Sentiment-Umfrage „Taucht der Dax ab, sind das Kaufkurse“

Die Rally am deutschen Aktienmarkt gerät ins Stocken. Gelingt dem Dax doch noch ein nachhaltiger Anstieg über 12.000 Punkte? Welche Schlüsse Anleger aus der aktuellen Gemütslage an den Börsen ziehen können.

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Anleger halten sich derzeit mit Aktienkäufen zurück. Quelle: dpa

Frankfurt Die jüngste Schwächephase am hiesigen Aktienmarkt drückt auf die Stimmung der Anleger: Nachdem der Dax bis Freitag seinen zuvor aufgebauten Wochengewinn nahezu vollständig wieder abgegeben hatte, macht sich nun Skepsis breit. Nur noch jeder vierte Investor rechnet kurzfristig mit steigenden Kursen. Langfristige Aktienkäufe plant sogar nur noch jeder Fünfte. Das zeigen die Ergebnisse der neusten Handelsblatt-Umfrage zur aktuellen Börsenstimmung. Bis auf 12.026 Punkte war der Leitindex vergangenen Mittwoch geklettert. Danach aber ging es rund 300 Zähler abwärts.

Wöchentlich werden bei dieser Umfrage mehr als 2.300 Anleger gefragt, wie sie die Lage an den Aktienmärkten einschätzen. Die Ergebnisse bewertet Stephan Heibel, Inhaber des Analysehauses Animusx. Seine Prognosen zur Dax-Entwicklung sollen Orientierung für die Geldanlage bieten. Wichtig ist dabei der Zeithorizont: Das Sentiment gibt keine Auskunft über die mögliche Marktrichtung am nächsten Tag und selten über die kommende Woche, wohl aber über die kommenden vier bis zwölf Wochen.

Unter dem Strich wertet der Sentiment-Experte den aktuellen Gemütszustand der Investoren als konstruktiv für die weiteren Aussichten an der Börse: „Das kann doch so nicht ewig weitergehen“ – diesen Grund führen Heibels Einschätzung viele Finanzmarktstrategen dafür an, dass die Dax-Rally bald enden müsse. „Doch eine Rallye stirbt nicht an Altersschwäche, sondern an Euphorie“, gibt Heibel zu bedenken. Und davon sei noch nichts zu sehen. Gegenwärtig sei die Erwartung denkbar pessimistisch, so dass eine negative Überraschung überhaupt keinen Platz habe. „Dafür kann der Dax aber positiv überraschen, und dann stehen viele insbesondere institutionelle Anleger ohne passende Aktienpositionen da“, so Heibel. Sie würden dann den Kursen hinterherlaufen.


Viele Anleger erwarten fallenden Kurse

Hintergrund: Die Sentiment-Theorie betrachtet die Stimmung unter Anlegern als Kontraindikator: Sind die Anleger optimistisch, droht ein Ausverkauf. Sind sie jedoch pessimistisch gestimmt, wie in diesen Tagen, so kann es kaum noch Verkäufer am Markt geben. Wer pessimistisch wird, der hat bereits verkauft – andernfalls hätte er noch Hoffnung auf bessere Kurse. Und wenn nun alle bereits verkauft haben, dann wird jeder, der vom Pessimisten zum Optimisten gewandelt wird zum Käufer, sorgt also für höhere Kurse.

Die aktuellen Ergebnisse im Detail: Nur 25 Prozent der Umfrageteilnehmer glauben momentan, dass sich der Dax in einem Aufwärtsimpuls befindet (plus ein Prozent im Vergleich zur Vorwoche). Dagegen meinen 30 Prozent (plus drei Prozent) in der Achterbahnfahrt der vergangenen Woche eine Topbildung zu erkennen. Sprich: Die nächste Richtung beim deutschen Aktienindex wird deren Ansicht nach abwärts sein. Einen Seitwärtstrend sehen nur noch 36 Prozent der Anleger – vier Prozent weniger als in der Vorwoche.

