Angesichts der gewaltigen Devisenreserven Chinas sollte es an Kapital doch nicht fehlen.
Zulauf: Der Mangel an ausländischem Kapital bewirkt eine Rückkopplung epischen Ausmaßes auf Chinas Unternehmen. Jahrelang hat China den Renminbi schleichend aufgewertet und die Zentralbankbilanz hat sich dennoch immer weiter verlängert, in dem sie US-Dollars und Euros aufkaufte und Renminbis verkaufte um die Aufwertung abzufedern. Das Resultat war eine massive Erhöhung im Banken- und Wirtschaftssystem, was dann zu besagtem Kreditboom führte. Chinas Regierung will jetzt langsam Luft aus diesem Ballon entweichen lassen. Aber ich bezweifle, dass das gelingt, denn die Handlungsspielräume sind in so einer Situation sehr eingeschränkt.
Welche Optionen hat China?
Zulauf: Chinas Zentralbank hat jetzt im Grunde nur zwei Möglichkeiten: Entweder sie hält ihre Währung stabil, wie sie es bis Anfang Februar versucht hat. Weil sie dafür Devisenreserven verkauft hat, kam es schon seit Sommer 2013 immer wieder zu Turbulenzen am Interbankenmarkt. Das heißt, sie verkauft US-Dollars und Euros und kauft Renminbis, was zu einem Liquiditätsentzug führt. Oder sie stützt den Interbankenmarkt, um die Kreditklemme zu lösen. Dafür muss sie Liquidität bereitstellen, das heißt, sie verkauft Renminbis und kauft US-Dollars und Euros, was zu einer Vergrößerung der Zentralbankbilanz und somit der Geldmenge führt. In der Konsequenz wertet dann die Währung ab, wie es Mitte Februar geschehen ist. Beides, stabiler Wechselkurs und genügend Liquidität im Interbankenmarkt zugleich, geht nicht, wenn die Zahlungsbilanzdynamik sich ändert.
Also droht ein Abwertungswettlauf bei den Schwellenländerwährungen?
Zulauf: Das ist die finanzwirtschaftliche Komponente. Realwirtschaftlich haben japanische Unternehmen Rückenwind. Durch die Abwertung des Yen konnten sich Japans Unternehmen einen größeren Anteil am Exportkuchen sichern. Wenn China nun seinerseits mit einer Abwertung der eigenen Währung liebäugelt, erhöht das den Konkurrenzdruck und drück die Gewinnmargen. Andere Exportländer wie Taiwan oder Korea verschärfen den Verdrängungswettbewerb am Exportmarkt. In der Konsequenz sollte das die Inflation in den USA zumindest stabilisieren oder in der Tendenz sogar drücken, weil die USA als größter Abnehmer der Produkte aus Fernost von den billigeren Importen profitieren. Das wiederum wird die Zinsen in den USA nach unten ziehen und den Dollar-Yen-Wechselkurs belasten. Dann verstärkt sich die Abwärtsspirale - ein wechselseitiger Prozess, wie wir ihn in Japan und den USA schon in den vergangenen 15 Monaten beobachten konnten. Der verbilligte Yen sorgte für einen Anstieg des Aktienindex Nikkei als Folge von steigenden Zinsen bei den US-Staatsanleihen. Dieser Trend scheint nun ebenfalls die Richtung zu wechseln.
Wie bedeutet die Schwellenländerkrise für die anderen großen Börsenplätze?
Zulauf: Das wirkt vor allem auf die Aktienmärkte, die bislang stark von Chinas Aufschwung profitiert haben. Vor allem die exportorientierten Unternehmen in Europa sind dann die großen Verlierer, weil sich deren Waren für Schwellenländer verteuern. Nur die US-Börse dürfte weniger stark betroffen sein.