Sinkende Steuereinnahmen Spanien macht Tempo bei Bondverkäufen

Rekordarbeitslosigkeit, schleppende Konjunktur, weniger Steuereinnahmen: Die spanische Wirtschaftslage macht Ministerpräsident Rajoy zu schaffen. Als Antwort kurbelt er den Anleihenverkauf an.

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Ministerpräsident Rajoy redet offen über die wirtschaftlichen Probleme seines Landes. Quelle: dpa

Madrid Angesichts nachlassender Steuereinnahmen legt Spanien bei Anleiheverkäufen ein Tempo an den Tag wie seit 2003 nicht mehr. Daten der vom Finanzministerium zeigen, dass die Nettoeinnahmen aus Finanztransaktionen, insbesondere Anleiheverkäufen, in den ersten vier Monaten des Jahres auf 56,1 Milliarden Euro und damit den höchsten Stand seit mindestens einem Jahrzehnt gestiegen sind. Ein Jahr zuvor lagen sie noch bei 50,3 Milliarden Euro. Gegenüber dem Stand von 2012 von 11,8 Milliarden Euro haben sie sich vervierfacht. Dagegen sind die Nicht-Finanzeinnahmen, insbesondere Steuern, von 20,8 Milliarden Euro 2012 auf 15 Milliarden Euro zurückgegangen.

Der Engpass macht es Ministerpräsident Mariano Rajoy schwerer, durch Einnahmen die europäischen Sparziele einzuhalten. Sein Vorgänger Jose Maria Aznar fordert Steuersenkungen, die sich das Land Rajoy zufolge nicht leisten kann. Spanien hat seine Kassen gefüllt, bevor am heutigen Montag ein Anstieg der Kreditkosten die Rendite zehnjähriger Anleihen erstmals seit dem 2. April auf über fünf Prozent steigen ließ.

„Das Finanzministerium muss sich besonders anstrengen, um mit Bondverkäufen die fehlenden Steuereinnahmen auszugleichen und im Fall eines Anstiegs der Risikoaversion der Investoren auf der sicheren Seite zu sein”, sagte Arturo Bris, Finanzprofessor an der IMD Business School im Schweizerischen Lausanne.

In der letzten Woche führte Spanien die Kursverluste bei europäischen Staatsanleihen an, nachdem Fed-Chef Bernanke ein Ende der Anleihekäufe für das kommende Jahr angedeutet hatte. Ein Sprecher des spanischen Haushaltsministeriums in Madrid wollte sich nicht äußern.

Die Steuereinnahmen gehen zurück, seit Rajoy im Dezember 2011 die Abgaben auf Einkommen, Sparguthaben und Immobilien erhöht hat, um das Defizit von 11,2 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt 2009 zu verringern. Im Juli 2012 erhöhte er den Hauptsatz der Umsatzsteuer von 18 Prozent auf 21 Prozent.

Zugleich schrumpft die Steuerbasis. Die spanische Industrieproduktion ging im April um 1,8 Prozent zurück, den 20. Monat in Folge. Seit sieben Quartalen schrumpft die viertgrößte Wirtschaft der Eurozone, obwohl die Exporte Rekordniveaus erreicht haben. „Steuern hängen nicht nur von Steuersätzen ab, sondern auch von der wirtschaftlichen Aktivität, die auf niedrigem Niveau ist”, sagte Michael Michaelides, Zinsstratege bei Royal Bank of Scotland Group Plc in London.


Spaniens größtes Problem: Der Rückgang öffentlicher Einnahmen.

Angesichts einer Rekord-Arbeitslosigkeit von 27 Prozent gingen die Nettoeinnahmen aus direkten Steuern und Sozialbeiträgen in den ersten vier Monaten des Jahres von 8,1 Milliarden Euro im Vorjahr auf 5,6 Milliarden Euro zurück. Ausstehende direkte Steuerzahlungen beliefen sich in den ersten vier Monaten auf 3,6 Milliarden Euro, 39 Prozent der angefallenen Einnahmen. Das ist der höchste Anteil seit mindestens neun Jahren, was auf eine größere Verzögerung zwischen Registrierung der Einnahmen durch die Regierung und der Vereinnahmen der Gelder hindeutet.

Die Einnahmen aus indirekten Steuern, vor allem der Mehrwertsteuer, ging in den ersten vier Monaten um 44 Prozent auf 3,1 Milliarden Euro zurück, fast ein Fünftel der Summe, die im selben Zeitraum im Jahr des Einnahmenhochs 2007 eingenommen wurden. Ausstehende Zahlungen nicht-direkter Steuern lagen zwischen Januar und April bei vier Milliarden Euro, 56 Prozent der aufgelaufenen Einnahmen, verglichen mit 45 Prozent ein Jahr zuvor.

Das spanische Finanzministerium meldete am 20. Juni, dass in diesem Jahr bislang Anleihen im Volumen von 76,8 Milliarden Euro begeben wurden, 63 Prozent des Emissionsprogramms im mittel- und langfristigen Bereich für das Jahr. Das ist der höchste Anteil für diesen Zeitraum seit mindestens 2009, so Daten von Société Générale SA.

Rajoy sagte am 19. Juni, dass Spanien Ende letzten Jahres nach Irland und der Slowakei die geringsten Einnahmen im Verhältnis zu seinem Bruttoinlandsprodukt innerhalb der Eurozone erzielte. Sie lagen ihm zufolge bei 36,4 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt, verglichen mit einer mittleren Quote von 46,2 Prozent innerhalb der Eurozone. „Unser größtes Problem ist derzeit der brutale Rückgang der öffentlichen Einnahmen”, so Rajoy.

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