„Damit hat sich die Stimmung unter den Anlegern im Vergleich zur Vorwoche kaum verändert“, resümiert Heibel. In etwa gleichbleibend sei auch die gemessene Erwartungshaltung der Umfrageteilnehmer, die für die Interpretation der Gemengelage ebenfalls wichtig ist: 21 Prozent erwarten für den Dax in drei Monaten einen Aufwärtsimpuls, 29 Prozent eine Seitwärtsbewegung. Mit 36 Prozent fürchten die meisten einen Abwärtsimpuls.

„Nur einmal seit dem Start der Erhebung der Sentiment-Daten in Kooperation mit dem Handelsblatt vor zweieinhalb Jahren war die Stimmung so pessimistisch. Das war genau im Februar vor zwei Jahren“, sagt Sentiment-Profi Heibel. Danach sei eine fulminante Rallye gefolgt, die den Dax von 10.900 auf 12.338 Punkte getrieben habe. Bezogen auf das heutigen Indexniveau von rund 11.800 Punkten würde ein entsprechender dreizehnprozentiger Anstieg den Dax auf ein neues Allzeithoch bei 13.338 Zählern treiben.


„Sollte der Dax abtauchen, dann sind das Kaufkurse“

Vor zwei Jahren war die Kaufbereitschaft sehr gering, die Verkaufsabsichten überwogen. So ist es auch heute: nur 20 Prozent der Umfrageteilnehmer wollen ihre Aktienpositionen ausbauen, 56 Prozent wollen vorerst abwarten. Doch 24 Prozent geben an, verkaufen zu wollen. „Damit überwiegen die Verkaufsabsichten, und das ist höchst selten“, sagt Heibel.

Die Zweifel an der Rally seien groß und genau das sei der Nährstoff für ihre Fortsetzung. Heibels klarer Ratschlag für Anleger: „Sollte der Dax also in den kommenden Tagen nochmals abtauchen, dann sind das Kaufkurse.“

Damit bleibt der Marktbeobachter bei seiner bisherigen Lagebeurteilung. Schon in der vergangenen Woche hatte er Investoren empfohlen, sinkende Notierungen als Kaufchance zu sehen: „Einen Rückschlag würde ich dankbar zum Ausbau unserer Positionen nutzen. Spätestens mittelfristig sollte der Dax weiter steigen“, hieß es damals.

Weniger hilfreich als die Handelsblatt-Umfrage sind momentan die Ergebnisse des an der Stuttgarter Börse gemessenen „Euwax-Sentiments“: Privatanleger weisen ein ausgeglichenes Verhältnis an Long- und Short-Positionen auf. Ebenso ist das Put/Call-Ratio der institutionellen Anleger an der Eurex mit 1,4 im neutralen Bereich. Joachim Goldberg schreibt den Kursanstieg auf 12.000 Punkte im Dax langfristig orientierten Anlegern zu, während mittel- und kurzfristig orientierte institutionelle Anleger ihre Positionen aufgelöst hätten. Lediglich Privatanleger hätten seiner Einschätzung nach nicht verkauft, die bleiben dabei.

Der „Angst und Gier-Index“ des S&P 500, der Auskunft geben soll über die Stimmungslage der weltweit einflussreichen Wall Street, notiert mit 67 Prozent im grünen Bereich. Die Rally auf 20.000 im US-Aktienindex Dow Jones wird nach Stephan Heibels Beobachtung von einer breiten Aktienzahl getragen. Institutionelle Anleger in den USA sind nun wieder zu 100,8 Prozent investiert, also gehebelt long. „Und auch US-Privatanleger sind endlich wieder zu 38,5 Prozent bullish gestimmt und liegen damit im historischen Mittel“, sagt der Fachmann. In den vorangegangenen Wochen waren US-Privatanleger dagegen durchgängig zu pessimistisch gewesen.

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