Dass die Nullzins-Politik der Europäischen Zentralbank (EZB) Sparer besonders hart trifft, ist nichts Neues. Doch wie hart die Einschnitte wirklich sind, das dürfte viele überraschen. Jeder Bundesbürger verliert durch den negativen Realzins – also der Rendite nach Abzug der Inflationsrate – im Schnitt 1,9 Prozent seines Einkommens. Das sind Hunderte Euro, und zwar Jahr für Jahr. Das zeigt der aktuelle Realzins-Radar der Onlinebank Comdirect und der Beratung Barkow Consulting.
Trotz dieser herben Einschnitte denken die Deutschen bei der Geldanlage bisher nicht um. Sie setzen weiterhin auf schwach oder gar nicht mehr verzinste Sparprodukte, die diesen Namen schon lange nicht mehr verdienen. Nur 14 Prozent der Deutschen besitzen Aktien oder Aktienfonds. Das ist im internationalen Vergleich eine sehr geringe Quote. Umdenken würde also Not tun. Aktien werden immer wieder als renditestarke Alternative oder doch zumindest Beimischung genannt.
Warum also scheuen die Deutschen diese Anlageform? Zu riskant, zu undurchsichtig, lautet das weit verbreitete Urteil. „Ein Melange aus Unkenntnis und Desinteresse hat zur weitgehenden Abstinenz der Deutschen bei der Aktienanlage geführt“, sagt Fondsmanager Christoph Bruns, Mitinhaber der Fondsgesellschaft Loys. Diese Mischung sei 50 Jahre lang kein allzu großes Problem gewesen, weil es auskömmliche Alternativen am Rentenmarkt oder bei Sparanlagen gab. „Seit der großen Finanzkrise 2007 und in den Folgejahren ist das anders“, so Bruns. „Urplötzlich sitzen die Zinsanleger in einer Falle und finden keinen Weg heraus aus dem Schlamassel.“
Aktien sind für viele nach wie vor keine Alternative. Dabei hat selbst die Bundesbank die Aktie als langfristig renditestärkste Anlageform geadelt. Je länger die Anlagedauer, desto geringer das Risiko. Doch bei den fleißigen Sparern treffen solche Argumente auf taube Ohren. Dabei sagte einst der legendäre Fondsmanager Peter Lynch: „Jeder kann Geld mit Aktien verdienen, wenn er nur seine Hausaufgaben macht.“
Ist es wirklich so einfach? Fondsmanager Bruns kann der Aussage Lynchs sehr viel abgewinnen. Er habe „ganz Recht“ mit seiner Einschätzung. Ähnlich sieht es Anja Metzger, Vorstand der Laureus Privat Finanz. „Grundsätzlich stimmt die Aussage, auch wenn man unterschiedlicher Auffassung sein kann, worin die Hausaufgaben bestehen.“
Dirk Wittich sieht das anders. Man müsse zunächst einmal hinterfragen, was „Hausaufgaben machen“ bedeutet, gibt der Kapitalmarktexperte bei der Sutor Bank zu bedenken. „Würde es dafür ein verbindliches, erfolgsversprechendes Verfahren geben, könnte wirklich jeder damit Geld verdienen“, sagt er. Doch das gibt es nicht. Im Gegenteil: Selbst Persönlichkeiten wie Warren Buffett liegen mit ihren Investmententscheidungen mal daneben – und das, obwohl er für eine akribische Vorgehensweise bekannt ist. „Es gibt schlicht zu viele Variablen, die man nicht exakt vorhersagen kann“, so Wittich. Und manchmal würden wenige Annahmen ausreichen, um komplett falsch zu liegen.
Welcher Investor ist schon unfehlbar? Hausaufgaben hin oder her. Fakt ist, dass sie, wenn man sie denn macht, Zeit kosten. Wie viel, das hängt ganz davon ab, ob man wie Peter Lynch sehr viel Zeit selbst investieren möchte oder aber auf professionelle Unterstützung baut – und einen Teil der Aufgaben durch andere erledigen lässt. Die Philosophie des populären Fondsmanagers und überzeugten Stock-Pickers Lynch lautete: „Ich drehe 100 Steine um und finde vielleicht zehn Ideen. Wer die meisten Steine umdreht, der gewinnt das Spiel.“ Lynch hat damit viel Geld gewonnen, aber mit einzelnen Investments natürlich auch Geld in den Sand gesetzt hat. Wie Buffett eben auch.
„Die grundlegendste Hausaufgabe liegt darin, zunächst zu schauen, welchen Teil des Vermögens oder der monatlichen Liquidität langfristig und chancenorientiert angelegt werden kann“, sagt Metzger von Laureus Privat Finanz. „Ist diese Arbeit gemacht, so lässt sich auch ohne großen eigenen Arbeitseinsatz Geld mit Aktien verdienen, indem man die Auswahl den Profis überlässt oder den breiten Markt über Indexlösungen abbildet.“