Russische und ukrainische Anleihen Die Hedgefonds kommen

Einige besonders hartgesottene Hedgefonds investieren derzeit gezielt in russische und ukrainische Anleihen und Aktien.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Ein Händler schaut in Frankfurt am Main (Hessen) im Handelssaal der Börse auf seine Monitore, während im Hintergrund ein Nachrichtensender über die Krise auf der Krim berichtet. Quelle: dpa

Noch schweigen die Waffen, zumindest weitestgehend, im Konflikt zwischen Russland und der neuen Übergangsregierung (respective: den Putschisten, nach Moskauer Lesart), und die Welt hofft, dass dies so bleibt.

An der Moskauer und vor allem der Kiever Börse hat der Konflikt einen Crash ausgelöst. Unternehmer, Banken und Investoren fürchten sich vor einer Ausweitung; die meisten internationalen Großanleger haben den beiden Börsenplätzen den Rücken gekehrt. Doch in London und New York setzen bereits einige besonders unverfrorene Anleger zur Schnäppchenjagd in der Krisenregion an.

Kapitalflucht aus dem Osten

Allein aus russischen Aktien und anderen Beteiligungen könnten seit Beginn des Konfliktes (bzw. in den ersten drei Monaten 2014) mehr als 70 Milliarden US-Dollar abgeflossen sein, schätzt der stellvertretende russische Wirtschaftsminister Andreij Klepach. Noch vor elf Tagen hatte Präsident Vladimir Putins Wirtschaftsberater Alexeij Kudrin von rund 50 Milliarden Dollar Mittelabflüssen infolge der Krise gesprochen.

Die Krise hinterlässt tiefe Spuren am russischen Markt, und die dortigen Aktien sind nach menschlichem Ermessen nun fast schon spotthaft billig; der weltgrößte Gasexporteur Gazprom etwa kommt auf ein geschätztes Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von nur noch rund 2.

Das lockt nun offenbar Hedgefonds auf Schnäppchenjagd an. Und sie gehen dahin, wo’s weht tun kann: Nicht nur in Russland, sogar in der Ukraine kaufen sie. Andriy Nesteruk, Leiter Asset Management bei der ukrainischen Investmentbank Jasper in Kiev, der für westliche Kollegen Deals einstielt und auch einen eigenen Hedgefonds für ukrainische Assets betreibt, bemerkt „hohe Handelsvolumina, seit der Konflikt sich zugespitzt hat, aber noch keine eindeutige Richtung im Sinne eines Käufer- oder Verkäuferüberhanges.“

Käufer seien aber duraus da, es sei „kein Audverkauf“, so Nesteruk.

In anderen Worten: Die Vorsichtigen verkaufen (Namen nennt Nesteruk nicht), und die Draufgänger kaufen ihnen die Bonds und Aktien günstig ab.

Die Hedgefonds kommen

Namentlich die drei Hedgefonds Greylock, Carlyle Group und Golden Tree haben in den vergangenen Wochen massiv ukrainische und  russische Wertpapiere gekauft, das geht aus einigen Interviews mit Nachrichtenagenturen, Reden auf Symposien und Briefe an Kunden hervor. Die Fonds fingen damit teilweise bereits im vergangenen November an, als die Proteste gegen den prorussischen Präsidenten Viktor Janukovich auf dem Maidan und anderswo in der Nord- und West-Ukraine hochkochten und die Kurse in Kiew erstmals in den Keller gingen.

Die meisten der Hedgefonds wetten mit Staatsanleihen: Der ukrainische Staat hat derzeit Bonds in einem nominellen Wert von rund 45 Milliarden Dollar ausstehen; die in US-Dollar denominierten Staatsanleihen werfen derzeit eine Rendite von rund 12 Prozent ab, so JP Morgan.

Chancen für die Ukraine

Die Krise auf der Krim und die drohende Intervention Russlands verunsichert Investoren, die Börsen geben weltweit nach. Während der Dax Verluste macht, flüchten Anleger in den "sicheren Hafen" Gold.

Die meisten der Hedgefonds wetten mit Staatsanleihen: Der ukrainische Staat hat derzeit Bonds in einem nominellen Wert von rund 45 Milliarden Dollar ausstehen; die in US-Dollar denominierten Staatsanleihen werfen derzeit eine Rendite von rund 12 Prozent ab, so JP Morgan.

“Ukrainische Staatsanleihen waren besonders gesucht, aber einige haben auch bei ukrainischen Unternehmensanleihen zugelangt“, zitiert die russische Nachrichtenagentur ITAR-TASS einen Händler in Kiew.

Beide Länder, Russland wie auch die Ukraine, seien nun “fundamental extrem günstig bewertet”, sagte Peter Rup von Artemis Wealth Advisors  der Nachrichtenagentur Bloomberg am Mittwoch. Steven Tananbaum von Golden Tree sagte auf einem Branchensymposium in New York vergangene Woche, russische Staatsanleihen seien „mindestens 50, wahrscheinlich eher 100 Basispunkte billiger als unser Fair-Value Modell ihnen zugesteht“, das sei noch die ungünstigste Annahme, nämlich, dass das Sanktions-Karussell sich weiter dreht und Russland eventuell westliche Gläubiger nicht mehr bedient.

Einmalige Chance

Bei Greylock hingegen heißt es, man sei derzeit vor allem an ukrainischen Schuldpapieren interessiert. Andrey Popel, einer der Chefs, ist ein gebürtiger Ukrainer, dem beste Verbindungen in das Land nachgesagt werden. “Die Ukraine hat die einmalige Chance, von einem der korruptesten zu einem der saubersten und unternehmerfreundlichsten Ländern Europas zu werden”, sagte Popel zu Bloomberg. Unglücklicherweise aber überschatte die Krimkrise diese historische Chance und, so räumt Popel ein, mache „die Sache“ zumindest kurzfristig erheblich schwieriger.

Greylock kaufte früh und verkaufte den Großteil seiner ukrainischen Staatsanleihen im vergangenen Dezember zwischenzeitlich: Nachdem Russland der Regierung Janukovich nochmals mit umgerechnet 15 Milliarden US-Dollar unter die Arme gegriffen hatte und die Bonds einen Kurssprung machten, nahm der Fonds Gewinne mit. Doch er kaufte sie im Februar billiger wieder zurück, außerdem investiert er inzwischen auch in zahlreiche hochriskante und entsprechend rentierliche ukrainische Unternehmensanleihen.

Laut Greylock-CEO Hans Humes hat der Hedgefonds seine Position in den Staatsschuldscheinen nun wieder etwas reduziert und kauft stattdessen die Anleihen ukrainischer Unternehmen, etwa die des ostukrainischen Stahlkonzerns Metinvest, die derzeit zweistellige Renditen abwerfen.

Über die Chancen in Russland ist Popel gepalten; er glaubt, dass dort die Kurse zwar langfristig unten sind, die Risiken aber zumindest kurzfristig noch erheblich seien. „Es ist sehr, sehr verlockend, in Aktien mit KGVs von unter 4 und in Unternehmensanleihen zu 60 oder 50 % zu gehen“ sagte er, “aber wir erwarten eine ernsthafte Wirtschaftskrise, die die Bond-Kurse weiter unter Druck bringen wird. Wir haben russische Assets im Visier, aber der Markt hat noch nicht kapituliert.”

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%