Rohstoffspekulation "Finanzanleger bescheren Bauern Zusatzerträge"

Investoren, die auf steigende Agrarpreise setzen, verstärken den Welthunger nicht, sagt der Marktanalytiker Dimitri Speck. Warum er denkt, dass ohne Rohstoffspekulanten der Hunger sogar zunimmt.

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Freispruch - Börseninvestments in Weizen oder Soja sind nützlich, sagt Rohstoffexperte Speck Quelle: Martin Hangen für WirtschaftsWoche

WirtschaftsWoche: Herr Speck, Ex-Finanzminister Peer Steinbrück fordert ein Verbot von Investmentprodukten, die die Preise von Agrarrohstoffen abbilden. Sie dienten vorwiegend der Spekulation. Mit den zunehmenden Beträgen, die Finanzanleger an den Terminmärkten in Rohstoffkontrakte investiert haben, sind die Nahrungsmittelpreise tatsächlich nach oben gegangen. Sie bestreiten, dass es hier einen Zusammenhang gibt. Wie kommen Sie darauf?

Dimitri Speck: Es gibt den Zusammenhang nicht. Derzeit etwa verabschiedet sich eine Bank nach der anderen wegen des öffentlichen Drucks aus dem Geschäft mit Agrarrohstoffen. Es gibt kaum noch Mittelzuflüsse, aber die Agrarpreise sind weiter gestiegen.

Spürbar abgenommen haben die investierten Summen aber auch nicht.

Die Größenordnung der investierten Beträge an den Terminmärkten relativiert sich, wenn man die Größe des Gesamtmarkts betrachtet. Bei Weizen etwa liegen sie bei fünf Prozent der Weltjahresernte. Ich bestreite ja nicht, dass seit 2005 gewaltige Summen in die Rohstoffmärkte geflossen sind. Die Finanzanleger, die an den Terminmärkten Rohstoffanlagen kaufen, also neben institutionellen Investoren auch Privatanleger, die etwa Zertifikate auf Weizen kaufen, sind aber nicht für die steigenden Preise verantwortlich. 2006 gab es hohe Mittelzuflüsse in die Rohstoffmärkte, die Preise aber liefen seitwärts. Hingegen stiegen die Preise 2007 bei abnehmenden Mittelzuflüssen. Und während des Preiseinbruchs 2008 kam es kaum zu Abflüssen.

Aussichtsreiche Agrarinvestments

Und von 2009 an?

Da war tatsächlich bis Anfang 2011 ein Gleichlauf zu erkennen. Das war aber einer gemeinsamen Ursache, dem Fluten mit Zentralbankgeld, geschuldet. Das hat sowohl die Anlagemärkte belebt als auch die physische Nachfrage nach Rohstoffen durch die Erholung der Weltkonjunktur.

Die Kritiker leugnen nicht, dass es fundamentale Gründe für einen Preisanstieg gibt, bei Nahrungsmitteln etwa das Wachstum der Weltbevölkerung und begrenzte Anbauflächen. Diese Faktoren aber wirkten langfristig und könnten das Tempo und die Höhe der Preisanstiege nicht erklären. Dafür seien Finanzanleger verantwortlich.

Wenn dem so wäre, dann frage ich mich, warum Notenbanken nicht einfach am Terminmarkt als Verkäufer auftreten. Der Hunger wäre besiegt, und die Inflation ließe sich so auch bekämpfen. Im Ernst, die Argumentation der Kritiker ist schwach. Sie sehen die Schuld der Investoren als bewiesen an, weil sie keine andere Erklärung für die Preissteigerungen haben. Preisblasen können sich aber auch ganz ohne Investoren an den Terminmärkten bilden.

Wo zum Beispiel?

Übersicht zur Preisentwicklung von Rhodium (zum Vergrößern bitte Bild anklicken)

Nehmen Sie Rhodium, das zum Beispiel für Katalysatoren gebraucht wird. Dessen Preis hatte sich, obwohl es überhaupt keinen Terminmarkt für Rhodium gibt, binnen fünf Jahren bis Mitte 2008 etwa verzwanzigfacht. Anschließend platzte die Preisblase binnen weniger Monate.

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