpreise. Experten sind skeptisch. Sollte Hall jedoch richtig liegen, wäre es das Geschäft seines Lebens.

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Ölmarktexperte Andrew Hall hat das Fracking im Visier. Seiner Meinung nach ist der Hype um die neuartige Förderungsmöglichkeit überzogen. Quelle: Reuters

Andrew John Hall, von einigen seiner Kollegen auch als „Gott des Rohölhandels“ genannt, hat seinen Erfolg auf einem einfachen Credo aufgebaut: Alle, die nicht seiner Meinung sind, irren sich.

In den letzten 30 Jahren ist er mit dieser Strategie die meiste Zeit extrem gut gefahren. Wie ein Poker-Spieler mit einer schier endlosen Glückssträhne hat Hall den Unternehmen, für die er eine aggressive Wette nach der anderen einging, Milliarden verdient. Er war einer der wenigen Händler, die sowohl die Rally als auch den Einbruch der Ölpreise im Jahr 2008 vorhergesehen hatten, berichtet Bloomberg Markets in der Oktober-Ausgabe.

Hall war so erfolgreich, dass er 2008 als Chef der Handelssparte Phibro von Citigroup eine Vergütung von 98 Millionen Dollar erhielt. Im folgenden Jahr hätte er erneut rund 100 Millionen Dollar eingestrichen, was jedoch von den Aufsichtsbehörden vor dem Hintergrund der Rettungsaktion für die Bank gestoppt wurde.

Seine Wette auf immer weiter steigende Ölpreise stürzt nun kopfüber in eine unerwartete Energierevolution – den frenetischen Vorstoß in den USA und andernorts, Öl aus Schiefergestein zu gewinnen. Solche Bohrungen haben die Ölproduktion in den USA auf das höchste Niveau seit 27 Jahren steigen lassen, sodass die Vereinigten Staaten im vergangenen Jahr 84 Prozent ihres Energiebedarfs decken konnten.

Die Ölpreise sind weit davon entfernt, die von Hall vorausgesagte Aufwärtstendenz einzuschlagen und sind seit 2011 im Wesentlichen unverändert. In zwei der letzten drei Jahre fuhr der leidenschaftliche Ruderer daher Verluste ein.

„Man kann bei dem Spiel nicht mitmischen, ohne ab und zu gegen die Wand zu fahren“, sagt Tom O'Malley, Chairman des Raffinerieunternehmens PBF Energy. „Wer gegen Andy Hall wettet, läuft Gefahr, eine schlechte Wette einzugehen.“

Hall selbst bleibt von all dem unbeeindruckt und steht zu seiner Ansicht, dass es bei den Ölpreisen letztlich aufwärts gehen wird, zeigen seine Kommentare in verschiedenen Briefen an die Investoren. Der 63-Jährige setzt alles auf eine Karte und ist fest davon überzeugt, dass der Fracking-Boom schneller zur Neige gehen wird als viele Analysten erwarten. Seiner Einschätzung nach wird das dazu führen, dass die Preise in fünf Jahren oder weniger auf bis zu 150 Dollar je Barrel zulegen werden.


Hall hat drei Gangschaltungen: lang, länger und wirklich lang

Immer größere Summen seines eigenen Geldes steckt er in diese Wette und kauft langlaufende Terminkontrakte zur Lieferung in fernen Jahren wie 2019, ergaben Gespräche mit zwei Dutzend aktueller und ehemaliger Mitarbeiter und Berater, die mit dem Handelsverhalten von Hall vertraut sind, dazu aber nicht öffentlich Stellung nehmen dürfen.

„Wie einer meiner Kunden einst zu mir sagte, hat er drei Gangschaltungen: lang, länger und wirklich lang“, erklärt Philip Verleger, President von PK Verleger in Carbondale, Colorado, sowie Berater und Ökonom, den Hall manchmal um Rat fragt.

Um Abnehmer zu finden, bieten die Verkäufer – normalerweise Schiefer-Unternehmen, die den Boom mit massenhaften Schulden finanzieren – die langfristigen Kontrakte mit Rabatt gegenüber den Marktpreisen an.

