Schwere Vorwürfe der Justiz Kengeter stürzt die Deutsche Börse ins Chaos

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Chance auf Schadensersatz für Deutsche-Börse-Anleger?

Zahlte sie es, öffnete sie die Büchse der Pandora. Erstens würde die Börse durch ihre Zustimmung Fakten schaffen. Denn damit das Bußgeld rechtskräftig wird, muss ein Gericht es beschließen. Damit aber würde amtlich, dass das Unternehmen die Strafen bezahlt, weil Chef Kengeter sich des Insiderhandels und der Marktmanipulation schuldig gemacht hat. Weiterhin würde amtlich, dass Kengeter sogar vorsätzlich gehandelt hat. Denn für den Insiderhandel hat die Staatsanwaltschaft eine Buße über 5,5 Millionen Euro vorgeschlagen. Und das Gesetz über Ordnungswidrigkeiten sieht Bußen bis zu fünf Millionen Euro „im Falle einer fahrlässigen Straftat“ vor, Bußen bis zu zehn Millionen Euro „im Falle einer vorsätzlichen Straftat“.

Ein zweites Bußgeld über fünf Millionen Euro soll die Börse zahlen, weil Kengeter eine Adhoc-Meldung um Wochen zu spät veranlasst haben soll, mit der Anleger über die Fusionspläne informiert worden sind. Damit kommen wir zur Büchse der Pandora Punkt zwei: Sobald amtlich ist, dass die kapitalmarktrelevante Adhoc zu spät kam, könnten Anleger ihre Chance auf Schadensersatz ergreifen und das Unternehmen auf Millionen verklagen – schließlich haben einige von ihnen dann wohl zu teuer Aktien gekauft oder zu billig verkauft. Es könnte also nicht bei 10,5 Millionen Euro Bußgeld bleiben – die Angelegenheit könnte für die Börse dann erst richtig teuer werden.

Nimmt die Börse den Vorschlag der Staatsanwaltschaft hingegen nicht an, dürfte Kengeter erledigt sein. Zum einen, weil die Staatsanwaltschaft dann weiter ermitteln dürfte und ihn – das ist mein Gefühl nach all den mir vorliegenden Informationen – am Ende auch anklagen dürfte.

Schlimmer aber noch wiegt, dass der Aufsichtsrat seinen Vertrag, der im März ausläuft, nicht verlängern kann, solange die Sache nicht aus der Welt ist. Bis März aber dürfte sich die Staatsanwaltschaft in diesem Fall locker noch Zeit lassen. Am Ende stünde Kengeter womöglich ohne Vertrag da. Der Börse läuft daher jetzt die Zeit davon.

Was die Sache zusätzlich besonders schlimm macht, ist nicht nur der Punkt, dass die Börse als Dax-Konzern eins der größten deutschen Unternehmen ist. Die Deutsche Börse ist kein normales Unternehmen, in dem man lange auf die Unschuldsvermutung pochen kann. Sie hat einen öffentlich-rechtlichen Kern und sie ist hochpolitisch. Alle Beschäftigten in einem Unternehmen, das faktisch den Kapitalmarkt verkörpert, sollten dessen Regeln besonders streng auslegen - zuvorderst Kengeter. Der muss sich nicht nur an Gesetze halten, sondern sollte sich auch aus jeder rechtlichen Grauzone raushalten. Das Urteilsvermögen dazu hätte er als Investmentbanker haben müssen.

Kurzum: Faber sollte neben Kengeter gleich mit zurücktreten. Denn er trägt moralisch gesehen ebenso Schuld. Als Chef des Aufsichtsrates wäre es seine Aufgabe gewesen, Kengeter vom Kauf der Aktien zu jenem Tag abzuraten. So viel Feingefühl muss ein Aufsichtsrat mindestens mitbringen, um seiner Aufgabe gerecht zu werden.

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