Halls Strategie, die er in einem Investorenbrief vom Mai eher mit der eines „Kredithais“ verglich als mit Marktspekulation, hat bereits erste Früchte getragen. Im Februar wechselte ein Futures-Kontrakt für ein Barrel Öl der US-Sorte West Texas Intermediate zur Lieferung im Dezember 2019 für 76 Dollar den Besitzer. Im Juli wurden diese Kontrakte für 88 Dollar verkauft. Das heißt, Hall würde 12 Dollar pro Barrel verdienen, wenn er verkauft. Die Krux ist jedoch, dass er den Kontrakt wahrscheinlich halten wird, in der Hoffnung, das Geld für sich und seine Kunden zu verdoppeln – damit riskiert er seinen Ruf.

Über Prognosen wie die des Ölanalysten Edward Morse von Citigroup, der einen Rückgang des Ölpreises auf 75 Dollar voraussagt, ärgert sich Hall wirklich, sagen Personen aus Halls Umfeld. „Wir sind nicht sicher, was seine Überzeugung stützt“, schrieb Hall in einem Juni-Investorenbrief, ohne jedoch Morse beim Namen zu nennen. „Es sind offenkundig keine Fakten oder Analysen.“

Halls größtes Problem mit dem Szenario fallender Ölpreise ist, dass darin der Keim ihrer Umkehrung enthalten ist. Schiefer-Bohrungen sind von einem hohen Ölpreis abhängig. Fällt der Ölpreis gen 75 Dollar je Barrel, wird ein Großteil der neuen US-Produktionswelle unprofitabel, was die Produktion schmälern würde, schrieb Hall im April. Der daraus resultierende Engpass würde die Preise wieder antreiben.


Gewagte Fragen und steile Thesen

Außerdem hat die Förderung aus Schiefergestein in den meisten Teilen der Welt mit ökologischen, politischen und technischen Hindernissen zu kämpfen, die hemmend wirkten, schrieb Hall im Juni. Ihm zufolge gibt es zwar jede Menge Öl in der Welt, neues Öl ist aber nicht billig zu erschließen.

Energiegiganten wie Russland und Saudi-Arabien verfügten zwar über große Vorkommen, um die Förderniveaus beizubehalten, seien jedoch beträchtlich höhere Investitionen nötig. In einem Juni-Brief verwies er auf die Aussage eines OAO-Lukoil-Managers, dass es Erschöpfung der traditionellen russischen Reserven drohe.

In einer Mitteilung vom April stellte Hall die gewagt anmutende Frage, ob die internationalen Ölunternehmen am Ende seien. Exxon Mobil und seine vier größten Rivalen haben demnach in den letzten zehn Jahren zusammen einen Gewinn von über einer Billion Dollar erwirtschaftet, doch fast jeden eingenommen Cent wieder ausgegeben. Das sei so, als ob man so schnell wie möglich renne und sich doch nicht von der Stelle bewege, schrieb Hall.

Den Fracking-Boom in den USA hält er für einen Blindgänger, weil einige Quellen schnell erschöpften und ein so großer Teil kreditfinanziert sei. Außerdem wurden seiner Einschätzung nach bereits die besten Gebiete erschlossen, die so genannten „Sweet Spots“. Hall zufolge wird sich das Wachstum der Schiefer- Förderung in diesem Jahr mäßigen, und die US-Produktion wird möglicherweise bereits 2016 ihren Hochpunkt erreichen.

Es gibt Anzeichen dafür, dass er den richtigen Riecher haben könnte. Bei der Bakken-Formation in North Dakota und Eagle Ford in Texas, die fast für den gesamten Anstieg der US- Förderung verantwortlich waren, fiel das Output-Wachstum im Juli im Vorjahresvergleich zusammengenommen erstmals seit Februar 2010 unter 30 Prozent.

„Er ist ein phänomenaler Händler“, sagt David Neuhauser, ein Vermögensverwalter von Livermore Partners. „Ich glaube, dass er mit den langfristigen Preisen Recht hat, wir sind im gleichen Lager. Ich weiß allerdings nicht, wie lange der Markt brauchen wird, um auch an diesem Punkt anzukommen.“

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